Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldzinsenabzug nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit

 

Leitsatz (NV)

1. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einkunftsart i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Sie sind die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient (zuletzt BFH-Urteil vom 7. Dezember 1993 IX R 134/90, BFH/NV 1994, 624).

2. Keine Verfahrensaussetzung im Hinblick auf die Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 24 Nr. 2; FGO § 74

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger und seine frühere Ehefrau veräußerten Ende 1986 ein ihnen gemeinsam gehörendes, mit Darlehen finanziertes Zweifamilienhaus, mit dem sie zuvor Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatten. Nach dem Verkauf verblieb eine Darlehensrestschuld. Die Kläger begehrten bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (1987) den Abzug von Schuldzinsen, die für das Restdarlehen zu zahlen waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1987 auf ... DM herabzusetzen. Hilfsweise machen sie geltend, das Revisionsverfahren solle ruhen, bis über die Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung privater Schuldzinsen entschieden sei.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Ein Ruhen des Verfahrens auf Antrag der Beteiligten nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung oder eine Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO kommt entgegen der Rechtsansicht der Kläger nicht in Betracht. Vor dem Bundesverfassungsgericht ist kein Musterverfahren zur Frage der Abziehbarkeit privater Schuldzinsen anhängig, das eine solche Entscheidung rechtfertigen könnte (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Vielmehr hat dieses Gericht eine entsprechende Verfassungsbeschwerde durch Beschluß vom 27. September 1993 2 BvR 998/91 gemäß § 93 b i. V. m. § 93 a des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 11/94, S. 34).

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zuzulassen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist immer dann zu bejahen, wenn sie objektiv mit angestrebten oder zufließenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung aufgewendet werden (Senatsurteil vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464).

Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht mehr mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Sie sind Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient.

Dementsprechend hat der BFH einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Einkunftserzielung für Schuldzinsen im privaten Bereich verneint, die auf die Zeit nach der Veräußerung eines Gebäudes entfallen, auch wenn der Veräußerungserlös nicht zur Schuldendeckung ausgereicht hat (BFH- Urteile vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289 m. w. N.; vom 2. Juni 1992 IX R 155/88, BFH/NV 1993, 12; vom 2. März 1993 IX R 9/90, BFH/NV 1993, 532; vom 7. Dezember 1993 IX R 134/90, BFH/NV 1994, 624).

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger lassen sich aus der abweichenden steuerrechtlichen Behandlung nachträglicher Schuldzinsen bei den Gewinneinkunftsarten keine Schlußfolgerungen für den Abzug derartiger Aufwendungen bei den Überschußeinkunftsarten herleiten (vgl. Senatsurteil in BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289). Bei den Gewinneinkunftsarten kann eine Verbindlichkeit auch nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs noch dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein (BFH-Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 86/87, BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456 m. w. N.). Hieraus ergibt sich die Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen als Betriebsausgaben. Bei den Überschußeinkunftsarten findet eine solche Zuordnung nicht statt.

Nach diesen Grundsätzen sind die strittigen Schuldzinsen nicht als nachträgliche Werbungskosten abziehbar; denn sie entstanden nach den bindenden Feststellungen des FG erst nach dem Verkauf des bebauten Grundstücks.

Der Abzug der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten läßt sich auch nicht auf § 24 Nr. 2 EStG stützen. Die Vorschrift gilt nur für solche Aufwendungen, die auf die Zeit der Vermietung und Verpachtung entfallen, aber erst nach Ablauf dieser Zeit gezahlt werden (Senatsurteil in BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420389

BFH/NV 1995, 880

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