Leitsatz (amtlich)

Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers wegen beruflich veranlaßter doppelter Haushaltsführung sind nicht "notwendig" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, soweit sie nach den Umständen des Einzelfalls als überhöht anzusehen sind. Mietaufwendungen am Arbeitsort können überhöht sein, wenn der Steuerpflichtige dort zur Befriedigung seiner gesellschaftlichen Bedürfnisse eine große und teure Wohnung genommen hat.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1973 und 1974 Vorstandsmitglied einer in B ansässigen AG. Er bewohnte in B eine von der AG für 1 000 DM monatlich gemietete und ihm unentgeltlich überlassene Zweizimmerwohnung mit 120 qm Wohnfläche. Der hierin liegende Sachbezug wurde der Lohnsteuer unterworfen. Die Ehefrau des Klägers und seine Tochter lebten in der Familienwohnung in Hessen. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger u. a. den Mietwert von 12 000 DM als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah diese Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971/1974 an, ließ sie aber nur in Höhe von jährlich 6 000 DM zum Abzug zu, weil er den darüber hinausgehenden Betrag für unangemessen hielt. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger u. a. geltend, sein Arbeitgeber habe die Wohnung gerade im Hinblick aul seine Bedürfnisse und die Erfordernisse seiner Position ausgewählt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte im wesentlichen aus: Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971/1974 seien Werbungskosten auch die Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung, die objektiv nicht unumgänglich erforderlich gewesen seien. Abziehbar seien alle Mehraufwendungen anläßlich einer doppelten Haushaltsführung, die sich bei Berücksichtigung der Einzelumstände und der persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers in einem vernünftigen Rahmen hielten. Im Streitfall habe die AG die Wohnung entsprechend den gesellschaftlichen Bedürfnissen des Klägers ausgewählt. Die Mietkosten seien im vollen Umfang als Werbungskosten anzuerkennen, da sie sich bei dem Einkommen des Klägers noch in einem "vernünftigen Rahmen" hielten.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971/1974 und führt aus: Bei der Entscheidung, ob Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung notwendig- seien, könnten die besonderen Umstände in der Person des Klägers nicht berücksichtigt werden. Denn nach § 12 Nr. 1 EStG 1971/1974 seien Aufwendungen der Lebensführung, die zugleich der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Klägers gedient hätten, keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Ausgaben für den Haushalt gehören grundsätzlich zu den steuerlich nicht abziehbaren Kosten der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG 1971/1974). Der Gesetzgeber erkennt allerdings Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers aus Anlaß einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten an. Sie müssen jedoch nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971/1974 dem Umfang nach "notwendig" gewesen sein.

Bei Familienheimfahrten hat der Gesetzgeber diese Notwendigkeit in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG 1971/1974 dahin konkretisiert, daß er nur eine Heimfahrt wöchentlich zum Abzug zugelassen hat. Bei den anderen Mehraufwendungen anläßlich einer doppelten Haushaltsführung ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob sie "notwendig" waren. Der Senat hält die Anweisung in Abschn. 26 Abs. 4 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972, nach der Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht als Werbungskosten in Betracht kommen, soweit sie überhöht sind, für eine zutreffende Auslegung des Gesetzes.

Im Streitfall kann der Würdigung des FG, die Aufwendungen für die Unterbringung des Klägers am Beschäftigungsort seien im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG "notwendig" gewesen, nicht gefolgt werden. Der Bezug einer Wohnung am Beschäftigungsort ist bei einer doppelten Haushaltsführung in der Regel dem Grunde nach beruflich veranlaßt. Das FA hat daher zu Recht für die Jahre 1970 bis 1972 Mietaufwendungen des Klägers in Höhe von 490 DM monatlich für seine damalige 2-Zimmer-Wohnung am Arbeitsort von rd. 54 qm uneingeschränkt als Werbungskosten anerkannt. Die in den Streitjahren 1973 und 1974 vom Kläger genutzte 2-Zimmer-Wohnung war 120 qm groß und hatte einen Mietwert von monatlich 1 000 DM. Diese Aufwendungen können nicht in vollem Umfang als "notwendig" im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG angesehen werden, da die AG nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, für den Kläger als Vorstandsmitglied die Wohnung in dieser Größe vor allem zur Befriedigung seiner gesellschaftlichen Bedürfnisse gemietet hatte. Die Aufwendungen dienten mithin teilweise für private Belange, die mit der Trennung vom Familienhaushalt nichts zu tun hatten.

Die Vorentscheidung wird deshalb aufgehoben. Die noch nicht spruchreife Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen, da eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist. Das FG muß nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen feststellen, welcher Teil des geltend gemachten Mietwerts im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971/1974 "notwendig" war.

Sollte das FG einen höheren als den vom FA berücksichtigten Betrag von 6 000 DM jährlich als "notwendig" ansehen, so wird es zu prüfen haben, ob die doppelte Haushaltsführung in den Streitjahren 1973 und 1974 nicht mehr beruflich veranlaßt war und die Klage wegen dieses rechtlichen Gesichtspunkts als unbegründet abzuweisen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) besteht für die ersten zwei Jahre nach der beruflich veranlaßten Begründung der doppelten Haushaltsführung eine widerlegbare Vermutung dafür, daß auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt ist (Urteil vom 2. September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26). Da diese Zweijahresfrist in den Streitjahren 1973 und 1974 offensichtlich abgelaufen war, muß der Kläger die berufliche Veranlassung der Aufrechterhaltung der doppelten Haushaltsführung für diese Jahre nachweisen. Entsprechend den Ausführungen des Senats im Urteil vom 17. November 1978 VI R 93/77 (BFHE 126, 440, BStBl II 1979, 146) wird das FG dabei insbesondere auch prüfen müssen, ob Gesichtspunkte für eine weiterhin beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung in der Berufstätigkeit der Ehefrau des Klägers gesehen werden könnten, die in der Nähe des Orts der Familienwohnung eine Ballettschule betrieb.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73136

BStBl II 1979, 473

BFHE 1979, 393

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