Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichteinhaltung der Ladungsfrist als Versagung rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Berechnung der Ladungsfrist.

2. In der Nichteinhaltung der Ladungsfrist liegt die Versagung rechtlichen Gehörs, ohne daß es darauf ankäme, was der nicht geladene Beteiligte in der Verhandlung hätte vortragen wollen.

 

Normenkette

FGO § 91 Abs. 1, § 54 Abs. 2, § 119 Nr. 3; ZPO § 222 Abs. 1; BGB §§ 187-188

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Steuerberater selbständig tätig. Für das Streitjahr 1985 gab er keine Erklärungen zur Einkommen- und Umsatzsteuer ab und wurde deshalb vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) im Wege der Schätzung veranlagt. Im Klageverfahren legte er zwar die Steuererklärungen, nicht aber eine Gewinnermittlung für seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor; der Aufforderung des FA, seine Angaben zu vervollständigen, kam er nicht nach. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) ist er nicht erschienen. Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts.

Das FG habe die Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von zwei Wochen nicht eingehalten. Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Dienstag, den 3. November 1987, angesetzt worden. Die Ladung zu diesem Termin sei ihm am 20. Oktober 1987, ebenfalls einem Dienstag, zugestellt worden. Die Ladungsfrist sei nicht abgekürzt worden. Er habe den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung nicht rügen können, da er in ihr nicht vertreten gewesen sei. Durch sein Verfahren habe das FG die Grundsätze des rechtlichen Gehörs verletzt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.

Der Kläger rügt zu Recht, daß das FG die Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht eingehalten habe. Für die Berechnung der Zweiwochenfrist sind nach dem § 54 Abs. 2 FGO und § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) u. a. die §§ 187 und 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) maßgebend. Danach wird bei Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das für den Anfang der Frist maßgebende Ereignis fällt (§ 187 Abs. 1 BGB); das ist im Streitfall die Zustellung der Ladung. Die Ladungsfrist lief deshalb erst am Mittwoch, dem 4. November 1987, ab. Das FG hat die Einhaltung der Ladungsfrist in der mündlichen Verhandlung nicht überprüft.

In der Nichteinhaltung der Ladungsfrist liegt die Versagung rechtlichen Gehörs, ohne daß es darauf ankäme, was der nicht geladene Beteiligte in der Verhandlung hätte vortragen wollen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Oktober 1983 9 C 127/83 in Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 310, § 108 VwGO Nr. 140). Hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 3 FGO); der Bundesfinanzhof hat hierzu in seinem Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79 (BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401) eingehende Ausführungen gemacht. Der erkennende Senat schließt sich diesen Darlegungen an. Der Mangel wäre zwar geheilt worden, wenn sich der Kläger rügelos auf die Verhandlung eingelassen hätte (§ 155 FGO, § 295 Abs. 1 ZPO); hierzu ist es aber nicht gekommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416346

BFH/NV 1990, 110

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