Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrechtliche Behandlung der Erstattung zu Unrecht einbehaltener Kirchenlohnsteuer

 

Leitsatz (NV)

Macht eine natürliche Person, die nicht Mitglied einer Kirche ist, geltend, ihr gegenüber sei zu Unrecht ev.-luth. Kirchenlohnsteuer einbehalten worden, so ist über das Bestehen eines entsprechenden KiSt- Schuldverhältnisses durch negativen Freistellungsbescheid zu entscheiden.

 

Normenkette

BayKiStG Art. 2 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1; AO 1977 § 155 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist am 17. November 1972 aus der ev.-luth. Kirche ausgetreten. Für das Streitjahr 1988 wurde er mit seiner Ehefrau K, die damals Mitglied der römisch-katholischen (rk) Kirche war, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Das katholische Kirchensteueramt erließ nur gegenüber K einen Steuerbescheid über rk Kirchensteuer 1988. In diesem Bescheid wurde die rk Kirchensteuer 1988 der K auf 433,76 DM festgesetzt. Auf den Betrag wurde angeblich gezahlte rk Kirchenlohnsteuer in Höhe von 1 308,40 DM angerechnet. Der Differenzbetrag in Höhe von 874,64 DM wurde auf ein Konto des Klägers erstattet.

Mit der angerechneten rk Kirchenlohnsteuer hat es folgende Bewandtnis: K war im Streitjahr 1988 nichtselbständig tätig. Ihr Arbeitgeber hielt von ihrem Arbeitslohn auf Grund entsprechender Eintragungen in der Lohnsteuerkarte 1988 303 DM rk Kirchenlohnsteuer und 303 DM ev.-luth. Kirchenlohnsteuer ein. Der Kläger erzielte aus einer früher ausgeübten nichtselbständigen Arbeit in 1988 nachträgliche Einnahmen i. S. der §§ 24, 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 48 520 DM. Davon behielt der Arbeitgeber auf Grund entsprechender Eintragungen in der Lohnsteuerkarte 1988 351,20 DM ev.-luth. Kirchenlohnsteuer und 351,20 DM rk Kirchenlohnsteuer ein. Der Betrag von 1 308,40 DM ist die Summe aller einbehaltenen rk und ev.- luth. Kirchenlohnsteuern. Das zuständige Finanzamt (FA) teilte die Summe dem rk Kirchensteueramt als einbehaltene rk Kirchenlohnsteuer 1988 mit, weil sich aus der Einkommensteuererklärung 1988 des Klägers ergab ("vd/rk"), daß dieser aus der ev.- luth. Kirche ausgetreten war.

Der Kläger teilte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (ev.-luth. Kirchensteueramt) mit Schreiben vom 22. Februar 1990 mit, daß er bereits am 17. November 1992 aus der ev.-luth. Kirche ausgetreten sei und deshalb die Eintragungen ("rk/ev") auf den Lohnsteuerkarten 1988 der Eheleute fehlerhaft seien. Am 21. November 1990 beantragte er, alsbald ihm gegenüber einen Bescheid über ev.-luth. Kirchensteuer 1988 zu erlassen. Diesen Antrag lehnte das ev.- luth. Kirchensteueramt durch Bescheid vom 27. November 1990 ab. Gegen den Bescheid legte der Kläger am 3. Dezember 1990 "Widerspruch" ein, der am 28. Dezember 1990 und am 17. Januar 1991 jeweils ohne Rechtsbehelfsbelehrung abschlägig beschieden wurde.

Der Kläger erhob am 7. Februar 1991 Klage mit dem Ziel, das ev.-luth. Kirchensteueramt zu verpflichten, einen Freistellungsbescheid (= Bescheid über 0 DM) zur ev.-luth. Kirchensteuer 1988 zu erlassen. Diese Klage hatte keinen Erfolg.

Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Das ev.-luth. Kirchensteueramt war zum Erlaß des beantragten Freistellungsbescheides zu verpflichten (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Dies bedarf überwiegend keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, hat er in seiner Revisionsbegründung nicht dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn er auf die Absicht des FG rechtzeitig hingewiesen worden wäre, den gegenüber K ergangenen Kirchensteuerbescheid 1988 inhaltlich auszuwerten. Entsprechend fehlt es an einer schlüssigen Begründung der geltend gemachten Verfahrensrüge. Unabhängig davon greift das Vorbringen des Klägers auch sachlich nicht durch. Ausweislich des Schriftsatzes vom 7. März 1991 hat das ev.- luth. Kirchensteueramt den Inhalt des gegenüber K ergangenen rk Kirchensteuerbescheides 1988 in das Klageverfahren eingeführt. Dem Kläger wurde mit Verfügung des FG vom 14. März 1991 Gelegenheit gegeben, zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen. Ausweislich seines Schriftsatzes vom 10. Mai 1991 hat er auf eine Stellungnahme verzichtet.

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Klage zulässig. Mit ihr hat der Kläger geltend gemacht, ihm gegenüber sei zu Unrecht ev.-luth. Kirchenlohnsteuer 1988 einbehalten worden. Deshalb habe er einen Anspruch auf Erlaß eines Freistellungsbescheides als Grundlage für die Erstattung der einbehaltenen ev.-luth. Kirchenlohnsteuer 1988 im Erhebungsverfahren (Art. 18 Abs. 1 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes -- BayKiStG --, § 218 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Über dieses Begehren ist durch Erlaß eines positiven oder negativen Freistellungsbescheides zu entscheiden. Der entsprechende Verwaltungsakt muß unabhängig davon ergehen, ob die Erstattung gegenüber dem Kläger bereits durchgeführt wurde. Ggf. wäre die Erstattung gegenüber dem Kläger bisher ohne Rechtsgrund vorgenommen worden. Durch Erlaß des Freistellungsbescheides würde der Rechtsgrund für die bereits durchgeführte Erstattung gesetzt. Deshalb berührt die Erstattung die Zulässigkeit der Klage nicht.

3. Auch wenn das FG die Klage als unzulässig angesehen und deshalb über ihre Begründetheit nicht entschieden hat, so folgt daraus nur, daß die Vorentscheidung keinen Bestand haben kann. Dies zwingt jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben dem Senat eine Entscheidung in der Sache selbst. Deshalb kann der Senat auch über die Begründetheit der Klage entscheiden.

4. Die Klage ist begründet. Das ev.-luth. Kirchensteueramt war zu verpflichten, gegenüber dem Kläger einen Freistellungsbescheid gemäß Art. 18 Abs. 1 BayKiStG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 des Inhalts zu erlassen, daß der Kläger keine ev.- luth. Kirchensteuer 1988 schuldet. In dem zu erlassenden Freistellungsbescheid muß die Erstattung der einbehaltenen ev.-luth. Kirchenlohnsteuer 1988 nicht ausdrücklich angeordnet werden. Über sie ist durch einen besonderen und im Erhebungsverfahren zu erlassenden Bescheid (§ 218 Abs. 2 AO 1977) zu entscheiden.

a) Der ev.-luth. Kirchenlohnsteuerabzug wird für Rechnung des Steuerschuldners vorgenommen (Art. 1 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 BayKiStG i. V. m. § 38 Abs. 3 EStG). Geschieht dies ohne rechtlichen Grund, so kann der Steuerschuldner die Erstattung der abgeführten Steuer verlangen (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1993, § 42 Anm. 5 d). Ist das Kalenderjahr, für das die ev.-luth. Kirchenlohnsteuer einbehalten wurde, bereits abgelaufen, so ist über die Erstattung im Steuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Ist ein solches nicht durchzuführen, so tritt an seine Stelle das Freistellungsverfahren. Durch positiven oder negativen Freistellungsbescheid ist insbesondere dann zu entscheiden, wenn der Steuerpflichtige -- wie im Streitfall -- geltend macht, er sei mit den ihm zugerechneten Einkünften nicht steuerpflichtig, weshalb keine ev.-luth. Kirchenlohnsteuer hätte einbehalten werden dürfen. Es kommt nicht darauf an, aus welchem Grund ein Steuerfestsetzungsverfahren nicht durchzuführen ist. Der erkennende Senat hat die Verpflichtung zum Erlaß eines positiven Freistellungsbescheides auch für den Fall bejaht, daß der Quellensteuerabzug die Einkommensteuer gemäß § 50 Abs. 5 EStG abgilt und deshalb der Erlaß eines Einkommensteuerbescheides undenkbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1984 I R 283/81, BFHE 142, 35, BStBl II 1984, 828).

b) Zwar wendet das ev.-luth. Kirchensteueramt zutreffend ein, daß nach Art. 2 Abs. 1 BayKiStG nur die Angehörigen der umlageerhebenden Religionsgemeinschaften kirchensteuerpflichtig seien. Deshalb steht den einzelnen Religionsgemeinschaften kein Steuererhebungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zu. Dies steht jedoch dem Erlaß eines Freistellungsbescheides nicht entgegen. Dessen Inhalt zielt gerade auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Steuerschuldverhältnisses. An dieser Feststellung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse, weil von seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ev.-luth. Kirchenlohnsteuer einbehalten wurde. Gerade weil dem ev.-luth. Kirchensteueramt ein Steuererhebungsrecht nur gegenüber Mitgliedern zusteht, muß auch dem Nichtmitglied ein Verfahren zur Verfügung stehen, in dem Streitfragen über die Rechtmäßigkeit eines Steuerabzugs zu klären sind, der in der Annahme einer bestehenden Mitgliedschaft vorgenommen wurde. Dieses Verfahren hat seine Rechtsgrundlage in § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419844

BFH/NV 1995, 67

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