Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsätze eines Baubetreuers und eines Initiators eines Bauvorhabens

 

Leitsatz (NV)

Umsatzsteuerrechtlich selbständige Architekten- und Baubetreuungsleistungen eines Initiators werden von der Steuerfreiheit der Grundstückslieferung nicht erfaßt. Sie sind selbst dann nicht steuerfrei, wenn sie beim Erwerber zur Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer herangezogen werden.

 

Normenkette

UStG 1973 § 4 Nr. 9a

 

Tatbestand

Die Organtochter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), die C-GmbH, veräußerte in den Streitjahren 1978 und 1979 unbebaute Grundstücke (bzw. Anteile daran) an Erwerber (im folgenden: Bauherren). Diese verpflichteten sich in dem jeweiligen notariellen Grundstückskaufvertrag gegenüber der C-GmbH und gegenüber den anderen Bauherren, bis zu einem bezeichneten Zeitpunkt ein Gebäude (bzw. eine Eigentumswohnung) im Rahmen einer geplanten Wohnanlage zu errichten. Die Bauherren bevollmächtigten die C-GmbH, den Bauvertrag mit einem benannten Bauunternehmer abzuschließen, der sich verpflichtete, das Gebäude mit der Wohnung zu einem Festpreis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu errichten. Mit diesem Bauunternehmer hatte die C-GmbH vor der Veräußerung der Grundstücksanteile die Bauverträge über eine Reihenhausanlage abgeschlossen. Außerdem ist in dem notariellen Grundstückskaufvertrag u.a. bestimmt worden: Die Baunebenleistungen vergibt die Verkäuferin - ggf. anteilig - im Namen der Käufer, die insoweit in die Verträge eintreten (§ 9 des Kaufvertrages). In einer den Kaufverträgen angefügten Anlage I sind als Baunebenleistungen angegeben:

- Kosten des Grunderwerbs,

- Finanzierungskosten,

- Architektenleistungen (u.a. Vorplanung und Abstimmung mit dem Bauaufsichtsamt, Stadtplanungsamt, Tiefbauamt, Vermessungsamt, Vorentwurf, Berechnung des umbauten Raums und der Wohnfläche, Entwurf M = 1:100 Grundriß-Ansichten-Schnitt, Ausführungszeichnungen, Entwurf Heizungsanlage, Entwurf Sanitäranlage, Ausschreibung und Auftragsvergabe für schlüsselfertige Errichtung, Baugenehmigung für Garagen),

- Ingenieurleistungen (u.a. Kosten der statischen Berechnung),

- Baubetreuungsleistungen (Verkehrswertbescheinigung, Erschließungskostenbescheinigung, Katastermaterial, Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz - WEG -),

- Finanzierung,

- Versicherungen,

- Verkauf (Verkaufsberatung und Baufinanzierung, Provision),

- Bauvorbereitung (Bauschild, Abriß und Geländefreimachen),

- Anwalts- und Notarkosten,

- Gebühren und sonstige Leistungen (u.a. für die Baugenehmigung, für die schlüsselfertige Aufstellung einer Fertiggarage).

Der Kaufpreis für den Grundstücksanteil schließt die bezeichneten Baunebenkosten ein. Abrechnung und Aufschlüsselung der Baunebenkosten ist ausgeschlossen worden (§§ 2, 9 des Kaufvertrages).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte den (geschätzten) Teil des Kaufpreises, der auf Baunebenkosten entfiel, als Entgelt für steuerpflichtige Leistungen, während die Klägerin auch insoweit die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 als gegeben ansah.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für 1978 und 1979 - antragsgemäß - auf.

Das FG hielt die Klage für begründet, weil sämtliche von der C-GmbH erbrachten Leistungen steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 ausgeführt worden seien. Die Auslegung der verschiedenen Verträge - so führte das FG dazu u.a. aus - führe zu dem Schluß, daß Gegenstand der auf Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen nicht nur das unbebaute Grundstück, sondern das Grundstück in einem Zustand sei, den es erst künftig durch Bebauung habe erhalten sollen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Grunderwerbsteuerrecht vertrat das FG die Auffassung, bei den Erwerbern sollte das Grundstück als bebautes Grundstück ankommen. Da sich ein Grundstück ohne Architekten-, Ingenieur- oder Vermessungsleistungen nicht bebauen lasse, gehörten diese vorweg von der C-GmbH erbrachten zusätzlichen sonstigen Leistungen als wesentliche Bestandteile zu der an die Bauherren erbrachten Leistung.

Mit der Revision macht das FA Verletzung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 geltend. Dazu führt es u.a. aus: Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der vorliegenden Verträge habe die C-GmbH nicht schlüsselfertig bebaute Grundstücke geliefert. Vielmehr habe sie dem Bauherrn jeweils ein unbebautes Grundstück geliefert, das dieser, um die einkommensteuerlichen Vergünstigungen zu erhalten, planmäßig bebaut habe. Dafür habe die C-GmbH an die Bauherren selbständige Baunebenleistungen ausgeführt, die weder in der Grundstückslieferung aufgingen noch als dazu ausgeführte Nebenleistung zu beurteilen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973. Das FG hat angenommen, daß sämtliche sog. Baunebenleistungen der C-GmbH gegenüber den Bauherren als Umsätze i.S. von § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 zu beurteilen sind, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen, weil sie wesentlicher Bestandteil der von der C-GmbH ausgeführten Leistung gewesen seien. Dabei ist das FG von Grundsätzen ausgegangen, die von der Rechtsprechung des Senats abweichen. Die vorhandenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung nicht zu, ob die Klägerin, der die Leistungen der C-GmbH als ihrer Organgesellschaft zuzurechnen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1973), nur eine einheitliche Grundstückslieferung ausgeführt hat, in der einzelne der als Baunebenleistungen bezeichneten Leistungen aufgehen, ob und in welchem Umfang sie neben der Grundstückslieferung Baunebenleistungen als unselbständige Nebenleistung an die Bauherren erbracht hat oder ob einige der sog. Baunebenleistungen als selbständige Leistungen beurteilt werden müssen, die nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei sind, weil sie nicht unter das GrEStG fallen. Aufgrund der getroffenen Feststellungen läßt sich auch nicht abschließend beurteilen, ob und in welchem Umfang die C-GmbH Kosten für in Anspruch genommene Bauvorbereitungsleistungen in die Kaufpreisbemessung für das unbebaute Grundstück einbezogen und insoweit selbst keine weiteren Leistungen an die Bauherren ausgeführt hat.

2. Das FG hat aufgrund der Auslegung der Vertragsbestimmungen geschlossen, daß Gegenstand der auf Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen nicht nur das unbebaute Grundstück war, sondern das Grundstück in einem Zustand, den es erst künftig (durch Bebauung) erhalten sollte.

Auch wenn dem zu folgen ist, ergibt sich daraus nicht, daß die entsprechenden Leistungen, durch die der festgestellte Wille der Vertragsparteien verwirklicht wurde, ausnahmslos Umsätze darstellen, die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei sind, weil sie unter das GrEStG fallen. Ob dies zutrifft, ist vielmehr für jede vom Unternehmer ausgeführte Leistung - somit für jede der als Baunebenleistungen bezeichneten Leistungen - zu prüfen. Das FG hat die entsprechenden Auslegungsgrundsätze des erkennenden Senats nicht beachtet. Das FG muß zunächst feststellen, ob den als Baunebenleistungen bezeichneten Vorgängen Leistungen der C-GmbH an die Klägerin zugrunde liegen.

3. Soweit die Prüfung ergibt, daß sich der Initiator eines Bauvorhabens unter der mißverständlichen Bezeichnung Baunebenkosten nur Beträge ersetzen läßt, die er im Namen und für Rechnung des Bauherrn (z.B. für die Baugenehmigung zugunsten des Bauherrn) verauslagt hat, handelt es sich um durchlaufende Posten, denen keine Leistung des Unternehmers zugrunde liegt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1973).

4. Soweit der Unternehmer Leistungen an den Bauherren gegen Entgelt ausgeführt hat, ist zu beachten, daß als Besteuerungsgegenstand der Umsatzsteuer grundsätzlich die einzelne entgeltliche Leistung des Unternehmers (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973) zu beurteilen ist. Bewirkt der Unternehmer die Lieferung eines unbebauten oder eines bebauten Grundstücks, ist er steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 tätig, weil die Verpflichtung zu dieser Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar ist und der Umsatz mithin unter das GrEStG fällt. Bei dieser Beurteilung bleibt es, wenn der Unternehmer Kosten für an ihn ausgeführte Leistungen als Berechnungsposten für den Grundstückskaufpreis im Grundstückskaufvertrag gesondert ausweist. Er führt dann keine weitere Leistung neben der Grundstückslieferung aus, sondern wälzt lediglich Kosten für von ihm in Anspruch genommene Leistungen offen an den Grundstückserwerber ab. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt wird das FG z.B. die als Baunebenleistung bezeichneten Vermessungskosten prüfen müssen.

5. Ist - wie im Streitfall - von der Lieferung eines Grundstücks in einem Zustand auszugehen, den dieses durch die künftige Bebauung erhalten soll, erbringt der Initiator neben der Grundstückslieferung weitere Leistungen. Die umsatzsteuerrechtliche Systematik zwingt dazu, zunächst die Leistung zu bestimmen, ihre Steuerbarkeit zu beurteilen und erst dann über die Steuerbefreiung zu befinden (vgl. auch BFH-Urteil vom 12. März 1992 V R 43/87, BFH/NV 1992, 703). In diesem Zusammenhang muß auch geprüft werden, ob einzelne Leistungen als Teil der einheitlichen Grundstückslieferung oder als unselbständige Nebenleistungen anzusehen sind und ob sie umsatzsteuerrechtlich die Beurteilung als Umsatz, der unter das GrEStG fällt, teilen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluß vom 30. Oktober 1986 V B 44/86, BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145; Urteile vom 7. Februar 1991 V R 53/85, BFHE 164, 482, BStBl II 1991, 737; vom 29. August 1991 V R 87/86, BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206) kann eine umsatzsteuerrechtlich einheitliche Beurteilung von Grundstückslieferung und weiteren Leistungen weder durch rechtsgeschäftliche Verbindung noch durch die im Grunderwerbsteuerrecht geltenden Grundsätze für die Bestimmung der Gegenleistung gerechtfertigt werden.

a) Architekten- und Baubetreuungsleistungen hat der Senat bisher als selbständige Leistungen eines Initiators angesehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206 unter II. 2. cff. - für Architektenleistungen -; BFH-Urteil vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255 - für Baubetreuungsleistungen -), die von der Steuerfreiheit der Grundstückslieferung nicht erfaßt werden. Sie fallen nicht unter das GrEStG, weil sie nicht von § 1 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG als steuerbarer Erwerbsvorgang erfaßt werden.

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn nach der Rechtsprechung des für die Grunderwerbsteuer zuständigen II.Senats des BFH der Erwerb eines bebauten Grundstücks vorliegt. Dies besagt nämlich nicht, daß die verschiedenen zum Erwerb des bebauten Grundstücks führenden Leistungen in der Hand des Grundstücksveräußerers insgesamt unter das GrEStG fallen.

b) Der Streitfall rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Verschaffung eines Grundstücks in einem Zustand, den dieses erst künftig durch Bebauung erhalten soll, kann nicht - wie die Lieferung eines bebauten Grundstücks - durch eine Lieferung erfüllt werden. Vielmehr sind neben der Lieferung des unbebauten Grundstücks die Architektenleistungen teilweise, die Baubetreuungsleistungen insgesamt zeitlich später auszuführen. Sie werden durch eine rechtlich gegenüber der Grundstückslieferung unterschiedlich zu beurteilende sonstige Leistung bewirkt. Die Leistungen und die Verpflichtung zur Entgeltsentrichtung beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgründen.

Architekten- und Baubetreuungsleistungen des Initiators gehen umsatzsteuerrechtlich nicht in den nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei ausgeführten Grundstückslieferungen auf. Eine einheitliche Leistung aus mehreren untereinander gleichwertigen auf ein einheitliches wirtschaftliches Ziel gerichteten Bestandteilen ist nur dann anzunehmen, wenn die einzelnen Faktoren so ineinandergreifen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem ganzen zurücktreten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. November 1975 V R 138/73, BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307). Wirtschaftlich sind Grundstückslieferung, Architektenleistungen und Baubetreuung nicht gleichwertig. Sie sind auch nicht der Sache nach miteinander derart verbunden, daß die eine nicht oder nicht regelmäßig ohne die andere Leistung ausgeführt wird. Die Verbindung ist im Streitfall nur zeitlich und rechtsgeschäftlich hergestellt worden. Dies begründet, selbst wenn die Koppelung dem Leistungsempfänger aufgedrängt wird, umsatzsteuerrechtlich keine Einheitlichkeit einer Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1988 V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205 unter II. 1., m.w.N.).

c) Die Architekten- und Baubetreuungsleistungen der Klägerin sind ferner keine Nebenleistungen, die das rechtliche Schicksal der steuerfreien Grundstückslieferungen teilen. Nebenleistungen teilen das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich sind, mit der Hauptleistung in engem Zusammenhang stehen, indem sie diese abrunden und ergänzen, und in deren Gefolge üblicherweise vorkommen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1991 V R 46/88, BFHE 167, 200, BStBl II 1992, 368 unter II. 2. c). Die erwähnten Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Architekten- und Baubetreuungsleistungen für die Leistungspartner weder nebensächlich sind, noch die Lieferung der unbebauten Grundstücke ergänzen oder abrunden, sondern jeweils eine weitere Leistung darstellen. Architekten- und Baubetreuungsleistungen werden nicht üblicherweise im Zusammenhang mit Grundstückslieferungen ausgeführt. Der Zusammenhang ist im Streitfall eher zufällig und nur durch rechtsgeschäftliche Verknüpfung hergestellt worden.

d) Das Urteil des FG entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats, wenn es davon ausgeht, daß die zusammen mit Grundstückskaufverträgen abgeschlossenen Verträge, die für die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage beim Erwerber als einheitlicher Erwerbsvorgang beurteilt werden, umsatzsteuerrechtlich zu einer Bündelung der Leistungen führen, wenn sie von dem Grundstückslieferer ausgeführt werden.

6. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Das FG wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung prüfen und dafür die notwendigen Tatsachen aufklären müssen, ob und in welchem Umfang den einzelnen sog. Baunebenleistungen Vorgänge zugrunde liegen, die umsatzsteuerrechtlich die Annahme von durchlaufenden Posten, von Entgelt für die Lieferung des unbebauten Grundstücks oder von Entgelt für selbständige sonstige Leistungen rechtfertigen. Sofern der Klägerin steuerpflichtige Umsätze der C-GmbH an die Bauherren zuzurechnen sind, ist dafür die Bemessungsgrundlage zu ermitteln und überdies zu prüfen, in welchem Umfang Vorsteuerbeträge abziehbar sind. Das FG hat außerdem die Umsatzsteuer durch entsprechende Änderung der angefochtenen Steuerbescheide festzusetzen und diese nicht bloß aufzuheben, selbst wenn die Steuer 0 DM ausmachen sollte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418784

BFH/NV 1994, 198

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