Leitsatz (amtlich)

1. Die Anerkennung religiöser Zwecke im Sinne des § 10b EStG setzt nicht voraus, daß die Förderung der Religion gemeinnützig ist.

2. Zuwendungen an eine in § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (§ 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV) sind nur abzugsfähig, wenn die Empfängerin tatsächlich von der Körperschaftsteuer befreit ist. Das Veranlagungs-FA des Zuwendenden ist an die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung durch das Betriebs-FA der Empfängerin gebunden.

 

Normenkette

EStG § 10b; EStDV § 48 Abs. 1, 3; StAnpG § 17

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Mitglied der "Altbuddhistischen Gemeinde" (A-Gemeinde). Zweck der Vereinigung ist

a) ein Zusammenschluß aller Menschen, die sich zur ursprünglichen Lehre des Buddha bekennen und willens sind, ihr nach Maßgabe der vom Buddha aufgestellten Sittenlehren für weltliche Anhänger nachzuleben,

b) die Förderung des Verständnisses der Buddhalehre und

c) das Wirken für die Verbreitung der Lehre.

Diesen Zweck sucht die A-Gemeinde durch die Errichtung altbuddhistischer Zirkel, die Herausgabe von Schriften sowie die Abhaltung von Vorträgen und Lehrkursen, Anleitungen zu Meditationen und die Errichtung von Büchereien zu erreichen. Die A-Gemeinde war im Streitjahr nicht als gemeinnützig (§§ 17 f. StAnpG) anerkannt (vgl. auch das rechtskräftige Urteil des FG München vom 20. September 1955 I 64/55).

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte bei der Einkommensteuerveranlagung 1963 die von der Klägerin geltend gemachten Zuwendungen von 3 300 DM an die A-Gemeinde nicht als Sonderausgaben an.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG statt. Es führte im wesentlichen aus: Der Abzug als Kirchensteuer scheide zwar aus, weil die A-Gemeinde keine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Die Zuwendungen seien jedoch als Spenden zur Förderung religiöser Zwecke berücksichtigungsfähig. Daß der Buddhismus - auch in seiner Ausprägung als Altbuddhismus - eine Religion sei, könne nicht zweifelhaft sein. Für das Gebiet des Steuerrechts sei ein Unterschied zwischen den einzelnen Religionen grundsätzlich nicht zu machen (vgl. Urteil des BFH vom 6. Juni 1951 III 69/51 U, BFHE 55, 376, BStBl III 1951, 148). Eine unterschiedliche Behandlung von Zuwendungen an religiöse Vereinigungen zur Förderung ihrer Zwecke wäre im Hinblick auf die Art. 4 Abs. 1 und 9 Abs. 1 GG auch höchst bedenklich. Die Frage der Anerkennung der Gemeinnützigkeit der A-Gemeinde spiele für den Streitfall keine Rolle, wie sich aus dem Wortlaut des § 10b EStG ergebe. Es sei zwar keine Förderung kirchlicher, aber jedenfalls eine Förderung religiöser Zwecke durch die A-Gemeinde gegeben. Es beständen keine Bedenken, alle Ausgaben der A-Gemeinde im Streitjahr als mit ihrer religiösen Zielsetzung in unmittelbarem Zusammenhang stehend anzuerkennen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von Bundesrecht. Es trägt vor: Das FG habe das Merkmal "zur Förderung religiöser Zwecke" in § 10b EStG extrem weit ausgelegt. § 48 Abs. 1 EStDV verweise für die Begriffe gemeinnützige, mildtätige, kirchliche, religiöse und wissenschaftliche Zwecke auf die §§ 17 bis 19 StAnpG. Die §§ 18 und 19 StAnpG seien im Streitfall nicht einschlägig. § 17 StAnpG erfordere aber eine ausschließliche und unmittelbare Förderung der Allgemeinheit. Auch das BFH-Urteil III 69/51 U setze für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Vereinigung mit religiösen Zielen voraus, daß sich ihre religiöse Zielsetzung nicht in der Einwirkung auf die Mitglieder erschöpfe, sondern darüber hinaus auch die Allgemeinheit ansprechen wolle. Die A-Gemeinde erfülle auch nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStDV, da sie weder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts noch gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreit sei.

Das FA beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Nach § 10b EStG 1961 sind Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke in gewissem Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig. Für die Begriffsbestimmung der gemeinnützigen, mildtätigen, kirchlichen, religiösen und wissenschaftlichen Zwecke verweist § 48 Abs. 1 EStDV auf die §§ 17 bis 19 StAnpG und die Gemeinnützigkeitsverordnung. In den genannten Bestimmungen werden die Begriffe gemeinnützig (§ 17 StAnpG), mildtätig (§ 18 StAnpG) und kirchlich (§ 19 StAnpG) definiert. Die Begriffe religiös und wissenschaftlich werden nur insoweit angesprochen, als nach § 17 Abs. 3 StAnpG die Förderung der Wissenschaft und Religion unter bestimmten Voraussetzungen als gemeinnützig anzuerkennen ist. Daraus kann indessen nicht hergeleitet werden, daß religiöse Zwecke nur dann anerkannt werden können, wenn sie die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen. § 48 Abs. 1 EStDV ist eine Durchführungsverordnung. Sie beruht auf § 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG. Würde man religiöse Zwecke nur dann anerkennen, wenn sie gleichzeitig gemeinnützig sind, so wäre dies eine mit dem Charakter einer Durchführungsverordnung nicht zu vereinbarende Verschärfung des Gesetzes; denn in § 10b EStG hat der Gesetzgeber die als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke neben die religiösen Zwecke gestellt. Etwas anderes kann auch nicht dem Urteil des BFH III 69/51 U entnommen werden. Es ging in jener Entscheidung um die Befreiung von der Vermögensteuer. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 VStG ist die Erfüllung religiöser Zwecke kein Befreiungsgrund; denn religiöse Zwecke sind dort nur im Rahmen der kirchlichen oder gemeinnützigen Zwecke berücksichtigungsfähig.

Im Streitfall konnte das FG zwar ohne Prüfung der Gemeinnützigkeit die religiösen Zwecke der A-Gemeinde anerkennen; seine Entscheidung ist jedoch aus einem anderen Grund rechtsfehlerhaft. Nach § 48 Abs. 3 EStDV 1961 muß der Empfänger der nach § 10b EStG begünstigten Zuwendungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, eine öffentliche Dienststelle oder eine in § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG bezeichnete Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein. § 48 Abs. 3 EStDV beruht auf der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2c EStG. Danach ist die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates den Abzug von Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i. S. des § 10b EStG auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen Vorschriften durch Rechtsverordnung zu beschränken. Gegen die Rechtsgültigkeit des § 48 Abs. 3 EStDV hat der Senat keine Bedenken. Die Ermächtigung ist genügend bestimmt i. S. von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; denn sie umschreibt Inhalt, Zweck und Ausmaß der zu erlassenden Verordnung (Urteil des BVerfG vom 15. Dezember 1959 2 BvL 73/58, BVerfGE 10, 251). Dem Inhalt nach wurde die Bundesregierung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über den Kreis der Spendenempfänger i. S. des § 10b EStG ermächtigt. Bezweckt wurde die Beschränkung des Abzugs auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen. Das Ausmaß der Beschränkung ergibt sich schließlich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begrenzung, daß nur Zuwendungen an bestimmte Empfänger abzugsfähig sein sollen. Dies ist ausreichend.

Die A-Gemeinde ist weder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts noch eine öffentliche Dienststelle. Sie erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV; denn nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen. Unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, so sind sie insoweit steuerpflichtig. Die Bezugnahme dieser Bestimmung bedeutet, daß ein Spendenabzug nur dann in Betracht kommt, wenn der Empfänger die Voraussetzungen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer erfüllt. Sie ist dahin zu verstehen, daß der Empfänger aus den genannten Gründen tatsächlich von der Körperschaftsteuer befreit ist. Zwar hat der III. Senat des BFH in einem Rechtsstreit betreffend die Befreiung von Soforthilfeabgabe (SHA) eines für die Körperschaftsteuer als gemeinnützig anerkannten Unternehmens entschieden, daß die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ein deklaratorischer Akt sei, der grundsätzlich für jede Steuerart und bei jedem neuen Steuerabschnitt oder Stichtag überprüft werden müsse (Urteil vom 11. August 1961 III 91/53, StRK, Steueranpassungsgesetz, § 17, Rechtsspruch 11). Im SHA-Recht fehlt jedoch eine dem § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV entsprechende Bestimmung, die auf § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG verweist. Daß diese Verweisung in § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV die Bedeutung einer Bindung an die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung haben muß, ergibt sich daraus, daß andernfalls - bei Überprüfung der Voraussetzungen für die Körperschaftsteuerbefreiung des Empfängers im Veranlagungsverfahren des Spenders - Spenden an denselben Empfänger einkommensteuerlich unter Umständen unterschiedlich behandelt werden könnten. Dies widerspräche dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Der Bindung an die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung steht nicht entgegen, daß diese für jeden Veranlagungszeitraum erneut überprüft werden muß. Maßgeblich für den Abzug beim Spender ist also, daß der Empfänger für den Veranlagungszeitraum, in dem die Zuwendung steuerlich begünstigt werden soll, von der Körperschaftsteuer tatsächlich befreit ist.

Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 1. April 1960 VI 134/58 U (BFHE 70, 621, BStBl III 1960, 231). Zwar hat der Senat darin ausgesprochen, daß über die Frage, ob eine Ausgabe nach § 10b EStG steuerbegünstigt sei, im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Gebers selbständig zu entscheiden sei. Zu der hier einschlägigen Problematik, ob eine Bindung des Veranlagungs-FA an die Beurteilung des Betriebs-FA des Spendenempfängers im Rahmen des § 48 Abs. 3 Nr. 2 EStDV zu bejahen ist, hat der erkennende Senat dabei jedoch nicht Stellung genommen. Es ging in dem damaligen Rechtsstreit um den Begriff der Ausgaben i. S. von § 10b EStG, wobei der Senat herausstellte, daß - unabhängig von der Gemeinnützigkeit des Empfängers - der Abzug dann nicht in Betracht komme, wenn zwischen Geber und Empfänger ein Leistungsaustausch stattgefunden habe.

Da die A-Gemeinde für das Streitjahr nicht von der Körperschaftsteuer befreit war, durften die Zuwendungen der Klägerin an sie nicht als Spenden abgezogen werden.

Als Kirchensteuer i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG können die streitigen Zuwendungen auch nicht berücksichtigt werden, denn der Abzug als Kirchensteuer setzt u. a. voraus, daß die empfangende Religionsgemeinschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 6 Weimarer Verfassung; vgl. Urteil des Senats vom 7. Oktober 1960 VI 156/60, StRK, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 5, Rechtsspruch 3). Eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG auf den Streitfall kommt nicht in Betracht, da es bereits an einer Lücke im Gesetz fehlt. Der Gesetzgeber hat nämlich für freiwillige Zuwendungen an Religionsgemeinschaften eine eigene Regelung in § 10b EStG geschaffen. Im übrigen besteht auch zwischen der Kirchensteuer, deren Leistung auf Gesetz beruht, und freiwilligen Zuwendungen der vorliegenden Art keine Ähnlichkeit, die eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG rechtfertigen könnte. Die Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder schließlich (in Bayern Entschließungen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 12. August 1952 S 2120-65/64-61154, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1952 S. 889) über den Abzug von freiwilligen Beiträgen an Religionsgemeinschaften, die in einem Land des Bundesgebiets als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind - wozu die A-Gemeinde übrigens nicht gehört -, können zu keiner anderen Beurteilung führen. Der Senat kann es offenlassen, ob die Erlasse mit dem Gleichheitssatz vereinbar sind. Es handelt sich dabei um Verwaltungsanweisungen, die dem Steuerpflichtigen jedenfalls keinen ihm kraft Gesetzes nicht zustehenden Rechtsanspruch geben (BFH-Urteil vom 22. November 1957 VI 72/56 U, BFHE 66, 111, BStBl III 1958, 44).

Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70612

BStBl II 1973, 850

BFHE 1974, 112

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