Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes kann bei Betrieben mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Schuld abgezogen werden, wenn sie im abweichenden Abschlußzeitpunkt schon besteht. Diese Verpflichtung kann trotz des Vorbehalts der Freiwilligkeit für das Jahr der Zahlung einmalig entstehen, wenn das Unternehmen vor dem abweichenden Abschlußzeitpunkt eine verbindliche Erklärung über die Zahlung abgegeben hat und diese Erklärung von der Arbeitnehmerschaft auf Grund sozialtypischen Verhaltens angenommen wurde.

 

Normenkette

BewG 1965 § 103 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, das am 30. September endet. Sie gewährt ihren Arbeitnehmern seit Jahren freiwillig und unter Ausschluß eines Rechtsanspruchs zusätzlich zu den laufenden Lohn- und Gehaltszahlungen eine Weihnachtsgratifikation. Das Weihnachtsgeld für 1967 wurde mit den Lohn- und Gehaltszahlungen für November 1967 ausgezahlt.

Die Gewährung der Gratifikation war den Arbeitnehmern der Klägerin mit Hausmitteilung im September 1967 wie folgt bekanntgegeben worden:

"Wir geben der Belegschaft hiermit bekannt, daß wir auch in diesem Jahr eine Weihnachtsgratifikation gewähren werden. Über die Höhe der Zuwendung und die Bedingungen, unter denen diese gezahlt wird, ergeht noch eine besondere Mitteilung."

Diese Bekanntmachung ist den Arbeitnehmern der Klägerin noch vor dem 30. September 1967 zugegangen.

Durch eine weitere Hausmitteilung wurden im November 1967 Einzelheiten über die Weihnachtsgratifikation 1967 geregelt und bekanntgegeben. Diese Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

"Die Weihnachtszuwendung für unsere Belegschaftsmitglieder ist für 1967 auf X% des Arbeitsverdienstes für den Monat September 1967 (ohne Mehrarbeitsvergütung) festgesetzt worden.

Lehrlinge und Anlernlinge erhalten X DM brutto.

Die Auszahlung erfolgt mit dem Lohn bzw. Gehalt für November 1967.

... (Es folgt die Regelung für Arbeitnehmer, die am 30.9.1967 noch nicht volle 9 Monate dem Betrieb der Klägerin angehörten) ...

Belegschaftsmitglieder, die bis zum 28. Februar 1968 auf Grund eigener Kündigung ausscheiden, sind zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes in voller Höhe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn wir das Dienstverhältnis aus Gründen kündigen, die das Belegschaftsmitglied zu vertreten hat und das Ausscheiden bis zum 28.2.1968 erfolgt.

Die Zuwendung wird - wie in den Vorjahren - unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und unter Ausschluß eines Rechtsanspruchs gewährt. Auch durch die Zahlung zu Weihnachten 1967 wird also ein Rechtsanspruch für die folgenden Jahre nicht begründet."

Die Klägerin machte in ihrer Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1968, die sie nach den Verhältnissen vom 30. September 1967 erstellte, einen Schuldabzug für die Weihnachtsgratifikation in Höhe der in der Steuerbilanz ausgewiesenen Rückstellung geltend. Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) zog diesen Betrag bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens nicht vom Rohvermögen ab.

Die Sprungklage hat das FG abgewiesen.

Die Revision der Klägerin rügt, das FG habe verkannt, daß durch die jahrelange wiederholte Zahlung der Weihnachtsgratifikation trotz des Vorbehalts der Freiwilligkeit ein Rechtsanspruch entstanden sei. Die Betonung der Freiwilligkeit liege nämlich auf dem Ausschluß eines Rechtsanspruchs für zukünftige Jahre, die nach dem Jahr der Zusage und der Zahlung lägen. Der Sinn der Zusage sei es, nur eine einmalige Verpflichtung für das Jahr zu begründen, für das die Gratifikation zugesagt werde, dagegen nicht auch für spätere Jahre. Der Vorbehalt der Freiwilligkeit aus den Vorjahren werde für das Jahr der Zahlung aufgehoben und behalte nur für zukünftige Jahre seine Wirkung.

Die Revision tritt auch der Auffassung des FG entgegen, der Anspruch auf die Gratifikation sei am maßgebenden Stichtag aufschiebend bedingt gewesen. Die Weihnachtsgratifikation 1967 sei wirtschaftlich zusätzlicher Lohn des Jahres 1967. Das ergebe sich daraus, daß Arbeitnehmer, die nicht während des gesamten Wirtschaftsjahres dem Unternehmen angehörten, nur eine der Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Unternehmen entsprechende Weihnachtsgratifikation erhielten. Wenn die Gratifikation aber zusätzlicher Lohn des Wirtschaftsjahres 1967 sei, so könne sie nicht aufschiebend bedingt sein.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1968 unter Abzug der Rückstellung für Weihnachtsgratifikation festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine Schuld nur abgezogen werden kann, wenn sie am maßgebenden Stichtag rechtlich schon entstanden, noch nicht getilgt und für den Schuldner eine ernsthafte Belastung war. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, die Schuld der Klägerin auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation 1967 sei am 30. September 1967, dem für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin maßgebenden Stichtag (vgl. § 106 Abs. 3 BewG), noch nicht entstanden gewesen.

a) Die Weihnachtsgratifikation ist ein zusätzliches Entgelt für Dienstleistungen des Arbeitnehmers. Wenn der Arbeitgeber regelmäßig, und zwar mindestens während dreier aufeinanderfolgender Jahre, vorbehaltlos ein Weihnachtsgeld zahlt, so liegt darin grundsätzlich die Bekanntgabe seines Entschlusses, diese Übung auch weiterhin beibehalten zu wollen. Der Anspruch auf die Gratifikation wird dadurch zum Inhalt des Arbeitsvertrages (vgl. Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bd. 2 S. 302). Eine Bindung für die Zukunft auf Grund einer gleichförmigen Übung kann nicht entstehen, wenn der Arbeitgeber, wie die Klägerin, bei der Leistung jeweils erklärt, daß die Gratifikation freiwillig gezahlt werde (Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - BAG - 2 AZR 213/54 vom 4. Oktober 1956, Arbeitsrechtliche Praxis, Nr. 4 zu § 611 BGB - Gratifikation -). Dies schließt aber nicht aus, daß der Arbeitgeber für das einzelne Jahr, für das er die Zahlung eines Weihnachtsgeldes jeweils ankündigt, eine Rechtsverpflichtung eingehen kann. Die Begründung einer solchen Rechtsverpflichtung bedarf allerdings eines Vertrages (§ 305 BGB), der aber auch durch schlüssiges Handeln zustande kommen kann.

b) Das FG hat die erste Hausmitteilung der Klägerin an ihre Arbeitnehmer unzutreffend rechtlich gewürdigt.

Die Ermittlung des Willens der Vertragsparteien durch Auslegung des Vertrages ist zwar Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht gebunden ist, wenn die festgestellten Tatsachen nicht angegriffen werden. Eine vom Revisionsgericht ohne Rüge zu beachtende Rechtsverletzung bei der Auslegung von Verträgen kann aber darin begründet sein, daß die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht beachtet oder wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind (Entscheidung des BFH V 118/65 vom 16. November 1967, BFH 91, 336, BStBl II 1968, 348). Im Streitfall hat die Klägerin überdies gegen das Auslegungsergebnis des FG zulässige Revisionsgründe vorgebracht, die sich als begründet erweisen.

Die Bekanntmachung der Klägerin in der ersten Hausmitteilung ist das bindende Angebot an die Arbeitnehmerschaft, für das Jahr 1967 eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen (vgl. § 145 BGB). Aus der Formulierung in dieser Bekanntmachung "gewähren werden", kann nicht geschlossen werden, daß eine Bindung erst in der Zukunft eingegangen werden soll. Dies ergibt sich aus dem folgenden Satz der Bekanntmachung, daß über die Höhe und die Bedingungen der Zahlung eine besondere Bekanntmachung ergeht. Diese weitere Bekanntmachung regelt also nur die Zahlungsmodalität, d. h. die Abwicklung der schon vorher eingegangenen Verpflichtung.

Nach § 154 BGB ist allerdings ein Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, solange sich die Parteien nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die eine Vereinbarung getroffen werden soll. Zur Vereinbarung der Zahlung eines Weihnachtsgeldes gehört grundsätzlich auch die Vereinbarung über die Höhe des zu zahlenden Betrags. Eine Vereinbarung darüber war an dem für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin maßgebenden Stichtag 30. September 1967 noch nicht getroffen. § 154 BGB gibt aber nur eine Auslegungsregel; sie ist nicht anzuwenden, wenn sich aus dem Sachzusammenhang etwas anderes ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei Zusage einer Weihnachtsgratifikation durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer das Interesse der Arbeitnehmerschaft, diese Gratifikation zu erhalten, so stark ist, daß die Arbeitnehmer das Angebot auch annehmen, wenn die Höhe der Gratifikation noch nicht festgelegt ist. Es ist, wie das BAG zu Recht entschieden hat, sozialtypisch, daß ohne gegenteilige Anhaltspunkte angenommen werden muß, die Arbeitnehmerschaft habe das ihr bekanntgegebene Angebot auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes auch ohne Bestimmung der Höhe des Weihnachtsgeldes angenommen. Damit ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung zustande gekommen. Der Vorbehalt der Freiwilligkeit der Zahlung erschöpft sich nach Abgabe der Erklärung, für ein bestimmtes Jahr ein Weihnachtsgeld zu zahlen, darin, daß aus dieser Zahlung im Zusammenhang mit der Zahlung für frühere Jahre ein Rechtsanspruch für zukünftige Jahre nicht entstehen soll (so BAG-Entscheidung 5 AZR 169/60 vom 4. März 1961, Arbeitsrechtliche Praxis, Nr. 21 zu § 611 BGB - Gratifikation -).

2. Die Schuld der Klägerin auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für 1967 war am 30. September 1967 entgegen der Auffassung des FG nicht aufschiebend bedingt. Ein Rechtsgeschäft ist dann unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, wenn seine Wirkungen nach dem Willen der Parteien vom Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängen sollen. Es ist auflösend bedingt, wenn die Wirkungen mit dem Eintritt dieses Ereignisses enden sollen. Die Grenze zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung ist oft nicht leicht zu ziehen. Der Senat hat jedoch schon mit Urteil III 121/58 S vom 30. April 1959 (BFH 69, 142, BStBl III 1959, 315) entschieden und hält daran fest, ein Rechtsgeschäft sei auflösend bedingt, wenn dessen Wirkungen nach dem Parteiwillen davon abhängen, daß ein bestimmtes Ereignis nicht eintritt, d. h. also die bei Abschluß des Rechtsgeschäfts gegebenen maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse bestehenbleiben. Denn die Rechtswirkungen eines solchen Rechtsgeschäfts sollen sofort eintreten und nur dann wegfallen, wenn das ungewisse zukünftige Ereignis eintritt. So verhält es sich auch mit der Klausel in der Bekanntmachung der Klägerin vom November 1967, daß das Weihnachtsgeld zurückgezahlt werden muß, wenn das Arbeitsverhältnis im Einzelfall durch den Arbeitnehmer oder aus Gründen, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat, vom Arbeitgeber bis zum 28. Februar 1968 aufgelöst wird. In gleicher Weise ist die vom FG herausgestellte Tatsache zu beurteilen, daß das Weihnachtsgeld nur diejenigen Arbeitnehmer erhalten, die am Auszahlungstag dem Unternehmen noch angehören. Auflösend bedingte Schulden sind bewertungsrechtlich aber wie unbedingte Schulden zu behandeln (§ 7 Abs. 1 BewG).

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Die unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG reichen aus, um den Rechtsfolgewillen der Klägerin durch Anwendung von Rechtssätzen feststellen zu können. Das ist dem Revisionsgericht nicht verwehrt. Die Klägerin war nach den Verhältnissen des maßgebenden Abschlußzeitpunkts verpflichtet, eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen. Der Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1968 war dementsprechend unter Abzug dieser Schuld vom Rohvermögen festzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413275

BStBl II 1972, 821

BFHE 1972, 460

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