Leitsatz (amtlich)

Grunderwerbsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG entsteht auch dann, wenn die Anteile an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft A zwei verschiedenen Kapitalgesellschaften B und C gehören und die Gesellschaft C 99,78 % der Anteile der Gesellschaft B unter gleichzeitiger Bildung eines Organverhältnisses übernimmt.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob ein Vertrag darauf gerichtet war, Gesellschaftsanteile an der A GmbH im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der Hand der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als herrschendem und der B GmbH als abhängigem Unternehmen zu vereinigen.

Das Stammkapital der A GmbH betrug im Jahre 1968 800 000 DM. Daran waren die Klägerin mit 40 000 DM und die B GmbH mit 760 000 DM beteiligt. Am 1. Oktober 1968 erwarb die Klägerin Gesellschaftsanteile an der B GmbH im Nennwert von 9 000 000 DM, das sind 99,78 % des Stammkapitals dieser Gesellschaft. Gleichzeitig bildeten die Klägerin und die B GmbH eine Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Zum Vermögen der A GmbH gehörten inländische Grundstücke.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Auffassung, durch die Ausführung des Vertrags vom 1. Oktober 1968 hätten sich im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die Anteile an der A GmbH in der Hand von herrschendem und abhängigem Unternehmen vereinigt. Es setzte Grunderwerbsteuer fest.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen und die Revision zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die vom FG zugelassene Revision der Klägerin ist unbegründet.

Der Vertrag vom 1. Oktober 1968 über den Erwerb der Anteile an der B GmbH durch die Klägerin war darauf gerichtet, alle Anteile an der A GmbH in der Hand eines herrschenden und eines abhängigen Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG zu vereinigen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).

Anteile im Nennwert von 40 000 DM an der A GmbH besaß die Klägerin bereits bei Abschluß des Vertrags vom 1. Oktober 1968. Dieser Vertrag verschaffte ihr nunmehr zusätzlich den Anspruch auf 99,78 % der Anteile an der B GmbH und außerdem erhielt sie im Verhältnis zu dieser Gesellschaft die Stellung eines herrschenden Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG. Damit war der Vertrag vom 1. Oktober 1968 darauf gerichtet, die übrigen Anteile an der A GmbH im Nennwert von 760 000 DM mittelbar in der Hand der Klägerin zusammen mit den vorgenannten Anteilen im Nennwert von 40 000 DM zu vereinigen. Die Vereinigung von Anteilen in einer Hand setzt nicht voraus, daß der Erwerber sämtliche Anteile der grundstücksbesitzenden Gesellschaft u n mittelbar in seine Hand bekommt. Es genügt, daß dies ganz oder teilweise mittelbar durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften geschieht, an der oder an denen der Erwerber seinerseits direkt oder indirekt beteiligt ist (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 11. Juni 1975 II R 38/69, BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834). Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG entsteht dementsprechend auch dann, wenn jemand alle Anteile an der Kapitalgesellschaft X, die ihrerseits sämtliche Anteile an der grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft Y hält, in seiner Hand vereinigt; denn auch die Grundstücke der Gesellschaft Y gehören im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft X (vgl. dazu schon das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 21. April 1931 II A 5/31, RFHE 29, 59 und das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Oktober 1962 II 64/61 U, BFHE 76, 123, BStBl III 1963, 45, sowie den Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz von Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, 10. Aufl. 1977, § 1 Tz. 221, Beispiel 3). Dabei setzt diese mittelbare Anteilsvereinigung in der Regel eine 100 %ige direkte oder indirekte Beteiligung des Erwerbers an den zwischengeschalteten Gesellschaften voraus. Im vorliegenden Fall erlaubt das Gesetz jedoch ausdrücklich die Unterschreitung dieser Grenze. Die Vereinigung der Anteile in der Hand von herrschendem und abhängigem Unternehmen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist ein besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung, bei welcher das Gesetz das genannte Abhängigkeitsverhältnis genügen läßt und auf eine 100 %ige Beteiligung des herrschenden an dem abhängigen Unternehmen verzichtet. Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß der Einwand der Klägerin, das Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 UStG sei erst mit Abschluß des Vertrags vom 1. Oktober 1968 und daher für die Begründung einer Steuerpflicht zu spät entstanden, unbegründet ist. Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt hier lediglich den - andernfalls erforderlichen - Erwerb aller Anteile der Klägerin an der B GmbH. (Hätte die Klägerin sämtliche Anteile an der B GmbH erworben, läge eine mittelbare Anteilsvereinigung ohne Rücksicht auf das Abhängigkeitsverhältnis vor.) Das Abhängigkeitsverhältnis brauchte daher nicht bereits vor Abschluß des Vertrags vom 1. Oktober 1968 vorhanden zu sein. Vielmehr genügte es, entgegen der Ansicht der Klägerin, daß dieses Abhängigkeitsverhältnis gleichzeitig mit Abschluß des genannten Vertrags entstand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73495

BStBl II 1980, 360

BFHE 1980, 72

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