Leitsatz (amtlich)

Eine Entschädigung, die dafür gezahlt wird, daß die Steuerberatungsgesellschaft einer GmbH den Antrag auf Investitionszulage nicht rechtzeitig gestellt hat, gehört nicht zu den Einkünften i. S. des Einkommensteuerrechts.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 1; KStDV § 16; EStG § 24 Nr. 1a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erhielt von der Berufshaftpflichtversicherung ihrer ehemaligen Steuerberatungsgesellschaft Schadensersatz in Höhe von 26 111 DM dafür, daß ein Antrag auf Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) vom 18. August 1969 (BGBl I. 1211, BStBl I, 477) nicht rechtzeitig gestellt worden war. Die Klägerin setzte den Schadensersatz bei der Ermittlung ihres Einkommens für den Veranlagungszeitraum 1972 wie eine Investitionszulage ab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber die Ansicht, daß der Schadensersatz den Gewinn und damit auch das Einkommen der Klägerin erhöhe.

Die unmittelbar zum Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG berief sich zur Begründung seiner Entscheidung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Dezember 1971 I R 80/70 (BFHE 104, 134, BStBl II 1972, 292).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Steuerbescheid für 1972 über Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe vom 28. Mai 1974 insofern aufzuheben, als er eine Schadensersatzleistung in Höhe von 26 111 DM für verspätet geltend gemachte Investitionszulage als Gewinn besteuert hat.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der von der Klägerin vertretenen Auffassung, die Schadensersatzleistung unterliege nicht der Besteuerung, ist zuzustimmen. Dies folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 16 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes - KStDV - (jeweils in ihrer für den Veranlagungszeitraum 1972 geltenden Fassung) sowie aus § 24 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 3 Abs. 2 InvZulG.

a) Was für die Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz als Einkommen gilt, bestimmt sich im Ausgangspunkt nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Bei Steuerpflichtigen, die - wie die GmbH - buchführungspflichtig nach den Vorschriften des HGB sind (§§ 38 f. HGB), sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen (§ 16 KStDV).

b) Nach § 24 Nr. 1 a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 3 EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt werden. Diese Vorschrift ist auch auf Einkünfte anzuwenden, die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen bestimmen (vgl. für die im Grundsatz gleichlautende Vorschrift des § 8 Abs. 1 KStG 1977 Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1977). Die Vorschrift des § 24 EStG hat - wie der BFH wiederholt ausgesprochen hat - keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung BFH-Urteil vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9). Die Klarstellung des § 24 EStG hat eine doppelte Wirkung. Einmal ist ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Insoweit bedarf es der Vorschrift für die unter § 16 KStDV fallenden Einkünfte einer Kapitalgesellschaft nicht. Zum anderen hat die Vorschrift des § 24 EStG auch eine negative Rechtsfolge. Sie stellt in Nr. 1 Buchst. a klar, daß alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 3 ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 3 EStG fallen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1960 IV 139/58, BFHE 72, 266, BStBl III 1961, 100). Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt. Insoweit hat § 24 EStG Bedeutung auch für Kapitalgesellschaften, die nach § 16 KStDV nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 4. März 1970 I R 123/68 (BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470) dargelegt hat, kann § 16 KStDV nicht die Wirkung haben, daß alles, was eine Kapitalgesellschaft bezieht, ohne Rücksicht auf die Tragweite des § 2 Abs. 3 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen ist. Daran hält der Senat fest.

c) Die Investitionszulage gehört schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 2 InvZulG nicht zu den Einkünften i. S. des Einkommensteuergesetzes. Sie gehört daher auch nicht zu den Einkünften (aus Gewerbebetrieb) einer Kapitalgesellschaft. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 InvZulG entspricht § 19 Abs. 7 Satz 1 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG - (vgl. Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache V/3890 zu § 4 S. 29). Zu der gleichlautenden Vorschrift des § 19 Abs. 7 Satz 1 BerlinFG wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß die Investitionszulage eine nichtbetriebliche Einnahme sei (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 19 BerlinFG Anm. 57). Diese Rechtsauffassung teilt der erkennende Senat. Insoweit gilt das gleiche wie für Einnahmen einer Kapitalgesellschaft aus der Unterhaltung eines Gestüts, wenn die im BFH-Urteil I R 123/68 im einzelnen dargelegten Voraussetzungen zutreffen.

Die Vorinstanz ist - ausgehend von den Grundsätzen des BFH-Urteils I R 123/68 - zu einer gegenteiligen Rechtsauffassung gelangt. Im Urteil I R 80/70 hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß eine Schadensersatzleistung des steuerlichen Beraters auch dann nicht bei der Besteuerung außer Betracht bleibt, wenn die Leistung ihre Ursache in einer vom steuerlichen Berater zu vertretenden höheren als notwendigen Steuerfestsetzung hat. Die Entscheidung des Senats ist im Schrifttum mehrfach kritisiert worden (vgl. z. B. Ranft, Steuerberater-Jahrbuch 1972/73, 269, 320 f.; Conze, Finanz-Rundschau 1972 S. 532 - FR 1972, 532 -; Keuk, Der Betrieb 1972 S. 847 - DB 1972, 847 -; Scheiterle, Der Steuerberater 1972 S. 195 - StB 1972, 195 - und Der Betriebs-Berater 1972 S. 647 - BB 1972, 647 -; Fasold, StB 1973, 43 und Schäufele, BB 1972, 1399). Der Senat braucht dieser Kritik im Streitfall nicht nachzugehen. Denn der in der Entscheidung I R 80/70 beurteilte Sachverhalt weicht von dem hier vorliegenden ab. Mußeine Kapitalgesellschaft durch Verschulden eines Beraters eine zu hohe Körperschaftsteuerschuld entrichten, so erhöht sich damit der Betrag der nach § 12 Nr. 2 KStG nicht abzugsfähigen Steuern vom Einkommen. Der Schadensersatz dient dem Ausgleich zu hoher nichtabzugsfähiger Ausgaben. Dagegen hat die Klägerin im Streitfall die Entschädigung für nichtsteuerbare entgangene Einnahmen erzielt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72989

BStBl II 1979, 120

BFHE 1979, 199

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