Leitsatz (amtlich)

Zur bilanzmäßigen Behandlung eines Gebäudeerwerbs in Abbruchabsicht zum Zwecke der Schaffung einer Mehrheit von Wirtschaftsgütern (Anschluß an BFH-Beschluß vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620).

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, erwarb zusammen mit H am 13. Januar 1968 ein mit einer Fabrikhalle bebautes Grundstück im Zentrum von N, und zwar gemeinsam zu Bruchteilen, die Klägerin zu 2/3, H zu 1/3. Am 7. Juli 1967 hatten die Erwerber in einem Vorvertrag vereinbart, auf den zu erwerbenden Grundstücken ein Kaufzentrum zu errichten. Bis zur Räumung des Grundstücks durch die Verkäuferin wurde dieser das Gebäude mietweise überlassen. Unmittelbar nach dem Auszug der Verkäuferin ließen die Erwerber im Juli 1969 das Gebäude abreißen und an dessen Stelle einen Neubau für das Kaufzentrum errichten. Zum 31. Dezember 1969 buchte die Klägerin den Restbuchwert des Gebäudes aus (Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung - AfaA - gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Außerdem machte die Klägerin für das Streitjahr 1969 die Abbruchkosten gewinnmindernd geltend.

In dem gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab, den Abzug der Abbruchkosten und die AfaA für das Jahr 1969 anzuerkennen. Das FA aktivierte den Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten als zusätzliche Anschaffungskosten von Grund und Boden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 171 - EFG 1976, 171 -). Es ging davon aus, daß die Klägerin das Gebäude in Abbruchabsicht erworben habe. Diese Absicht ergebe sich aus dem Vorvertrag in Verbindung mit ihrem eigenen Vortrag. Der Absicht des Miterwerbers G. H., die von vornherein auf den Abbruch des Gebäudes gerichtet gewesen sei, habe sich die Klägerin nicht entziehen können. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Behauptung der Klägerin, sie selbst habe im Zeitpunkt des Erwerbs den Abbruch der Gebäude nicht beabsichtigt, zutreffend sei oder nicht. In jedem Falle seien der auf das abgebrochene Gebäude entfallende Anteil des Kaufpreises und die Abbruchkosten wirtschaftlich Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Wirtschaftlich handle es sich um den Erwerb eines Bauplatzes zu einem um die Abbruchkosten erhöhten Gesamtkaufpreis.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids. Sie begehrt, den Gewinn für 1969 um 234 803 DM zu ermäßigen. Die Klägerin rügt die Verletzung der Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4, 5, 6 EStG. Sie führt aus, daß die Vorentscheidung den Grundsatz der Einzelbewertung und das Anschaffungswertprinzip verletze. Beide seien Bestandteile der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Auch der nur am Grund und Boden interessierte Erwerber müsse das Gebäude mitkaufen. Wirtschaftlich bedeute es einen Unterschied, ob ein Wirtschaftsgut zu einem überhöhten Preis oder nur zusammen mit einem anderen, den Erwerber nicht interessierenden Wirtschaftsgut i. S. eines Koppelungsgeschäftes veräußert werde. Für den Streitfall sei auch bedeutsam, daß die Klägerin selbst nicht in Abbruchabsicht, sondern lediglich in Kenntnis und Billigung der Abbruchabsicht des Miterwerbers erworben habe. Der sofortige Abzug der Abbruchaufwendungen verstoße nicht gegen den Grundsatz des § 7 EStG. Denn eine Verteilung der Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Anlagegüter auf die Nutzungsdauer sei dann vorzunehmen, wenn sich die Verwendung oder Nutzung "erfahrungsgemäß" auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecke. Dabei komme es nicht auf die subjektive Absicht des Steuerpflichtigen, sondern allein auf die allgemeine Erfahrung an. Allgemeine Erfahrung beim Erwerb eines objektiv nicht wertlosen Gebäudes sei aber, daß der Erwerber das Gebäude länger als ein Jahr nutze. Daher komme auch in diesem Fall die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG über die AfaA zum Zuge.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Er holte eine Stellungnahme des Bundesministers der Justiz (BdJ) ein. Einen Antrag stellte der BdF nicht. Die Stellungnahme des BdF und des BdJ decken sich mit den im Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516 BStBl II 1978, 620) wiedergegebenen Ausführungen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß der für den Erwerb eines zum Abbruch bestimmten Gebäudes entrichtete Mehrpreis und die Abbruchkosten ohne weiteres als Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu behandeln seien (vgl. schon zur bisherigen Rechtsprechung die BFH-Urteile vom 19. Mai 1961 VI 127/60 U, BFHE 73, 238, BStBl III 1961, 354; vom 18. März 1965 IV 61/62 U, BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320). Die bisherige Rechtsprechung im wesentlichen bestätigend hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß GrS 1/77 entschieden, daß, wenn der Erwerber eines objektiv technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäudes dieses nach dem Erwerb abreißen läßt und das Gebäude bereits in dieser Absicht angeschafft worden war, der (Buch-) Wert und die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes oder der sonstigen neuen Wirtschaftsgüter gehören, mit deren Herstellung der Abbruch des Gebäudes in engem wirtschaftlichem Zusammenhang steht. Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, rechnen die genannten Kosten zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses GrS 1/77 Bezug genommen.

Dagegen ist die Feststellung des FG, daß es sich um einen Erwerb in Abbruchabsicht gehandelt habe, rechtlich nicht zu beanstanden. Im übrigen verweist der Senat darauf, daß nach dem Beschluß GrS 1/77 schon der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, daß der Erwerber das Gebäude in Abbruchabsicht erworben hat, wenn mit dem Abbruch innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb begonnen wird. Der Steuerpflichtige kann diesen Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) durch den Vortrag von Tatsachen entkräften, aus welchen sich ergibt, daß es zu dem Abbruch erst aufgrund eines ungewöhnlichen, nichttypischen Geschehensablaufs gekommen ist. Nach den Feststellungen des FG handelte es sich im Streitfall nicht um einen solchen atypischen Geschehensablauf. Vielmehr hatten sich die Erwerber von vornherein zu dem Zwecke verbunden, entsprechend der Absicht des Miterwerbers H alsbald nach dem Erwerb das Gebäude abbrechen zu lassen und es durch ein anderes Projekt zu ersetzen.

2. Für die Gewinnermittlung der Klägerin ergeben sich nach den Grundsätzen der Entscheidung GrS 1/77 die nachstehenden Folgerungen.

a) Bei der bilanzmäßigen Behandlung des Erwerbs des zum Abbruch bestimmten Gebäudes ist davon auszugehen, daß der auf die Klägerin entfallende Anteil am Gesamtkaufpreis auf das Grundstück und das Gebäude aufzuteilen ist, und zwar im Zweifel nach dem Verhältnis der Teilwerte (Beschluß GrS 1/77, Abschn. C II 3.). Für die Bilanzierung der erworbenen Wirtschaftsgüter besteht in diesem Stadium kein Unterschied zu solchen Fällen, in denen bei dem Erwerb nicht die Absicht des Abbruchs bestand.

b) Solange das zum Abbruch bestimmte Gebäude betrieblich oder durch Nutzungsüberlassung verwendet wird, sind - nach Maßgabe der anteiligen Anschaffungskosten (oben 2 a) - die regelmäßigen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 und 4 EStG vorzunehmen.

c) Erst der Abbruch führt zur Ausbuchung des Gebäuderestwerts und zu dem Ansatz des Restwerts und der Abbruchkosten als Herstellungskosten der neuen Wirtschaftsgüter oder/und als Anschaffungskosten des Grund und Bodens.

d) Im Streitfall diente der Erwerb der Errichtung eines Einkaufszentrums. Es kommt deshalb möglicherweise die Schaffung mehrerer Wirtschaftsgüter in Betracht, wie Gebäude, Parkplätze, Ladeflächen usw., auf welche der Restwert und die Abbruchkosten entsprechend dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Abbruch des Gebäudes und der Herstellung der neuen Wirtschaftsgüter zu verteilen sind. Soweit es an einem solchen Zusammenhang fehlt, etwa weil ein Teil der freien Fläche nicht als Grundlage neuer Wirtschaftsgüter diente, entfällt ein zu schätzender Teil des Restwerts und der Abbruchkosten auf den Grund und Boden.

3. Das FG wird hiernach die Gewinnermittlung zu überprüfen haben. Insbesondere ist für den Veranlagungszeitraum 1969 die Absetzung für Abnutzung des dann abgebrochenen Gebäudes für die Zeit bis zum Auszug der Verkäuferin (Mieterin) zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73066

BStBl II 1979, 299

BFHE 1979, 11

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