Entscheidungsstichwort (Thema)

(Einheitliche Beurteilung von Reisekostenerstattungen)

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht zulässig, die einheitlich zu beurteilende Erstattung von Reisekosten (Auslösungen) durch den Arbeitgeber zur Ausnutzung der unterschiedlichen Verwaltungsregelungen des Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 einerseits und des Abschn.25 Abs.6 Nr.2 LStR 1984 andererseits (jetzt Abschn.40 Abs.2 und 3 LStR 1990) dahingehend aus dem Gesamtzusammenhang herauszulösen, daß Auslösungsbeträge zunächst zur Abgeltung pauschal nach Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 erstatteter Übernachtungskosten dienen und nur der über diese pauschale Abgeltung hinausgehende Auslösungsbetrag einen Ausgleich der Verpflegungsmehraufwendungen darstellen soll.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1984 Abschn. 25 Abs. 10, 6 Nr. 2; LStR 1990 Abschn. 40 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Der Kläger war als Fliesenleger nichtselbständig tätig. Er unternahm im Streitjahr 1984 an 135 Tagen überwiegend mehrtägige Dienstreisen. Dabei übernachtete er in Pensionen, Gasthöfen usw. Die tatsächlichen Übernachtungskosten sind unbekannt. Der Arbeitgeber zahlte dem Kläger steuerfreie Auslösungen in Höhe von 40 DM täglich.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr 1984 berechnete der Kläger seine Werbungskosten wie folgt:

Verpflegungsmehraufwand 135 Tage x 37 DM 4 995 DM

Übernachtungskosten 112 Tage x 37 DM 4 144 DM

abzüglich Auslösungen 135 Tage x 40 DM 5 400 DM

---------

Werbungskostenabzug 3 739 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Übernachtungskosten nur in einer geschätzten Höhe von 12 DM je Tag an und ließ die Reisekosten wie folgt zum Werbungskostenabzug zu:

Verpflegungsmehraufwand 4 995 DM

Übernachtungskosten 112 Tage x 12 DM 1 344 DM

abzüglich Auslösungen des Arbeitgebers 5 400 DM

--------

Werbungskostenabzug 939 DM.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger folgende Bescheinigung seines Arbeitgebers vorgelegt:

"Der Auslösungsbetrag in Höhe von 40,00 DM pro Tag dient zunächst zur

Abgeltung der steuerfreien Übernachtungspauschale i.S.d. Abschn. 25 Abs.

10 LStR. Der über diese Pauschale hinausgehende Betrag stellt einen

Ausgleich der Verpflegungsmehraufwendungen dar."

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Es stehe dem Arbeitgeber frei, ob und inwieweit er die von ihm gewährten Auslösungen steuerfrei belasse. Daher habe er dem Kläger für die streitigen Übernachtungen 37 DM steuerfrei ersetzen können (Abschn.25 Abs.10 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1984). Anders als der Arbeitnehmer, der beim Werbungskostenabzug Übernachtungskosten nachweisen müsse, könne der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Übernachtungskosten mit den Pauschbeträgen des Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 steuerfrei ersetzen. Diese Verwaltungsregelung halte sich im Rahmen der Auslegung des § 3 Nr.16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und sei für die Gerichte bindend. Sie nehme bewußt in Kauf, daß der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer höhere Übernachtungskosten steuerfrei ersetze, als sie tatsächlich entstanden seien. Gleichwohl seien die Auslösungen steuerfrei. Die Steuerfreiheit könne nicht von dem für die Besteuerung des Arbeitnehmers zuständigen FA dadurch rückgängig gemacht werden, daß dieses die Auslösungen anderen Aufwendungen zurechne als der Arbeitgeber. Daher sei der vom Kläger geltend gemachte Verpflegungsmehraufwand nur um den die steuerfreien Übernachtungskosten (37 DM) übersteigenden Teil der Gesamtauslösungen zu kürzen.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Der Gesetzgeber habe nach § 3 Nr.16 EStG vom Arbeitgeber gezahlte Reisekosten nur insoweit steuerfrei belassen wollen, soweit sie die durch die Reise entstandenen Mehraufwendungen nicht überstiegen. Es sei nicht zulässig, die einheitliche Abgeltung von Reisekosten dadurch aufzuspalten, daß nicht oder nicht in der Höhe entstandene Übernachtungskosten zunächst mit der einheitlich für Verpflegung und Übernachtung erhaltenen Arbeitgebererstattung in Höhe der Pauschbeträge des Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 verrechnet würden, um dadurch nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Entgegen der Auffassung des FG nehme Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 nicht einen über den tatsächlichen Aufwendungen liegenden steuerfreien Arbeitgeberersatz bewußt in Kauf; vielmehr werde nur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine steuerfreie Erstattung nach Pauschbeträgen zugelassen, wenn der Nachweis, daß eine kostenfällige Übernachtung stattgefunden habe, sichergestellt sei. Bei der Geltendmachung des Teils der Werbungskosten, der den Arbeitgeberersatz übersteige, sei die Dienstreise einheitlich zu betrachten.

Die Rechtsnachfolger des Klägers, die Revisionsbeklagten, beantragen, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung beziehen sie sich auf die Vorentscheidung. Ergänzend führen sie aus: Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt Kosten für Übernachtung zum Werbungskostenabzug begehrt, da ihm diese steuerfrei vom Arbeitgeber ersetzt worden seien. Voraussetzung für die Steuerfreiheit sei, daß der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber Unterlagen über seine Dienstreise vorlege, aus denen die Dauer der Reise, der Reiseweg und --soweit Reisekosten nicht zulässigerweise mit Pauschbeträgen erstattet würden-- auch die entstandenen Kosten ersichtlich sein müßten. Der Arbeitgeber habe diese Unterlagen als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen, so daß sie jederzeit nachgeprüft werden könnten. Es gebe keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, diese Anforderungen nochmals im Rahmen des Lohnsteuer- Jahresausgleichs zu erfüllen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Gemäß § 3 Nr.16 EStG in der im Streitjahr 1984 geltenden Fassung sind steuerfrei u.a. die Beträge, die den im privaten Dienst angestellten Personen für Reisekosten gezahlt werden, soweit sie die durch die Reise entstandenen Mehraufwendungen und bei Verpflegungsmehraufwendungen bestimmte gesetzliche Höchstbeträge nicht übersteigen. Hieraus ist abzuleiten, daß die Zahlung des Arbeitgebers --unter Beachtung der Besonderheiten bei den Verpflegungsmehraufwendungen-- nur in Höhe der tatsächlich insgesamt angefallenen Reisekosten steuerfrei bzw. --falls man § 3 Nr.16 EStG insoweit als einen Unterfall des Auslagenersatzes des § 3 Nr.50 EStG ansieht-- nicht steuerbar ist. Im Interesse der Verwaltungsvereinfachung können den Arbeitnehmern die tatsächlichen Reiseaufwendungen mit Pauschbeträgen für Fahrtkosten bei Fahrten mit dem eigenen Kfz des Arbeitnehmers (Abschn.25 Abs.9 i.V.m. Abs.8 LStR 1984), für Verpflegungsmehraufwand (Abschn.25 Abs.9 i.V.m. Abs.6 Nr.3 LStR 1984) und für Übernachtung (Abschn.25 Abs.10 LStR 1984) ohne Lohnsteuerabzug erstattet werden. Bleiben die Ersatzleistungen des Arbeitgebers hinter den tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers zurück, so kann letzterer im Rahmen seiner Jahresbesteuerung die Differenz zwischen seinen tatsächlichen Ausgaben und der Ersatzleistung des Arbeitgebers als Werbungskosten geltend machen (Abschn.25 Abs.5 LStR 1984). Hierbei können die Fahrtkosten und die Verpflegungsmehraufwendungen mit den gleichen Pauschbeträgen angesetzt werden, wie sie der Arbeitgeber ohne Vornahme des Lohnsteuerabzugs hätte erstatten können. Abweichend von Abschn.25 Abs.10 LStR 1984, der dem Arbeitgeber erlaubt, Unterkunftskosten nach Pauschbeträgen zu erstatten,kann der Arbeitnehmer die Unterkunftskosten nur in der nachgewiesenen Höhe zum Werbungskostenabzug geltend machen (Abschn.25 Abs.6 Nr.2 LStR 1984).

Der Senat kann offenlassen, ob Abschn.25 Abs.10 im Hinblick auf den vorgenannten Abschn.25 Abs.6 Nr.2 LStR 1984 mit § 3 Nr.16 EStG, wonach nur die tatsächlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers ohne Lohnsteuerabzug ausgezahlt werden dürfen, in Einklang steht und ob dem Wohnsitz-FA des Arbeitnehmers stets gestattet ist, bei der Jahresbesteuerung des Arbeitnehmers die tatsächlich entstandenen Unterkunftskosten zu ermitteln und in Höhe der darüber hinaus vom Arbeitgeber nach Pauschbeträgen vorgenommenen Erstattung eine Lohnzuwendung anzunehmen. Wenn jedoch ein Arbeitnehmer, wie im Streitfall der Kläger, von seinem Arbeitgeber anläßlich einer Dienstreise insgesamt für Unterkunft und Verpflegung ohne Lohnsteuerabzug weniger erstattet bekommt, als es nach Abschn.25 Abs.9 und Abs.10 LStR 1984 möglich gewesen wäre, und der Arbeitnehmer daher bei seiner Jahresbesteuerung über die Gesamterstattung hinausgehende Beträge zum Werbungskostenabzug geltend macht, kann das FA bei der Berechnung der dem Arbeitnehmer insgesamt zustehenden Werbungskosten zwecks zutreffender Besteuerung den Nachweis der Unterkunftskosten verlangen. Wie der Senat im Urteil vom 5.November 1971 VI R 284/69 (BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139, unter II. 2. der Entscheidungsgründe; s. auch Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 EStG Anm.167; anders wohl Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Reisekosten" D, S.996, Lieferung 16 zur 4.Aufl., Dezember 1986) ausgeführt hat, ist bei der Geltendmachung des Teils der Werbungskosten, der den Arbeitgeberersatz übersteigt, die Dienstreise einheitlich zu würdigen. Es ist nicht zulässig, die einheitlich zu beurteilende Erstattung der Reisekosten zur Ausnutzung der unterschiedlichen Verwaltungsregelungen des Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 und des Abschn.25 Abs.6 Nr.2 LStR 1984 dahingehend aus dem Gesamtzusammenhang herauszulösen, daß Auslösungsbeträge zunächst zur Abgeltung pauschal nach Abschn.25 Abs.10 LStR 1984 erstatteter Übernachtungskosten dienen und nur der über diese pauschale Abgeltung hinausgehende Auslösungsbetrag einen Ausgleich der Verpflegungsmehraufwendungen darstellen soll. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorlegt, in dem letzterer eine solche Aufteilung vorgenommen hat.

2. Die Vorentscheidung, die den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht entspricht, ist aufzuheben. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG unter Beachtung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 17.Juli 1980 IV R 140/77 (BFHE 131, 336, BStBl II 1981, 14) die Unterkunftskosten des Klägers ermitteln und in die Gesamtberechnung des dem Kläger noch zustehenden Werbungskostenabzugs einbeziehen. Im Fall einer Schätzung wird das FG auch berücksichtigen können, welche Aufwendungen für Übernachtung das FA dem Kläger in anderen Jahren anerkannt hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63803

BFH/NV 1992, 27

BStBl II 1992, 367

BFHE 166, 452

BFHE 1992, 452

BB 1992, 2197

BB 1992, 2197-2198 (LT)

DB 1992, 1169 (T)

WPg 1992, 362 (ST)

StRK, WK R.126 (ST)

FR 1992, 409 (KT)

NWB 1993, 355

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