Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellung für drohende Verluste aus Risikounterbeteiligung an Auslandskredit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste setzt voraus, dass das zu beurteilende Vertragsverhältnis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Verpflichtungsüberschuss erwarten lässt.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 1-2; EStG 1989 § 5 Abs. 1 S. 1, §§ 6, 15, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; GewStG § 2 Abs. 1, § 7; AO 1977 § 12 S. 2 Nr. 2; HGB §§ 1, 238, 249 Abs. 1 S. 1, §§ 251, 252 Abs. 1 Nrn. 3-4; KWG §§ 1, 53; EWGRL 660/78 Art. 14, 20 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 Buchst. e, Art. 42 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 Buchst. c; DBA FRA Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e, Art. 4 Abs. 1 S. 2, Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 28.11.2003; Aktenzeichen III 1/01; EFG 2004, 746)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine in Liquidation befindliche Bankgesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Frankreich. Sie unterhielt in dem für das Streitjahr 1989 maßgebenden Zeitraum eine rechtlich unselbständige Zweigniederlassung im Inland (im Folgenden: Zweigniederlassung), die als Kreditinstitut für ihren Bereich bilanzierte. Streitig ist eine im Streitjahr 1989 von der Zweigniederlassung gebildete Rückstellung in Höhe von 638 000 DM für Verluste aus einer Risikounterbeteiligung über ca. 2,55 Mio. DM an einem Kredit, den die New Yorker Zweigstelle der (inländischen) B-Bank einer staatlichen chilenischen Bergbaugesellschaft (C) gewährt hatte. Diese Unterbeteiligung unterlag der Anzeigepflicht und der Risikokontrolle durch die Bankenaufsicht nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG).

Im Einzelnen liegt dem folgender Sachverhalt zugrunde: Die B-Bank hatte im März 1987 mit der C einen ungesicherten Rahmenkreditvertrag betreffend die revolvierende Vorfinanzierung von Kupferexporten an Abnehmer in Deutschland geschlossen. Der Rahmenvertrag wurde durch jeweils aneinander anschließende kurzfristige Kredite ausgefüllt. Die C hatte der B-Bank jährlich eine Liste der deutschen Abnehmer einzureichen, um deren Bonität überprüfbar zu machen. Für die Exporte beantragte die C bei der B-Bank jeweils die Vorfinanzierung. Daraufhin gewährte diese der C Einzelkredite in Höhe von 100 % des jeweiligen Verkaufspreises mit einer Laufzeit von längstens 180 Tagen. Für die Rückzahlung des Kredits überwiesen die Abnehmer der C die jeweiligen Kaufpreise für das erworbene Kupfer auf ein Konto der C bei der New Yorker Zweigstelle der B-Bank. Diese Beträge wurden nach Chile weitergeleitet, wo die chilenische Zentralbank der C bei Fälligkeit der von ihr aufgenommenen Kredite die erforderlichen Devisen zur Verfügung stellte. Zu Zahlungsverzögerungen seitens der C kam es nicht.

Die B-Bank verteilte ihrerseits das Risiko aus diesen Krediten an die C teilweise auf andere Kreditinstitute, u.a. (seit März 1987) auf die Klägerin. Dabei handelte es sich nicht um eine Beteiligung in Form eigener Valutahingabe, sondern um eine anteilige Ausfallgarantie. Die Unterbeteiligungen wurden mehrmals verlängert. Mitte 1988 wurde im Hinblick auf die positive wirtschaftliche Entwicklung in Chile eine Herabsetzung des Avalentgelts von 1 % auf 7/8 % p.a. vereinbart.

Die für den Bilanzstichtag des Streitjahres 1989 maßgebliche Unterbeteiligung der Klägerin und ihrer Zweigniederlassung resultiert aus einem Angebot der B-Bank vom 31. Juli 1989, sich bis zu einer Höhe von je 1,5 Mio. US-$ (damit insgesamt 3 Mio. US-$) an dem bis zu 30 Mio. US-$ vorgesehenen Risiko der B-Bank aus dem Kredit an die C zu beteiligen. Es wurde von der Klägerin und ihrer Zweigniederlassung am 7. August 1989 angenommen. Der vereinbarte Avalzins betrug 7/8 % p.a.; er war nachträglich zahlbar, wenn kein Kreditausfall zu verzeichnen war. Im Falle eines Kreditausfalls hatten die Klägerin und ihre Zweigniederlassung der B-Bank alle ausstehenden Beträge bis zur Höhe ihrer Unterbeteiligung zur Verfügung zu stellen.

Im August 1989 nahm die C einen Kredit über 20 Mio. US-$ bis zum 5. Februar 1990 (180 Tage) und im Oktober 1989 einen weiteren Kredit über 10 Mio. US-$ bis zum 27. April 1990 (179 Tage) in Anspruch. Die entsprechenden Risikobeteiligungen des Stammhauses der Klägerin und der Zweigniederlassung beliefen sich ―wie mit der B vereinbart― auf jeweils insgesamt 1,5 Mio. US-$ ( ca. 2,55 Mio. DM). Beide Teilbeträge des Kredits zahlte die C fristgemäß an die B-Bank zurück. Diese überwies der New Yorker Zweigstelle der Klägerin die vereinbarten Avalentgelte am 8. Februar 1990 und nach dem 27. April 1990. Auf die Zweigniederlassung entfiel davon jeweils die Hälfte. Das waren damit 4 375 US-$ (7 429 DM) und 2 175,35 US-$ (3 694 DM).

In der durch die Fachzeitschrift "Institutional Investor" halbjährlich im März und September veröffentlichten Länderrisiko-Bewertung ("Institutional Investor's Credit Ratings") lag Chile mit 33,6 Punkten unter dem Durchschnitt aller Länder mit 39 Punkten. Anhaltspunkte für eine krisenhafte Devisenknappheit mit konkret drohenden Devisentransfer-Restriktionen der chilenischen Zentralbank waren im maßgeblichen Zeitraum nicht ersichtlich.

Die Bilanz der Zweigniederlassung für das Streitjahr 1989 und die Prüfung der einzelnen Bilanzpositionen wurden bereits vor dem Stichtag zum 31. Dezember 1989 vorbereitet. Die streitbefangene Unterbeteiligung am Kreditrisiko der B-Bank wurde seitens der Wirtschaftsprüfung am 20. November 1989 vorgeprüft (einschließlich der gemäß § 18 KWG vorgeschriebenen Kreditunterlagen und der Bilanzzahlen der C). Der Jahresabschluss der Zweigniederlassung der Klägerin war gemäß § 26 KWG in den ersten drei Monaten des folgenden Geschäftsjahres aufzustellen. Parallel dazu lief die Abschlussprüfung. Am 5. Januar 1990 wurde die Höhe der Unterbeteiligung zum Bilanzstichtag vom Leiter der Kreditabteilung in die Abschlussprüfung gegeben. Am 12. Januar 1990 wurde die Kreditprüfung der Unterbeteiligung einschließlich des Länderrisikos durch die Wirtschaftsprüfer abgezeichnet. Am selben Tage wurden die Summen der gesamten Wertberichtigungen und Rückstellungszuführungen der Zweigniederlassung durch deren Geschäftsleiter und den Leiter des Rechnungswesens unterschrieben. Am 23. März 1990 wurde der Jahresabschluss aufgestellt und unterschrieben.

In dieser Bilanz zum 31. Dezember 1989 wies die Zweigniederlassung die Risikounterbeteiligung gegenüber der B-Bank für deren Kredite an die C als solche unter dem Bilanzstrich auf der Passivseite als Aval- bzw. Eventualverbindlichkeit (§ 251 des Handelsgesetzbuchs ―HGB―) aus. Gleichzeitig bildete sie für diese Avalverbindlichkeiten pauschale Rückstellungen für das latente Kreditrisiko (Bonitätsrisiko). Auf der Grundlage einer durchschnittlichen Ausfallquote der Klägerin in der Vergangenheit von jährlich 0,83 % wurden diese Rückstellungen im Hinblick auf die durchschnittliche Restlaufzeit der Avale von sechs Monaten mit 0,42 % der ―um die von der Zweigniederlassung wie nachfolgend berücksichtigten Länderrisiken verminderten― jeweiligen Nennbeträge ermittelt und berücksichtigt. Diese Rückstellungen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Daneben passivierte die Zweigniederlassung für das sich aus diesen Avalverbindlichkeiten ergebende allgemeine Länderrisiko ―vorliegend streitige― Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Das so bezeichnete Länderrisiko wird auch als (Devisen-) Transferrisiko bezeichnet und betrifft das Risiko, dass Tilgung und Zinsen bei Fälligkeit aus dem Staat des Schuldners nicht (vollständig) transferiert werden können, weil dessen Noten- oder Außenhandelsbank ―aus devisenwirtschaftlichen oder politischen Gründen― den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr einschränkt oder unterbindet (vgl. Birck/Meyer, Die Bankbilanz, 1977, V 177). Dieses Risiko ist unabhängig von der Bonität des jeweiligen Schuldners selbst. Im Streitfall lag der Passivierung eine Risikobewertung für das jeweilige Land zugrunde, wobei sich die Zweigniederlassung eines (von ihren Wirtschaftsprüfern entwickelten) Punktesystems bediente, das vornehmlich Umschuldungskriterien, den Index des "Institutional Investor's Country Credit Ratings" und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes berücksichtigte. Die auf diese Weise ermittelte Punktezahl wurde auf die nächsten vollen 10 aufgerundet und ergab so den Wertberichtigungssatz für die Kredite aus den jeweils betroffenen Ländern. Bei der Beurteilung für das Länderrisiko Chile kam die Zweigniederlassung aufgrund einer für Chile zunächst errechneten Punktezahl von 20 darüber hinaus zu einer Erhöhung des Länderrisikos um 5 auf 25 Punkte. Dabei wurden insbesondere in 1989 gesunkene Kupferpreise und ein in der Presse angeführtes Streikrisiko in den staatlichen chilenischen Kupferminen berücksichtigt. Für die Risikounterbeteiligung Chile von umgerechnet rd. 2,55 Mio. DM führte die Zweigniederlassung so den Verlustrückstellungen 638 000 DM, also ca. 25 % des Nennbetrags zu.

Das seinerzeit für die Veranlagung der Zweigniederlassung zuständige Finanzamt (FA) erkannte für das Streitjahr 1989 die pauschalen Rückstellungen für Bonitätsrisiken, nicht hingegen die Rückstellung in Höhe von 638 000 DM für Länderrisiken aufgrund der Risikounterbeteiligung Chile an. Es erließ entsprechende Bescheide betreffend Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 1989, die die Klägerin mit der Klage anfocht.

Im Verlaufe des Klageverfahrens hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 22. April 1999 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 1022, 1026, 1033), das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verschiedene Fragen zur Auslegung der Vierten Richtlinie des Rates aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom 25. Juli 1978, 78/660/EWG (Bilanzrichtlinie ―BiRiLi―, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 222/11) zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG-Vertrag vorgelegt. Der EuGH hat über diese Vorlage durch Urteil vom 7. Januar 2003 C-306/99 (EuGHE 2003, I-1 ―folgend EuGH-Vorabentscheidung―) entschieden. Im Einzelnen wird auf die Leitsätze 2. und 3. und die Begründung dieses Urteils (insbesondere Rn. 95 ff.) verwiesen.

Das FG gab der Klage mit dem Antrag, die Bescheide betreffend den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für das Streitjahr dahin zu ändern, dass die Rückstellung von 638 000 DM abzüglich Avalentgelt von 7 429 DM anerkannt wird, statt. Es entschied, die begehrte Rückstellung sei für das Länderrisiko Chile zu berücksichtigen. Die Tatsache der ―teilweisen― Tilgung der Hauptverbindlichkeit nach dem Bilanzstichtag und vor dem Tage der Bilanzaufstellung sei nicht wertaufhellend zu berücksichtigen. Auf die in EFG 2004, 746 abgedruckten Entscheidungsgründe wird im Einzelnen verwiesen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zu Unrecht hat das FG für das (Länder-)Risiko der Zweigniederlassung aus ihrer Unterbeteiligung an der Kreditvergabe der B-Bank an die C zum 31. Dezember 1989 eine Rückstellung in Höhe von 630 571 DM (638 000 DM abzüglich 7 429 DM) anerkannt.

1. Die Klägerin betrieb in ihrer Zweigniederlassung Bankgeschäfte. Sie erfüllte insoweit alle Merkmale eines stehenden inländischen Gewerbebetriebes i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Die Zweigniederlassung stellt sich steuerlich als Betriebsstätte sowohl i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) als auch i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe a bb des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Frankreich) vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) dar. Die Klägerin erzielte durch ihre Zweigniederlassung inländische Einkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diese inländischen Einkünfte unterliegen in Deutschland der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 GewStG, Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e DBA-Frankreich).

Die Zweigniederlassung der Klägerin gilt als Kreditinstitut (§ 53 Abs. 1 Satz 1 KWG). Damit betreibt sie ein Handelsgewerbe i.S. des § 1 Abs. 1 und 2 HGB. Die Klägerin ist deshalb bezogen auf ihre Zweigniederlassung zur Buchführung verpflichtet (§ 238 HGB). Dies erfordert eine von dem übrigen Unternehmen der Klägerin gesonderte Rechnungslegung (vgl. Beck/ Samm, Gesetz über das Kreditwesen, 1987, § 53 Rz. 30). Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 KWG gelten für die gesonderte Rechnungslegung die allgemeinen Vorschriften des HGB über Handelsbücher (§§ 238 ff. HGB) entsprechend.

2. Der Gewerbeertrag ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG in der für das Streitjahr 1989 geltenden Fassung zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, soweit er auf die inländische Betriebsstätte entfällt. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Zweigniederlassung der Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. HGB.

Die Sonderregelungen der §§ 340f bis 340g HGB wurden erst nach dem Streitjahr 1989 durch Umsetzung der Richtlinie des Rates über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten vom 8. Dezember 1986 86/635/EWG (Bankbilanzrichtlinie ―BankBiRiLi―, ABlEG 1986 Nr. L 372/1) durch das Bankbilanzrichtlinien-Gesetz (BankBiRiLiG) vom 30. November 1990 (BGBl I 1990, 2570) ins HGB eingeführt und sind zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten. In der Folge ist die Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) vom 10. Februar 1992 (BGBl I 1992, 203) am 10. Februar 1992 erlassen worden. Diese Regelungen sind auf den Streitfall aus zeitlichen Gründen nicht anzuwenden.

Die International Accounting Standards (IAS), soweit sie für den Streitfall von Bedeutung sein könnten (IAS 30 betreffend Angaben im Abschluss von Banken und ähnlichen Finanzinstitutionen, IAS 37 betreffend Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen), waren im Streitjahr 1989 noch nicht vom IAS-"Board" genehmigt. Im Übrigen sind die IAS gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 (ABlEG L 243/1) erst ab 1. Januar 2005 und lediglich für konsolidierte Abschlüsse börsennotierter Gesellschaften verbindlich (vgl. dazu auch die Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003, ABlEG L 261/1). Auch die IAS finden daher aus zeitlichen Gründen auf den Streitfall keine Anwendung.

3. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Hinsichtlich dieser Bestimmung hält der Senat die zutreffende Umsetzung der BiRiLi in nationales Recht für offenkundig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266; Senatsurteil vom 8. November 2000 I R 6/96, BFHE 193, 399, BStBl II 2001, 570). Bei der Anwendung der genannten Vorschrift sind die in nationalen Regelungen festgelegten Voraussetzungen maßgeblich (EuGH-Urteil vom 14. September 1999 C-275/97, EuGHE 1999, I-5331, Rn. 26, 27).

4. a) Mit der Risikounterbeteiligung der Zweigniederlassung ist ein schwebendes Geschäft zu beurteilen. Als schwebendes Geschäft ist ein gegenseitiges Vertragsverhältnis zu behandeln, das zum Bilanzstichtag noch auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtet ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn beide Vertragspartner mit der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung noch nicht begonnen oder einer oder beide Vertragspartner sie erst teilweise erfüllt haben (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.2.). Dabei muss es sich nicht um die Beschaffung oder den Absatz bilanzierungsfähiger Wirtschaftsgüter handeln (Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 249 HGB Rn. 139; Berger/M. Ring in Beck’scher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 249 HGB Rn. 60).

b) Im Streitfall bestand am maßgebenden Bilanzstichtag zum 31. Dezember 1989 eine Verpflichtung der Zweigniederlassung gegenüber der B-Bank fort, für deren Risiko aus der Kreditvergabe an die C in der vereinbarten Höhe einzustehen. Dieser Verpflichtung stand ein Anspruch auf eine später fällige Gegenleistung in Form der vereinbarten Avalprovision gegenüber. Somit lag am Bilanzstichtag des Streitjahres ein schwebendes Geschäft in Form eines Avalkredits (Bankgeschäft in Form eines Garantiegeschäftes i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG, vgl. dazu Birck/Meyer, a.a.O., II 386 f.) vor. Von einem schwebenden Geschäft gehen einvernehmlich auch alle Verfahrensbeteiligten aus. Wegen seiner Entgeltlichkeit begründet der Avalkredit kein bloßes Haftungsverhältnis i.S. des § 251 HGB (Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, 5. Aufl. Stand 2004, § 251 HGB Rn. 66), das lediglich "unter der Bilanz" und damit ohne Auswirkung auf das Ergebnis lediglich "anzugeben" wäre. Der Avalkredit unterliegt vielmehr den allgemeinen Bilanzierungsregeln.

c) Schwebende Geschäfte gelten, da sie auf gegenseitig vereinbarten Leistungsbeziehungen beruhen, regelmäßig als ausgeglichen. In ihrem Rahmen scheidet daher der bilanzielle Ausweis einer einseitigen (ungewissen) Verbindlichkeit grundsätzlich aus (BFH-Beschluss vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735; Senatsurteil vom 27. Juni 2001 I R 11/00, BFHE 195, 567, BStBl II 2001, 758, m.w.N.; Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 5 Rn. 76; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2004, § 5 EStG Rn. 244; Kempermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. B 98 f.). Bilanziell auszuweisen sind im schwebenden Geschäft lediglich einerseits "Erfüllungsrückstände" als Verpflichtungen, die sich als vom Vertragspartner (durch dessen erbrachte Vorleistung) erdiente und am Bilanzstichtag somit rückständige Gegenleistung darstellen (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil in BFHE 195, 567, BStBl II 2001, 758, m.w.N.); ein derartiger Erfüllungsrückstand besteht vorliegend unstreitig nicht. Andererseits sind im schwebenden Geschäft drohende Verluste zu antizipieren und als solche auszuweisen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Letzteres gilt für den Streitzeitraum 1989 vor Einführung des § 5 Abs. 4a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) auch für die Steuerbilanz.

5. a) Ein Verlust i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB droht, wenn und soweit der Wert der vom Kaufmann im schwebenden Geschäft zu erbringenden Leistung den Wert der von ihm zu beanspruchenden Gegenleistung überwiegt (Verpflichtungsüberschuss). Dazu reicht die bloße Möglichkeit eines Verlusteintritts nicht aus, die bei jedem schwebenden Geschäft besteht. Drohen bedeutet vielmehr, dass Anzeichen gegeben sind, die den Eintritt eines Verlusts im konkreten Fall ernsthaft bevorstehend erscheinen lassen (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 249 HGB Rn. 144, § 252 HGB Rn. 74; Berger/M. Ring in Beck'scher Bilanzkommentar, a.a.O., § 249 HGB Rn. 60; Birck/Meyer, a.a.O., V 332). Dabei ist von der Sorgfalt eines gewissenhaften Kaufmanns auszugehen. Eine einseitige übervorsichtige Beurteilung entspricht einerseits nicht dem Sinn einer aussagefähigen Rechnungslegung (Adler/ Düring/Schmaltz, a.a.O., § 252 HGB Rn. 74) und damit auch nicht dem Ziel einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung der Vermögens- und Ertragslage ("true and fair view"). Andererseits widerspricht sie dem Grundsatz des § 253 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz HGB, wonach Rückstellungen ―auch solche für drohende Verluste― nur in Höhe des notwendigen Betrages angesetzt werden dürfen (vgl. dazu auch EuGH-Vorabentscheidung Rz. 112 zu Art. 42 Abs. 1 BiRiLi). Es müssen daher ―nach allgemeinen Grundsätzen der Rückstellungsbildung― mehr Gründe für das Eintreten eines Verlusts sprechen als dagegen (Senatsurteile vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688, m.w.N.; vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; Schreiber in Blümich, a.a.O., § 5 EStG Rn. 855, 796; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. D 108, 131).

b) Der Wert der Leistungsverpflichtung des Kaufmanns aus dem schwebenden Geschäft ist nach den allgemeinen Grundsätzen zur Bewertung von Verbindlichkeiten zu bemessen. Sie ist daher gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz HGB mit dem "Rückzahlungsbetrag" zu bewerten, der bei Verbindlichkeiten, die nicht in der Leistung eines Geldbetrages bestehen, dem voraussichtlichen Erfüllungsbetrag entspricht (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19. August 2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131). Dieser Grundsatz gilt in Ermangelung einer abweichenden Regelung in § 6 EStG auch für die Steuerbilanz. Zum Erfüllungsbetrag einer Verpflichtung zählen die bei ihrer Erfüllung zu erwartenden Aufwendungen auf der Grundlage der Voll- (Selbst-) kosten (daher auch "interner" Kosten, vgl. Birck/Meyer, a.a.O., V 340). Einzubeziehen sind aber nur die tatsächlich zu erwartenden (buchmäßigen) Aufwendungen, nicht hingegen kalkulatorische Kostenbestandteile (BFH-Urteil vom 19. Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56).

c) Schließlich sind die gegenseitig zu erbringenden Leistungen im schwebenden Geschäft einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 249 HGB Rn. 142). Vom Grundsatz der Einzelbewertung darf ―ebenso wie von den anderen in § 252 Abs. 1 HGB kodifizierten allgemeinen Bewertungsgrundsätzen― nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (§ 252 Abs. 2 HGB). In die Bewertung einer Verpflichtung aus dem schwebenden Geschäft können daher nur Aufwendungen einbezogen werden, die durch die Erfüllung der Verpflichtung selbst verursacht sind. Ein "Gesetz der großen Zahl" und damit eine rechnerisch ermittelte Wahrscheinlichkeit kann nur ausnahmsweise (Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 249 HGB Rn. 144; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 EStG Anm. 49 y Rn. 4) berücksichtigt werden, wenn nach ihr und auf der Grundlage objektivierter Erfahrungswerte am Bilanzstichtag ein Verlust im Rahmen des jeweiligen einzelnen Rechtsverhältnisses "wahrscheinlich oder gewiss" (EuGH-Vorabentscheidung Rn. 109) ist. Unter dieser Voraussetzung schließt auch der Grundsatz der Einzelbewertung (Art. 31 Abs. 1 Buchst. e BiRiLi) nicht aus, "dass zur Wahrung der Grundsätze der Vorsicht und des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögenslage eine pauschale Beurteilung aller relevanten Gesichtspunkte die geeignetste Bewertungsmethode darstellt" (EuGH-Vorabentscheidung Rn. 109, 119). Nur insoweit besteht daher ein Schätzungsspielraum entsprechend dem Ermessen des Kaufmanns (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. August 2003 I R 49/02, BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941).

6. Nach diesen Grundsätzen ist der Vorentscheidung nicht zu folgen, wenn sie die von der Zweigniederlassung gebildete Rückstellung für drohende Verluste aus dem Unterbeteiligungsverhältnis gegenüber der B-Bank aufgrund eines sich durch deren Kreditvergabe an die C ergebenden Länderrisikos anerkannt hat.

a) Zwar können auch im Rahmen von Engagements wie Garantien oder schwebenden Geschäften Länderrisiken in Form von Rückstellungen zu berücksichtigen sein (vgl. Birck/Meyer, a.a.O., V 182; § 31 der Verordnung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen ―BAK― über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute ―PrüfbV― vom 17. Dezember 1998). Dabei muss sich jedoch ein Verpflichtungsüberschuss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abzeichnen. Bei dieser Prüfung ist, ―worauf auch das FG hinweist― zu beachten, dass sich die Maßstäbe und Methoden für die Bezifferung eines Risikos und damit des erforderlichen Grades der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts auch nach Ansicht des EuGH vornehmlich nach nationalem Recht richten (EuGH-Urteil in EuGHE 1999, I-5331, Rn. 26, 27; EuGH-Vorabentscheidung Rn. 112), damit nach den nationalen GoB (vgl. Krumnow/Sprißler/ Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, Rechnungslegung der Kreditinstitute, 1994, § 340e HGB, Rn. 256).

b) Die sich aus dieser Unterbeteiligung für die Zweigniederlassung ergebende Verpflichtung ging dahin, für das Risiko der B-Bank aus der Kreditvergabe an die C in der vereinbarten Höhe einzustehen. Der Erfüllungsbetrag dieser Verpflichtung bemisst sich daher nach den voraussichtlichen Aufwendungen zur Abdeckung dieses Risikos. Im Rahmen des schwebenden Geschäfts ist dieser Betrag dem vereinbarten Avalentgelt gegenüberzustellen, das mit 7/8 % p.a. des garantierten Kreditbetrages kalkuliert worden ist.

Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste lägen somit nur vor, wenn eine tatsächliche Inanspruchnahme der Zweigniederlassung aus einem Länderrisiko Chile (betragsmäßig über das vereinbarte Entgelt hinaus) überwiegend wahrscheinlich gewesen wäre. Dieses Erfordernis würde im Streitfall zumindest ein "akutes" oder "direktes" Länderrisiko (vgl. Erläuterung 24 zu § 31 PrüfbV) voraussetzen, das sich nicht aus einem länderübergreifenden "Rating", sondern unmittelbar aus den tatsächlichen oder konkret zu erwartenden politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des chilenischen Staates selbst ergibt.

Ein derartiges Länderrisiko lag nach den Feststellungen des FG (S. 42, 49 der Vorentscheidung) im Streitfall indessen nicht vor. Es wäre ―auch nach Auffassung FG― nur gegeben, wenn anders als im Streitfall der chilenische Staat die Nichterfüllung von Auslandsverbindlichkeiten angekündigt hätte oder entsprechenden Pressemeldungen nicht entgegengetreten wäre. Diese Voraussetzungen hat das FG ausdrücklich verneint.

c) Für die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus dem Avalkredit ist entgegen der Vorentscheidung die Feststellung nicht ausreichend, dass ein Kreditrisiko wie das streitige Länderrisiko lediglich latent vorhanden und nur aufgrund einer übergreifenden "Gesamtbetrachtung sämtlicher Länderrisiken" (S. 49/50 der Vorentscheidung) als wahrscheinlich qualifizierbar war, wobei sich die Wahrscheinlichkeit der Realisierung in den Erfahrungen der Vergangenheit mit anderen "Problemländern" (aufgrund zurückliegender Devisenstopps, Devisenrestriktionen und wiederholter Umschuldungen) zeigt. Insoweit handelt es sich um Risiken, die das zu beurteilende einzelne Länderrisiko nur indirekt betreffen, daher dem allgemeinen Unternehmerwagnis zuzuordnen und ―entsprechend der Behandlung kalkulatorischer Kosten― im Rahmen der Bilanzierung schwebender Geschäfte nicht zu berücksichtigen sind (Lambrecht in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. D 134).

d) Gegen diese Eingrenzung von im Rahmen eines Avalkredits auszuweisenden drohenden Verlusten spricht entgegen der Auffassung des FG nicht, dass Forderungen zum Zwecke ihrer Bewertung zu Gruppen mit gleichartigen Risiken zusammengefasst werden können. Dies gilt zwar nicht nur für die Berücksichtigung von Bonitäts-, sondern auch für Länderrisiken (vgl. Adler/Düring/ Schmaltz, a.a.O., § 253 HGB Rn. 533; Stellungnahme des Bankenfachausschusses ―BFA― des Instituts der Wirtschaftsprüfer ―IDW― 1/1990 zur Bildung von Pauschalwertberichtigungen für das latente Kreditrisiko im Jahresabschluss von Kreditinstituten, Die Wirtschaftsprüfung ―WPg― 1990, 321; Birck/Meyer, a.a.O., V 179, 182; Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/ Kemmer/Steinbrücker, a.a.O., § 340e HGB Rn. 256 ff., 258 betreffend "Ansprüche gegenüber ausländischen Schuldnern"; Schobert, Die steuerliche Betriebsprüfung ―StBp― 1986, 73, 75; Junga/Tussing, StBp 1991, 67). Bei gegenseitigen Geschäften, deren Bilanzierung systematisch einen Verpflichtungsüberschuss im jeweiligen Einzelfall voraussetzt, scheidet eine pauschale Gruppenbewertung mit der Folge einer internen Saldierung von Gewinnen und Verlusten jedoch regelmäßig aus (vgl. Herzig/ Esser, Der Betrieb ―DB― 1985, 1301 f.).

Rechtsgrund für die Anwendung pauschaler Bewertungsverfahren für eine Gruppe kann nur sein, dass die individuelle Ermittlung des Wertes und der Risiken eines einzelnen Bewertungsobjekts unmöglich, schwierig oder unzumutbar erscheint (BFH-Urteil vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359). Unter diesen Voraussetzungen kann es den GoB entsprechen, nicht nur bei einem größeren Forderungsbestand eine pauschale Bewertung vorzunehmen (BFH-Urteile vom 1. April 1958 I 60/57 U, BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291; vom 16. Juli 1981 IV R 89/80, BFHE 134, 27, BStBl II 1981, 766), sondern auch auf der Passivseite der Bilanz wegen vertraglicher oder gesetzlicher Gewährleistungsansprüche eine pauschale Rückstellung zu bilden (BFH-Urteile in BFHE 67, 47, BStBl III 1958, 291; vom 7. Oktober 1982 IV R 39/80, BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104; vom 23. Oktober 1985 I R 230/82, BFH/NV 1986, 490). Bei schwebenden Geschäften setzt eine derartige Gruppenbewertung daher zumindest voraus, dass die einzelnen Elemente angesichts ihres geringen Einzelwerts und nach den Umständen ihrer Begründung einer individuellen Bewertung nicht zugänglich sind (vgl. Schreiber in Blümich, a.a.O., § 5 EStG Rn. 861). Daran fehlt es bei einzeln abgrenzbaren Vertragsverhältnissen wie der streitigen Risikounterbeteiligung der Zweigniederlassung, die sich nicht als Element eines weitgehend gleich strukturierten Bestandes darstellt und damit pauschalen Bewertungsverfahren auch im Hinblick auf ein Länderrisiko nicht zugänglich ist. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Zweigniederlassung vornehmlich auf das Auslandsgeschäft mit Entwicklungsländern spezialisiert hatte.

e) Unabhängig davon kann es allerdings vornehmlich im Bereich der Kreditinstitute ausnahmsweise erforderlich sein, verschiedene Rechtsverhältnisse als sogenannte Bewertungseinheit in die bilanzielle Betrachtung einzubeziehen, wenn im Zuge der Einzelbewertung einzelner Bilanzpositionen Wertveränderungen berücksichtigt würden, die sich gegenläufig neutralisieren (Kompensations- oder Deckungsgeschäfte im Hinblick auf bestehende Währungsrisiken; vgl. dazu etwa die Stellungnahme des BFA des IDW 1/75, WPg 1975, 664; Birck/Meyer, a.a.O., V 336). Ein derartiges Kompensationsgeschäft liegt im Streitfall jedoch erkennbar nicht vor. Im Streitfall ist auch nicht die Frage erheblich, inwieweit in den Saldierungsbereich eines schwebenden Geschäfts neben den gegenseitigen vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüchen auch sonstige Vorteile im Zusammenhang mit den gegenseitigen Leistungsbeziehungen einzubeziehen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735).

7. a) Dem Ausweis der streitigen Rückstellung stehen entgegen der Vorentscheidung auch die Grundsätze zur Berücksichtigung werterhellender Umstände bei der Bilanzierung entgegen. Dies gilt allerdings nicht nur für die streitige Rückstellung für Länderrisiken, sondern gleichermaßen für die von der Zweigniederlassung gleichzeitig gebildete ―bereits vom FA anerkannte― Rückstellung für Bonitätsrisiken in Höhe von 0,42 % des Nennbetrages der Unterbeteiligung Chile. Daher kann der Senat von der Prüfung der Frage absehen, ob diese Rückstellung, nachdem sie von der Klägerin auf der Grundlage eines um den Betrag der Rückstellung für Länderrisiken (mit 25 %) geminderten Nennbetrages bemessen worden ist, nach deren Wegfall entsprechend höher auszuweisen wäre.

b) "Aufhellend" sind bis zum Tag der Bilanzerstellung erlangte Kenntnisse über den Wert ausgewiesener Aktiv- oder Passivpositionen zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 4. April 1973 I R 130/71, BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485; vom 27. April 1965 I 324/62 S, BFHE 82, 445, BStBl III 1965, 409). Dies betrifft nicht nur, wie § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz HGB vermuten lassen könnte, Umstände, die ein Risiko begründen oder erhöhen, sondern auch solche, die die Möglichkeit eines Verlustes mindern oder entfallen lassen (Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 252 HGB Rn. 42; Hense/Geißler in Beck’scher Bilanzkommentar, a.a.O., § 252 HGB Rn. 38; Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 5 Rn. 81; Schreiber in Blümich, a.a.O., § 5 EStG Rn. 279). Wie der Umstand der (teilweisen) Erfüllung einer Forderung nach dem Bilanzstichtag (BFH-Urteil in BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941) kann daher der spätere Wegfall eines Risikos aus einem Avalkredit dessen Bilanzwert bereits zum Bilanzstichtag aufhellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485). Dabei handelt es sich nicht um einen bloßen "wertbeeinflussenden" oder "wertbegründenden" Umstand (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1991 VIII R 64/86, BFH/NV 1992, 449) des nachfolgenden Geschäftsjahres. Der Wertermittlung zum Bilanzstichtag zugrunde zu legen ist er allerdings nur, wenn er spätestens am Tag der Bilanzerstellung erkennbar geworden ist (BFH-Urteil in BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941).

c) Tag der Bilanzerstellung war unstreitig der 23. März 1990, an dem der Jahresabschluss der Zweigniederlassung für das Streitjahr 1989 aufgestellt und unterschrieben worden ist. Der im Streitjahr 1989 von der B-Bank an die C zunächst ausgeliehene Kredit über 20 Mio. US-$ war fristgemäß bereits am 5. Februar 1990, damit ca. sieben Wochen vor dem bezeichneten Tag der Bilanzerstellung, zurückgezahlt worden; am 8. Februar 1990 überwies die B-Bank das vereinbarte Avalentgelt. Dieser Umstand der pünktlichen Rückzahlung ist geeignet, sowohl ein Länder- als auch ein Bonitätsrisiko der Zweigniederlassung aus der Unterbeteiligung an der fraglichen Kreditvergabe "wertaufhellend" bereits zum Bilanzstichtag zum 31. Dezember 1989 zu verneinen. Dies gilt nicht nur für den am 5. Februar 1990 zurückgezahlten Betrag von 20 Mio. US-$, sondern auch für den am 27. April 1990 (damit ca. einen Monat nach dem Tage der Bilanzerstellung) zurückgezahlten restlichen Teilbetrag von 10 Mio. US-$. Denn die fristgerechte Rückzahlung des größeren Teilbetrages des Kredits lässt aus der Sicht des Tages der Bilanzerstellung ein jedenfalls hinreichend wahrscheinliches Risiko für den gesamten Avalkredit bereits zum Bilanzstichtag objektiv entfallen.

d) Dieser Auffassung des Senats steht die EuGH-Vorabentscheidung zur Auslegung des Art. 31 Abs. 1 Buchst. c bb BiRiLi nicht entgegen. Zwar wird dort unter Rn. 124, worauf das FG ausschließlich abstellt, darauf verwiesen, dass die Rückzahlung eines Kredits nach dem Bilanzstichtag sich nicht tatsächlich auf das fragliche Geschäftsjahr beziehe. Daher stelle dieser Vorgang keine Tatsache dar, die eine rückwirkende Neubewertung der sich auf diesen Kredit beziehenden Rückstellung "erfordere" (vgl. ebenfalls Rn. 126 Satz 1). Dennoch "verlangt der Grundsatz des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes, dass an irgend einer Stelle im Jahresabschluss der Wegfall oder die Verringerung eines Risikos erwähnt wird" (Rn. 125 Sätze 1 und 2, vgl. ebenfalls Rn. 126 Satz 2). Hierbei sei "die geeignetste Methode der Aufnahme dieser Angabe in den Jahresabschluss … nach nationalem Recht zu bestimmen" (Rn. 125 Satz 3). Diese Aussage folgt dem Grundsatz, dass der EuGH für die Anwendung von Gemeinschaftsrecht auf den jeweiligen Sachverhalt nicht zuständig ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 28. März 1979 Rs. 222/78, EuGHE 1979, 1163, Rn. 10-12; vom 18. Oktober 1990 Rs. C-297/88, C-197/89, EuGHE 1990, I-3763, Rn. 38). Umso mehr ist die Anwendung nationalen Rechts Sache der nationalen Gerichte (Senatsurteil in BFHE 193, 399, BStBl II 2001, 570, m.w.N.).

Als Methode der Berücksichtigung des Wegfalls eines Risikos muss daher auch nach Auffassung des EuGH die Anwendung der bestehenden Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung werterhellender Umstände auf der Grundlage des § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz HGB zulässig sein. Hinsichtlich dieser Bestimmung ist die zutreffende Umsetzung des (nahezu wortgleichen) Art. 31 Abs. 1 Buchst. c bb BiRiLi offensichtlich.

e) Dem FG kann auch nicht gefolgt werden, wenn es anstelle des Tages der Bilanzaufstellung am 23. März 1990 auf den Zeitpunkt der vorbereitenden Bewertung der betreffenden Bilanzpositionen oder Sachgruppen im Januar 1990 abstellt. Für die "aufhellende" Bewertung der auszuweisenden Bilanzpositionen ist grundsätzlich das Ende der Bilanzerstellung und damit der Tag maßgebend, an dem der Abschluss durch das hierfür zuständige Organ unterzeichnet wird (Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 6 Rdnr. A 136). Zwar kann als vertretbar angesehen werden, bei relativ unbedeutenden Risiken auf einen früheren Zeitpunkt als den Tag der Bilanzerstellung abzustellen, um diese Bilanzpositionen nicht bis zu diesem Tag fortlaufend überprüfen zu müssen. Ein solches Vorgehen kann aber nur gerechtfertigt sein, wenn Risiken zu beurteilen sind, die lediglich einen unerheblichen Einfluss auf die Ertrags- und Vermögenslage des Unternehmens haben (vgl. dazu insgesamt Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 252 HGB Rn. 77; Hense/Geißler in Beck’scher Bilanzkommentar, a.a.O., § 252 HGB Rn. 39; einschränkend Stobbe in Herrmann/ Heuer/Raupach, a.a.O., § 6 EStG Anm. 83). Davon kann ―wie das FA zutreffend ausführt― vorliegend aber nicht ausgegangen werden, nachdem sich die Unterbeteiligung der Zweigniederlassung an der Kreditvergabe zugunsten der C (als einzelner Avalkredit) auf ca. 2,55 Mio. DM und damit etwa 6 % ihrer Bilanzsumme und 3,5 % ihres gesamten Kreditrisikos einschließlich der unter dem Strich vermerkten Eventualverbindlichkeiten belief. Mit 25 % dieser Ausgangsgröße kann daher auch die von der Zweigniederlassung gebildete streitige Rückstellung keinen lediglich unerheblichen Einfluss auf die Ertrags- und Vermögenslage der Zweigniederlassung haben.

8. Nach alledem war dem Revisionsantrag des FA zu entsprechen; die Vorentscheidung war aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1301165

BFH/NV 2005, 421

BStBl II 2009, 100

BFHE 2005, 116

BFHE 208, 116

BB 2005, 313

BB 2005, 483

DB 2005, 311

DB 2007, 27

DStR 2005, 238

DStRE 2005, 240

DStZ 2005, 93

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