Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 7a, 10 Abs. 1 Ziff. 3; EStDV § 7

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) - KG - betreibt eine Bekleidungsfabrik. Eine Betriebsprüfung im Dezember 1950 hat die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung anerkannt. Die gesonderte Feststellung des Gewinns für II/1948 und 1949 wurde nach der Erklärung der Bfin. durchgeführt. Es wurden gemäß § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1949 die Abschreibung von 5 299 DM für geringwertige Wirtschaftsgüter und eine Sonderabschreibung gemäß § 7 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 von 5 000 DM für einen Kraftwagen und weitere 8 280 DM für sonstige bewegliche Wirtschaftsgüter zugebilligt. überdies wurden die für die Anwendung des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG zu berücksichtigenden Entnahmen festgestellt und damit die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn gewährt. Am 23. Juni 1951 hat die Bfin. unter Berufung auf § 410 des Reichsabgabenordnung (AO) dem Finanzamt mitgeteilt, im September 1948 Einkäufe in Höhe von 4 324,68 DM ohne Rechnung getätigt zu haben. Die Mittel hierfür hätten ihr aus ebenfalls unverbuchten Barverkäufen an Betriebsangehörige zur Verfügung gestanden. Das Finanzamt hat daraufhin die einheitliche Gewinnfeststellung am 17. März 1952 gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO dahin berichtigt, daß von der Sonderabschreibung für sonstige bewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von 8 280 DM der auf den Gesellschafter G. entfallende Anteil mit 40 % = 3 312 DM dem Gewinn hinzugeschlagen wurde, da diese Wirtschaftsgüter vor dessen Eintritt in die Gesellschaft aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden waren. Außerdem wurde die Vergünstigung nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG versagt. Der Gesamtgewinn wurde für II/1948 und 1949 auf 106 048 DM festgestellt. Der Gewinn wurde mit 1/3 auf II/1948 und 2/3 auf 1949 verteilt, und die Anteile der beiden Gesellschafter nach ihrer Beteiligung mit 40 % und 60 % aufgeteilt.

Die Bfin. erklärte ihre Buchungen im September 1948 wie folgt:

Im September 1948 habe ein Vertreter einer Firma Oberstoffe im Preise von 7 531 DM angeboten. Er habe zur Bedingung gemacht, daß sie ohne Rechnung hereingenommen und bezahlt werden müßten. Die Firma habe ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht, sich aber dann doch entschlossen, die Ware, welche preislich noch 100 % überteuert gewesen sei, abzunehmen, weil es die besonderen Verhältnisse in II/1948 bedingt hätten. Sie habe den Verkäufer dazu bewegen können, wenigstens für einen Teil eine Rechnung, und zwar über 2 849 DM ausgestellt zu erhalten. Die Verbuchung des Vorgangs sei ordnungsmäßig erfolgt. Der Rest von 4 687 DM abzüglich einer zurückvergüteten Maßdifferenz von 562,32 = 4 124,68 DM sei nicht gebucht worden. Dieser Betrag sei aus Barverkäufen an Betriebsangehörige abgedeckt worden. Steuerlich sei lediglich eine Verkürzung von 123,75 DM an Umsatzsteuer eingetreten.

Das Finanzamt hatte lediglich die Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 versagt, aber die Vergünstigungen des § 7 a EStG und des § 7 EStDV auf Grund einer Verfügung der Oberfinanzdirektion zugebilligt, in der zum Ausdruck gebracht worden war, daß dem Antrag des Finanzamts entsprechend aus Billigkeitsgründen die steuerlichen Vergünstigungen der §§ 7 a EStG und 7 EStDV belassen werden sollen. Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und kam im Ergebnis sogar zu einer Verböserung, da es die Vergünstigungen der §§ 7 a und 7 EStDV ebenfalls versagte. Es begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt:

Wenn eine Buchführung einen Teil der Geschäftsvorfälle nicht erfasse und darüber hinaus, wie im vorliegenden Falle, nicht feststellbar sei, wie umfangreich die nichtverbuchten Vorfälle seien, dann handle es sich um einen wesentlichen Mangel der Buchführung. Wenn auch das Finanzamt auf Grund des angegebenen vorsätzlich nicht verbuchten Geschäftsvorfalles lediglich Umsatzsteuer nacherhoben habe, so sei damit die Buchführung nicht vollständig oder ordnungsmäßig geworden. Wie das Finanzamt die unbekannten Geschäfte behandelt habe, sei gleichgültig. Ein Zuschlag zum Gewinn wäre jedenfalls zulässig gewesen. Unter diesen Umständen seien auch die Voraussetzungen der Vergünstigungen nach §§ 7 a EStG und 7 EStDV nicht gegeben. Bei der Verfügung der Oberfinanzdirektion handle es sich um keine rechtswirksame Verfügung im Sinne des § 131 Abs. 1 AO.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Der Bundesfinanzhof hat in der Entscheidung I 129/52 S vom 10. Februar 1953, Bundessteuerblatt (BStBl.) III S. 106, hinsichtlich der Gewährung von Steuervergünstigungen ausgesprochen, daß es bei der Frage der Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung lediglich auf die objektiven Verhältnisse ankomme. Die subjektiven Verhältnisse, nämlich ob es sich bei fehlerhaften Buchungen um bewußt fehlerhafte Buchungen oder um Versehen handle, seien nicht von entscheidender Bedeutung. Im vorliegenden Fall kann deshalb die Vergünstigung mit der alleinigen Begründung, daß hier bewußt unrichtige Buchungen vorgenommen worden sind, nicht versagt werden.

Des weiteren wird die Rechtsprechung von dem Grundsatz beherrscht, daß eine Buchführung bei der Veranlagung einheitlich gewürdigt werden müsse. Es ist nicht zulässig, sie bei der Feststellung des Gewinns zugrunde zu legen und gleichzeitig die Vergünstigungen, die an eine ordnungsmäßige Buchführung geknüpft werden, zu versagen. Im einzelnen siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 356/51 vom 27. März 1952, BStBl. III S. 122, Slg. Bd. 56 S. 310. Im vorliegenden Fall ist das Ergebnis der Buchführung der Veranlagung unverändert zugrunde gelegt worden. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß dieser tatbestandsmäßigen Würdigung keine rechtliche Bedeutung zukomme, ist irrig. Finanzamt und Finanzgericht hatten darüber zu entscheiden, ob sie den Angaben der Firma hinsichtlich der nichtverbuchten Geschäfte Glauben schenken wollten. Bei der Würdigung des Tatbestands wurden die Ergebnisse der Buchführung zutreffend festgestellt.

Im vorliegenden Fall sind auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite Betriebsvorgänge nicht verbucht worden, die sich im wesentlichen ausgeglichen haben. Nach der Entscheidung I 129/52 S muß die Steuervergünstigung, die an eine ordnungsmäßige Buchführung geknüpft ist, auch dann gewährt werden, wenn die fehlerhaften Buchungen einwandfrei berichtigt worden sind. Im Streitfall konnte diese Berichtigung hinsichtlich der Ausgabenseite vorgenommen werden, da der Geschäftsvorfall, der zu den Falschbuchungen geführt hat, in vollem Umfange bekannt ist. Dagegen lassen sich nach den Unterlagen die fehlerhaften Buchungen auf der Einnahmeseite nicht berichtigen, da die einzelnen Verkäufe nicht feststehen.

Werden die gleichen Beträge auf der Einnahme- und auf der Ausgabenseite nicht verbucht, so ist zwar das Buchführungsergebnis richtig, obwohl die Buchführung formal nicht ordnungsmäßig ist. In derartigen Fällen muß entschieden werden, ob das Unterlassen der Verbuchung der Geschäftsvorfälle dazu führt, einer Buchführung den Charakter einer kaufmännischen Buchführung abzusprechen. Die kaufmännische Buchführung fordert eine Verbuchung sämtlicher Geschäftsvorfälle in den Grundbüchern. Wird hiergegen in beachtlichem Ausmaße verstoßen, so verliert die Buchführung den Charakter der kaufmännischen Buchführung.

Im vorliegenden Falle sind nach den unwidersprochenen Angaben der Firma Geschäftsvorfälle mit einem Gesamtbetrag von 4 324,68 DM bei einem Umsatz in der Zeit von 21. Juni 1948 bis 30. Juni 1949 in Höhe von 1 Million DM nicht verbucht worden. Die nichtverbuchten Geschäfte machen somit lediglich 0,43 % dieses Umsatzes aus. Man wird hierin keinen Betrag erblicken können, der das Wesen der Buchführung berührt. Es handelt sich somit um eine kaufmännische Buchführung, deren Ergebnis mit einer ergänzenden Schätzung der Veranlagung zugrunde gelegt worden ist.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 129/52 S vom 10. Februar 1953, kann eine Vergünstigung, die an eine ordnungsmäßige Buchführung gebunden ist, nur dann gewährt werden, wenn die Buchführung den Tatbestand, für den die Vergünstigung gewährt wird, zuverlässig festhält. Fehlt der Nachweis durch eine Buchführung, so besteht keine Gewähr, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen, an die die Vergünstigung geknüpft wird, gegeben sind bzw. eingehalten werden. Die gleichen Grundsätze spricht die Entscheidung IV 356/51 U vom 27. März 1952 aus. Bei Beurteilung der an die Buchführung zu stellenden Anforderungen dürfe der Zweck, weshalb die Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns von dem Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig gemacht worden sei, nicht unbeachtet bleiben. Aber auch gegen diese Grundsätze verstößt die Buchführung der Firma hinsichtlich der beantragten Vergünstigungen nicht.

Der Rb. ist deshalb stattzugeben und der Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamts vom 17. März 1952 um die Entnahmen, deren Höhe nicht umstritten ist, zu ergänzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407832

BStBl III 1954, 59

BFHE 1954, 386

BFHE 58, 386

BB 1954, 151

DB 1954, 167

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