Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beurteilung der Frage, ob das Vermögen von Eltern, die ihrer Tochter bei der Verheiratung eine Aussteuer geben, nicht unerheblich ist, muß außer Betracht bleiben, ob das Vermögen der Altersversorgung der Eltern dienen muß.

 

Normenkette

EStG § 33; EStR Abschn. 188 Abs. 8

 

Tatbestand

Der Stpfl., ein Zahnarzt, wandte im Streitjahr 1962 aus Anlaß der Eheschließung seiner Tochter, die sein einziges Kind ist, 9.355 DM für eine Aussteuer auf. Den Antrag, bei der Einkommensteuerveranlagung nach § 33 EStG eine außergewöhnliche Belastung von 8.000 DM zu berücksichtigen, lehnte das FA ab, weil der Stpfl. über ein nicht unerhebliches Vermögen verfüge. Nach der Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1963 habe er an Spar- und Bankguthaben 50.731 DM; dazu ein Geschäftsguthaben bei einer Genossenschaft von 1.500 DM und eine Lebensversicherung im Werte von 5.400 DM. Das Vermögen betrage insgesamt 57.631 DM. Rechne man die für die Aussteuer gewährten 9.000 DM dazu, so ergebe sich ein Vermögen von etwa 66.000 DM.

Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1965, 325 veröffentlicht ist, gab der Berufung statt und führte aus, eine Besonderheit des Streitfalls sei, daß der Stpfl. trotz seines Alters von 63 Jahren bei der Gewährung der Aussteuer an seine Tochter keine ausreichende Altersversorgung gehabt habe. Von der Rente der Zahnärztekammer von 200 DM monatlich, die er und seine Ehefrau im Streitjahr hätten erwarten können, hätte der Stpfl. den Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Nach der Sterbetafel 1949/1951 erfordere eine mit dem 65. Lebensjahr beginnende lebenslange monatliche Rente von 500 DM ein Kapital von 61.920 DM. Da die Lebenserwartung inzwischen gestiegen sei und das Vermögen auch der Versorgung der acht Jahre jüngeren Ehefrau dienen müsse, reiche das vor den Aussteueraufwendungen vorhandene Vermögen von rd. 66.000 DM nicht einmal für eine Rente von 500 DM. Demnach würden die Versorgungsbezüge des Stpfl. und seiner Ehefrau ab dem 65. Lebensjahr einschließlich der Rente der ärztekammer unter 700 DM monatlich liegen. Aus dem Einkommen der letzten Jahre - der zu versteuernde Einkommensbetrag ohne Berücksichtigung der Aussteuer habe im Jahre 1962 = 23.654 DM und im Jahre 1963 = 25.650 DM betragen - könne der Stpfl. seine Altersversorgung nicht mehr aufbauen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der das FA unrichtige Rechtsanwendung rügt, vor allem auch, daß das FG den Verkehrswert der Praxis von etwa 28.000 DM zu Unrecht außer Betracht gelassen habe, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

In dem Grundsatzurteil VI 170/65 vom 16. August 1967 (BFH 89, 447, BStBl III 1967, 700) hat der Senat die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung einer Aussteuer an eine heiratende Tochter als außergewöhnliche Belastung der Eltern anerkannt werden kann, nochmals geprüft und hat seine bisherige Rechtsprechung teilweise geändert, vor allem in der Hinsicht, daß er unter dem Einfluß des Gleichberechtigungsgesetzes nunmehr eine Aussteuer an eine heiratende Tochter bei der Anwendung des § 33 EStG nicht anders beurteilt als die Ausstattung, die einem Sohn bei der Verheiratung zur Erstausstattung der Wohnung gegeben wird. Der Senat hat insbesondere ausgesprochen, daß eine sittliche Pflicht der Eltern, ihrer Tochter bei der Verheiratung eine Aussteuer zu geben, nicht mehr anerkannt werde, wenn die Eltern der Tochter zuvor eine Berufsausbildung hätten zuteil werden lassen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob nach dieser neuen Rechtsprechung dem Stpfl. überhaupt eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG gewährt werden könnte oder ob dem nicht von vornherein entgegenstände, daß er seiner Tochter eine Berufsausbildung gegeben hatte. Denn wie der Senat in der angeführten neuen Entscheidung ausgesprochen hat, müssen Fälle aus der Zeit vor dem Bekanntwerden der neuen strengeren Rechtsprechung nach der bisher angewandten mildernen Rechtsprechung abgewickelt werden.

Aber auch nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung muß die Revision des FA Erfolg haben. Der Senat hat in der erwähnten Entscheidung VI 170/65 erneut bestätigt, daß, wie auch das FG annimmt, Aussteueraufwendungen in der Regel in den Vermögensbereich des Steuerpflichtigen gehören und deshalb bei der Anwendung des § 33 EStG nur zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige kein oder nur ein unerhebliches Vermögen hat. Für die Frage, ob ein Vermögen unerheblich ist, bieten die im Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1962 gegebenen Grenzen eine brauchbare Schätzungsgrundlage, wie der Senat im Urteil VI 104/63 U vom 28. Februar 1964 (BFH 79, 97, BStBl III 1964, 268) ausgesprochen hat.

Allerdings kann für die Feststellung der Erheblichkeit eines Vermögens neben der Höhe auch seine Zusammensetzung bedeutsam sein. Gehört z. B. zum Vermögen der Eltern ein selbst bewohntes, bescheiden ausgestattetes Einfamilienhaus, so ist nach der Rechtsprechung des Senats der Verkehrswert dieses Hauses in der Regel nur mit dem doppelten Einheitswert anzusetzen. ähnliches gilt für ein als Heimstätte anerkanntes Haus.

Das Vermögen des Stpfl. betrug am 1. Januar 1963, also nach der Hingabe der Aussteuer, 57.631 DM und lag damit wesentlich über der Grenze in Abschn. 188 EStR von (2 x 15.000 DM =) 30.000 DM. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob das FA nicht mit Recht geltend macht, der Verkehrswert der Praxis des Stpfl. sei wesentlich höher gewesen als die angesetzten 2 x 15.000 DM; denn selbst die in den 57.631 DM enthaltenen Barmittel von 50.731 DM - vor Bezahlung der Aussteuer sogar rund 60.000 DM - überschreiten die Grenze der 30.000 DM ganz erheblich. Der Stpfl. konnte aus diesen flüssigen Mitteln die Aussteuer ohne Inanspruchnahme seines Einkommens ohne weiteres aufbringen. Sein Fall liegt insofern anders als die erwähnten Fälle des Einfamilienhauses oder der Heimstätte, in denen der Verwertung des Vermögens für Aussteuerzwecke gewöhnlich erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen.

Das FG ist dem Stpfl. darin gefolgt, daß der Stpfl. zur Altersversorgung auf das Vermögen angewiesen sei und daß dieser Umstand dazu führen müsse, das Vermögen bei der Prüfung, ob der Stpfl. die Aussteuer aus dem Vermögen habe leisten können, außer Betracht zu lassen. In dieser Beurteilung tritt der Senat dem FG nicht bei. Jedes Vermögen, ob bei Angehörigen der freien Berufe wie dem Stpfl. oder bei anderen Steuerpflichtigen, hat mehr oder weniger auch die Aufgabe, eine Rücklage für die Zukunft, vor allem in alten Tagen, zu sein. Der Einwand, daß das Vermögen der Alterssicherung diene, könnte deshalb in den meisten Fällen erhoben werden. Damit würden aber die im Abschn. 188 EStR 1962 gesetzten und vom Senat gebilligten Grenzen für die Besteuerung eines unerheblichen Vermögens weithin gegenstandslos. Vorgänge, die wie Aussteuern grundsätzlich das Vermögen betreffen, würden dann einen zu weitgehenden Einfluß auf die Einkommensbesteuerung gewinnen.

Im übrigen ist aber auch noch das Folgende zu beachten: Der Stpfl. war weder rechtlich noch sittlich verpflichtet, seiner Tochter eine Aussteuer zu geben, wenn er in seinen vorgerückten Jahren das nicht tun konnte, ohne seine eigene Zukunftssicherung zu gefährden. Wenn er der Tochter trotzdem eine Aussteuer gab, so handelte er gewiß ehrenhaft und uneigennützig, aber doch aus reiner Freigebigkeit. Derartige Schenkungen rechtfertigen aber keine Steuerermäßigung nach § 33 EStG. Jedenfalls geht es nicht an, daß ein Steuerpflichtiger ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung sein Vermögen um eine Aussteuer mindert, dann aber den Finanzbehörden gegenüber geltend macht, das hingegebene Vermögen hätte er zur Sicherung seiner Altersversorgung nicht entbehren können.

Die angefochtene Entscheidung, die auf einer anderen Rechtsauslegung beruht, war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage des Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des FA vom 17. August 1964 war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412732

BStBl III 1967, 755

BFHE 1968, 55

BFHE 90, 55

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