Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiung des Erwerbs eines angrenzenden Grundstücks zur besseren Gestaltung von Bauland nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG i. d. F. des o. a. Landesgesetzes setzt nicht voraus, daß der Erwerber die neugeschaffenen Bauplätze selbst zu bebauen beabsichtigt.

GrEStG i. d. F. des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur änderung des

 

Normenkette

GrEStGRP 4/1/3/b

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob der Erwerb eines angrenzenden Grundstücks zur besseren Gestaltung von Bauland nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 4. April 1951 - GrEStG - (GVBl 1951 S. 92) auch dann grunderwerbsteuerbefreit ist, wenn der Erwerber die neugeschaffenen Bauplätze nicht selbst bebaut, sondern alsbald unbebaut weiterveräußert.

I. - Der Revisionsbeklagte, ein Weingutsbesitzer (Steuerpflichtiger - Stpfl. -), erwarb zu seinen Parzellen 77 : 1 (287 qm) 77 : 2 (396 qm) und 77 : 3 (476 qm) durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 18. Oktober 1961 in drei angrenzenden Parzellen 76 : 3 (268 qm), 76 : 5 (236 qm) und 76 : 6 (251 am) hinzu. Durch Zusammenlegung der Stammparzellen mit den jeweils angrenzenden Parzellen wurden drei Bauplätze geschaffen, die der Stpfl. im Januar und April 1962 bzw. im Februar 1963 verkaufte. Das Katasteramt hatte am 23. November 1961 bescheinigt, daß der Erwerb des Stpfl. der besseren Gestaltung von Bauland diente.

Das Finanzamt (FA) unterwarf den Grundstückserwerb der Grunderwerbsteuer und lehnte den Befreiungsantrag ab, da aus dem Verkauf bereits eines der erworbenen Grundstücke zusammen mit einem der Stammgrundstücke zu ersehen sei, daß der Stpfl. die Grundstücke nicht selbst zu bebauen beabsichtige.

Nach erfolglosem Einspruch begründete der Stpfl. seine Berufung im wesentlichen damit, daß er durch den streitigen Erwerb Bauland habe besser gestalten wollen. Auch nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Schleswig-Holstein vom 14. Juni 1963 III 150 - 151/62 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1964 S. 26) schließe die spätere Veräußerung der Bauplätze die Steuerbefreiung nicht aus.

Das FG stellte den Stpfl. von der angeforderten Grunderwerbsteuer frei. Die Meinung des FA, eine bessere Gestaltung von Bauland führe nur dann zur Befreiung von der Grunderwerbsteuer, wenn der "bessere Gestalter" das Grundstück selbst bebaue, finde in Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG keine Stütze.

Mit der Rb. macht das FA als Revisionskläger im wesentlichen geltend: Da nur der Erwerb "zur" besseren Gestaltung von Bauland steuerfrei sei, müsse zusätzlich zu diesem objektiven Merkmal die subjektive Voraussetzung hinzukommen, daß der Erwerbsvorgang wegen dieses Zweckes als des Hauptzwecks zustande gekommen sei. Die Weiterveräußerung als Hauptzweck müsse nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile II 80/58 U vom 9. März 1960, BStBl 1960 III S. 204, Slg. Bd. 70 S. 547; II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 271, Slg. Bd. 71 S. 62) nicht nur beim Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken zur besseren Bewirtschaftung, sondern gleichermaßen beim Grundstückserwerb zur besseren Baulandgestaltung steuerschädlich sein. Das Merkmal der Gestaltung, d. h. der flächenmäßigen Vereinigung treffe nicht nur für das Bauland, sondern auch für den Erwerb angrenzender landwirtschaftlicher Grundstücke zur besseren Bewirtschaftung zu. Der Unterschied bestehe nur in der Art der Nutzung. Der Grundstückshandel, d. h. der Zwischenerwerb zur Gewinnerzielung, solle nicht begünstigt sein, da dies je nach Konjunkturlage zur Verteuerung oder auch zum Zurückhalten (Horten) des Baulandes dienen könne. Gegen eine extensive Auslegung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG spreche auch der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß für die Anwendung steuerbegünstigender Vorschriften in erster Linie deren Zweckbestimmung maßgebend sei. Hätten auch Zwischenerwerber steuerbegünstigt werden sollen, so hätte dies - wie auch sonst, z. B. im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus (rheinland-pfälzisches Landesgesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 25. Mai 1961 - LG -, GVBl 1961 S. 145, BStBl 1961 II S. 167, § 1 Nrn. 4 bis 6) - einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene, ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. (§§ 115, 184 Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO alter Fassung) des FA ist im Ergebnis nicht begründet.

Nach den unstreitigen Feststellungen des FG diente der Erwerb der angrenzenden Parzellen im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG objektiv der besseren Gestaltung des dem Stpfl. bereits gehörenden Baulandes; auch das Katasteramt hat eine entsprechende Zweckdienlichkeitsbescheinigung erteilt. Die Entscheidung hängt also nur davon ab, ob diese Steuerbefreiung wegen des Fehlens einer subjektiven Voraussetzung zu versagen ist, etwa deshalb, weil die bessere Gestaltung des Baulandes nicht der Zweck, zumindest nicht der Hauptzweck des Erwerbs gewesen ist.

Allerdings hat der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH - (vgl. z. B. Urteil II A 668/30 vom 30. Dezember 1930, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 8 Nr. 7, Rechtsspruch 17) zum Austausch land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke entschieden, daß "zur besseren Bewirtschaftung" solche Grundstücke nur erworben sind, wenn subjektiv die bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit (wenn auch nur bei einem der Tauschpartner) zwar nicht der ausschließliche, aber doch der Hauptzweck des Tausches ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 80/58 U vom 9. März 1960, a. a. O.). Danach wird in der Regel beim Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke die Vergünstigung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG dann nicht in Betracht kommen, wenn der Erwerb (Tausch) einem anderen Hauptzweck, z. B. der Weiterveräußerung des erworbenen Grundstücks diente (vgl. insoweit Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, a. a. O., drittletzter Absatz; vgl. aber auch das RFH-Urteil II A 668/30 vom 30. Dezember 1930, a. a. O., wonach die Steuervergünstigung immerhin für möglich gehalten wird, wenn der Erwerber getauscht hat, um gleich darauf seinen ganzen durch das erworbene Grundstück erweiterten und deshalb besser zu bewirtschaftenden landwirtschaftlichen Grundbesitz an einen anderen Landwirt zu veräußern).

Diese Grundsätze können nicht unbesehen auf den Erwerb zur besseren Gestaltung von Bauland übertragen werden. Anderes ergibt sich zunächst nicht aus dem zu einem Bauland-Fall ergangenen Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, a. a. O.; dort ist im vorletzten Absatz lediglich zur Frage der Verbindlichkeit katasteramtlicher Bescheinigungen bemerkt, daß Finanzverwaltung und Steuergerichte u. a. selbständig zu entscheiden haben, ob der Tausch zur besseren Gestaltung von Bauland vorgenommen oder etwa - so ist entsprechend der strittigen Frage jenes Falles hinzuzufügen - aus allgemein-wirtschaftlichen, sozialen oder verkehrsmäßigen Gesichtspunkten. Vielmehr können die o. a. Grundsätze nur vorbehaltlich der unterschiedlichen Besonderheiten gelten, wie sie sich aus Wortsinn und Zweck der Befreiung des Grundstückserwerbs "zur besseren Gestaltung von Bauland" ergeben.

"Bewirtschaftung" bedeutet - wie auch das FG insoweit ähnlich bemerkt - ein subjektives Tätigsein auf (gewisse) Dauer; "Baulandgestaltung" bedeutet das Schaffen eines objektiven einmaligen Erfolges. Die Absicht des Erwerbs "zur besseren Bewirtschaftung" eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks bedingt die Bewirtschaftung, die Absicht des Erwerbs "zur besseren Baulandgestaltung" bedingt demgegenüber lediglich die bessere Gestaltung von Bauland durch den Erwerber. Die beiden in § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG zusammengefaßten Tatbestände unterscheiden sich also nicht nur in der Art der Nutzung bzw. Verwendung der erworbenen Grundstücke, sondern auch in der subjektiven Begrenzung. Bei ungleicher Regelung ist die Steuerbefreiung für Bauland allerdings insofern (nach den objektiven Voraussetzungen) enger, als eine grundrißmäßige Umgestaltung zwar für Bauland (vgl. insoweit das o. a. Urteil II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 273 rechte Spalte unten), nicht aber zwingend - wie das FA, jedoch zutreffend nur für den Erwerb angrenzender land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Sinne der rheinland-pfälzischen Befreiungsvorschrift, anzunehmen scheint (vgl. S. 3 der Revisionsbegründung) - für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke (vgl. insoweit das Urteil des Senats II 42/58 U vom 30. August 1961, BStBl 1961 III S. 507, Slg. Bd. 73 S. 663) gefordert ist. Die Steuerbefreiung ist andererseits für Bauland insofern (nach der subjektiven Seite) weiter, als eine Absicht auch zur tatsächlichen Bebauung des besser gestalteten Baulandes durch den Erwerber selbst nicht gefordert ist.

Deshalb kann die zeitlich zuerst zu verwirklichende Absicht, besseres Bauland zu gestalten, nicht steuerschädlich aufgehoben werden, weil der Erwerber die (erklärte oder auch nicht erklärte) Absicht hat, das durch den Hinzuerwerb besser gestaltete Bauland anschließend weiterzuveräußern. In diesem Sinne würdigt der Senat die Bemerkung des FG, es müsse für die streitige Steuerbefreiung genügen, daß die bessere Gestaltung von Bauland "mitangestrebt" würde, zumal das FG einleitend selbst die Prüfung darauf abstellt, ob die Steuerbefreiung zu versagen sei, weil die bessere Baulandgestaltung nicht das einzige Motiv für den Grundstückserwerb sei.

Hierbei handelt es sich nicht um eine extensive Interpretation, sondern um eine Auslegung des unmittelbaren Wortlauts und Wortsinns. Bei der Anwendung eines Steuergesetzes ist besondere Zurückhaltung geboten, wenn ein Abweichen vom Wortlaut eine Verschärfung der Besteuerung bedeuten würde (vgl. insoweit Urteil des Senats II 196/61 U vom 26. Juni 1963 zu II 1, BStBl 1963 III S. 402, Slg. Bd. 77 S. 227 mit weiteren Nachweisen). Sollte aber der Gesetzeswortlaut Zweifel offen lassen, so sind deshalb - wie der Senat gerade in letzter Zeit wiederholt klargestellt hat (vgl. Urteil II 59/62 U vom 12. Mai 1965 zu §§ 1, BStBl 1965 III S. 425, Slg. Bd. 82 S. 492) - auch Befreiungsvorschriften zwar unter sinnvoller Würdigung des mit der Ausnahmebestimmung verfolgten Zweckes, jedoch keinesfalls nur deshalb eng auszulegen, weil es sich um Ausnahmen von der Besteuerung handelt. Die Auslegung des FA läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß über den im Gesetz selbst zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers hinaus als weiteres Tatbestandsmerkmal die Bebauung durch den Erwerber bzw. das Verbot der Weiterveräußerung durch ihn gefordert wird. Zu einer solchen einengenden Auslegung veranlassen aber auch nicht Entstehungsgeschichte (vgl. insoweit das Urteil II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, a. a. O.) und Zweck der Befreiungsvorschrift, der erfüllt wird, wenn der Tausch bzw. in Rheinland-Pfalz der bloße Erwerb angrenzender Grundstücke dazu dient, eine erhöhte Bebauungsfähigkeit herbeizuführen. Eine Nachversteuerung ist für § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG nicht vorgesehen (vgl. § 4 Abs. 2 GrEStG). War der Erwerb in dem für die Entstehung der Steuerschuld maßgebenden Zeitpunkt steuerbefreit, so ist er dies endgültig (vgl. insoweit Urteil des Senats II 166/57 U vom 5. November 1958, BStBl 1959 III S. 98, Slg. Bd. 68 S. 251; II 15/62 vom 7. April 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 Nr. 342 S. 418). Hat also der Erwerber seine Absicht, das besser gestaltete Grundstück selbst zu bebauen, später - aus welchen Gründen auch immer - nicht verwirklicht, so bleibt der Erwerb unversteuert, gleich, ob der Erwerber das Grundstück unbebaut behält oder weiterveräußert.

Sollten solche Ergebnisse nicht für vergünstigungswürdig erachtet werden, weil man einer (beabsichtigten oder auch nicht beabsichtigten) Grundstückshortung oder -spekulation vorbeugen möchte, so wäre diese steuerpolitische Aufgabe nicht durch die Steuergerichte, sondern durch den Steuergesetzgeber zu erfüllen, wie dies im Rahmen der grunderwerbsteuerrechtlichen Vergünstigungen auf dem Gebiete des sozialen Wohnungsbaues geschehen ist. So ist z. B. in Rheinland-Pfalz ein solcher Erwerb im Grundsatz nur dann befreit, wenn der Erwerber selbst das Grundstück entsprechend fristgerecht bebaut (vgl. Z. B. § 1 Ziff. 1 - 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 Satz 1 des o. a. LG). Aus diesem Grunde mußten Zwischenerwerbe, wenn sie im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues gleichwohl befreit sein sollten, ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen werden. Hierin unterscheiden sich diese Befreiungsvorschriften wesentlich von denen nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG, wie bereits dargelegt.

Da das FG nach alledem im Ergebnis zutreffend die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Erwerbs zur besseren Baulandgestaltung trotz späterer Veräußerung des Baulandes für gegeben erachtet hat, war die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412003

BStBl III 1966, 319

BFHE 1966, 302

BFHE 85, 302

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