Leitsatz (amtlich)

Die Genehmigung der Landesverkehrsbehörde zum Güterfernverkehr oder Bezirks-Güterfernverkehr ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt. An ihn sind die Finanzbehörden gebunden, auch wenn sie davon ausgehen, daß wegen eines Scheinsachverhalts die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nicht gegeben gewesen sind. Auch wer den verkehrsmäßigen Beschränkungen des § 13 Abs. 2 GüKG zuwiderhandelt, betreibt genehmigten Güterfernverkehr.

 

Normenkette

GüKG § 8 Abs. 1, § 8/3, § 14/1, § 13 Abs. 1-2, § 99 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine Speditionsgesellschaft, hatte vom zuständigen Regierungspräsidenten die Genehmigung zum Bezirks-Güterfernverkehr (GFV) mit jeweils einem Lkw, und zwar: zunächst vom Standort S aus für den Lkw ... 32 - 6196; ab 27. Januar 1956 vom Standort E aus für den Lkw ... 23 - 5813 sowie ab 5. April 1956 vom Standort R aus nacheinander für die Lkw's ... 28 - 6646 - und ... A 222. Jede der Genehmigungsurkunden enthielt den Zusatz, daß die Genehmigung nur innerhalb eines Umkreises von höchstens 150 km, gerechnet vom Standort des Kraftfahrzeuges aus, gelte.

Das Finanzamt als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion (FA) setzte mit Bescheid vom 23. Oktober 1957 für das Jahr 1956 Beförderungsteuer in Höhe von 15.583,60 DM fest. In Höhe von 10.103 DM beruhte diese Festsetzung auf den Feststellungen einer Beförderungsteuerprüfung im Juni 1957, auf Grund derer das FA einen Teil der Beförderungen als nicht genehmigten GFV ansah und entgegen den Vorauszahlungen gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG je Tonnenkilometer besteuerte.

Folgendes hatte die Betriebsprüfung festgestellt:

Die Voraussetzungen für den Standort des Lkw ... 23 - 5813 sind in E nicht erfüllt; desgleichen fehlen die Voraussetzungen für einen Standort der Lkw's ... 28 - 6646 und ... A 222 in R.

Der Lkw ... 32 - 6196 hat die Bezirkszone des Standorts S und der Lkw ... 23 - 5813 die Bezirkszone des Standorts E überschritten.

... Die Sprungberufung gegen die Steuerfestsetzung in Höhe von 10.103,60 DM hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) haben die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezirks-GFV mit Standorten in E und R bei Erteilung der Genehmigung nicht vorgelegen. Es führte aus: Die Stpfl. habe von der erteilten Bezirks-Güterfernverkehrsgenehmigung auch nicht im gesetzlich möglichen Rahmen Gebrauch gemacht; die Beförderungen hätten nie von E und R ihren Ausgang genommen und dort ihr Ende gefunden, sondern stets von und in S. Somit liege ein Scheintatbestand vor. Eine gültige Bezirks-Güterfernverkehrsgenehmigung für die Standorte E und R sei der Stpfl. nicht erteilt worden. Hinsichtlich der mit den Lkw's ... 23 - 5813 bzw. ... 28 - 6646 durchgeführten Güterbeförderungen liege nicht genehmigter GFV vor. Ob die 150 km-Begrenzung überschritten sei, sei deshalb unerheblich.

Mit der Rb. macht die Stpfl. geltend, die Finanzbehörden seien an den rechtsgestaltenden Verwaltungsakt der Genehmigung zum Bezirks-GFV gebunden gewesen; sie hätten nicht selbst prüfen können, ob die Genehmigung zum Bezirks-GFV ab Standort E oder R zu Recht oder zu Unrecht erteilt worden sei. Diese Befugnis ergebe sich auch nicht aus der Annahme eines Scheintatbestandes. Sie habe die Genehmigung auch nicht erschlichen. Hilfsweise mache sie geltend, daß kein ungenehmigter GFV vorliege, wenn die Bezirksgrenze überschritten sei.

 

Entscheidungsgründe

Die seit dem 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. ist zulässig und begründet.

Das angefochtene Urteil war überwiegend wegen Rechtsirrtums, sodann wegen mangelnder Sachaufklärung gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Auf die Güterbeförderungen der Stpfl., die sich im Rahmen der Genehmigungen für den Bezirks-GFV halten, sei es vom Standort E oder vom Standort R aus, ist der Beförderungsteuersatz des § 11 Abs. 1 Nr. 2 a BefStG anzuwenden. Zu Unrecht haben das FA und das FG den Steuersatz des § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG, der für nicht genehmigten GFV gilt, angewandt. Ob GFV genehmigt ist oder nicht, entscheidet nicht die Finanzbehörde, sondern gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 14 Abs. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) erteilt die Genehmigung für den GFV diejenige höhere Landesbehörde, in deren Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat. Welche Behörde höhere Landesbehörde ist, bestimmt sich nach Landesrecht. Regelmäßig handelt es sich um den Regierungspräsidenten.

Die Genehmigung des Regierungspräsidenten zum GFV oder zum Bezirks-GFV ist ein rechtsbegründender Verwaltungsakt einer Verkehrsbehörde.

An rechtsbegründende Verwaltungsakte der Verkehrsbehörden sind die Finanzbehörden gebunden, soweit die Entscheidungen den Verkehrsbehörden gesetzlich vorbehalten sind; diesen Vorbehalt enthält § 14 Abs. 1 GüK.

Die Bindungswirkung besagt, daß die Finanzbehörde bei der Besteuerung von der Rechtslage auszugehen hat, die die Verkehrsbehörde geschaffen hat. Ob die Finanzbehörde die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für gegeben hält, ist unerheblich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 5/58 U vom 3. September 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 70 S. 610 - BFH 70, 610 - BStBl III 1960, 228).

Dies gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn die Finanzbehörde der Auffassung ist, der Stpfl. habe einen "Scheintatbestand" im Sinn des § 5 GüKG (richtig: Scheinsachverhalt, vgl. Urteil des Senats II 114/62 U vom 10. Februar 1965, BFH 81, 604, BStBl III 1965, 218; Mattern, Der Betriebs-Berater - BB - 1965 S. 622) geschaffen.

Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH entschieden, daß die Finanzbehörden an die Standortbestimmung der Verkehrsbehörde für den Werkverkehr nach §§ 6 Abs. 1, 51 Abs. 1 GüKG gebunden sind, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall in Wirklichkeit ein Scheinsachverhalt vorgelegen habe. Ob § 5 GüKG eingreife, habe die Verkehrsbehörde vor Bestimmung des Standortes und vor Ausstellung der Standortbescheinigung zu prüfen (Urteil des BFH II 20/60 U vom 24. Juli 1963, BFH 77, 209, BStBl III 1963, 396).

Zur Bestätigung und Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BFH in der Folgezeit entschieden, daß es auch hinsichtlich der Standortbestimmung im Güternahverkehr gemäß § 6 Abs. 1 i. V. mit Abs. 2 GüKG unerheblich sei, ob die Finanzbehörden meinen, daß ein Scheinsachverhalt im Sinn des § 5 GüKG vorliege (vgl. Urteile II 23/61 vom 10. Juni 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 282; II 64/63 vom 29. Juli 1964, HFR 1964 S. 449; II 51/61 vom 3. Februar 1965, HFR 1965 S. 201; II 114/62 U vom 10. Februar 1965, a. a. O.).

Auch an die Genehmigung zum Bezirks-GFV ist die Finanzbehörde gebunden, selbst wenn sie meint, daß hinsichtlich des Standortes ein Scheinsachverhalt im Sinn des § 5 GüKG vorliege. Dies ergibt sich aus der rechtsgestaltenden Wirkung der Genehmigung. Wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung nicht gegeben waren, ist zur Rücknahme der Genehmigung gemäß § 78 GüKG nur die Genehmigungsbehörde zuständig.

Außerdem enthält die Genehmigung eine Standortbestimmung der Verkehrsbehörde. Die Genehmigung zum GFV muß gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 GüKG die Angabe des Standortes enthalten. Die Eintragung des Standortes in die Genehmigungsurkunde ist die Standortbestimmung im GFV; sie entspricht in ihrer Rechtsgestaltenden Natur der amtlichen Standortbestimmung gemäß § 6 Abs. 1, § 51 Abs. 1 GüKG oder § 6 Abs. 2 i. V. mit Abs. 1 GüKG für den Werkverkehr bzw. Güternahverkehr.

Auf die Güterbeförderungen des Stpfl., die die Bezirkszone von den Standorten S und E aus überschritten, ist ebenfalls der Steuersatz für den genehmigten GFV gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a BefStG anzuwenden. Gemäß § 13 Abs. 2 GüKG ist die Genehmigung zum Bezirks-GFV eine Genehmigung zum GFV, die mit der Beschränkung auf den Umkreis von 150 km, gerechnet vom Standort der Kraftfahrzeuge aus, erteilt worden ist. Aus § 13 Abs. 2 GüKG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GüKG folgt, daß es sich dabei um eine verkehrsmäßige Beschränkung handelt. Wer eine solche im Einzelfall nicht einhält, handelt zwar einer räumlichen Beschränkung zuwider, die die zuständige Landesverkehrsbehörde bei Erteilung der Genehmigung angeordnet hat; er betreibt aber nicht ungenehmigten, sondern genehmigten GFV. Die Fernverkehrsgenehmigung gilt grundsätzlich für das ganze "Reich" (§ 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 26. Juni 1935 - RGBl I S. 788 - ist gemäß § 104 Abs. 2 Nr. 1 GüKG in Kraft geblieben). Die räumliche Einschränkung auf einen Bezirk von nur 150 km Umkreis ist eine abgewandelte Genehmigung, deren Nichteinhaltung den Rechtscharakter des genehmigten GFV nicht verändert (so im Ergebnis auch Oberlandesgericht Hamm Beschluß 3 Ws 366/56 vom 9. Oktober 1956 in Verkehrsrechts-Sammlung Bd. 12 S. 73 = abgekürzt in BB 1957 S. 135; Erlaß des Bundesministers der Finanzen IV A/4 S 6720 - 4/57 vom 28. Mai 1957 in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B 1957 S. 503).

Das GüKG setzt die Zuwiderhandlung gegen eine verkehrsmäßige Beschränkung der Genehmigung dem Betreiben von ungenehmigtem GFV nicht gleich, sondern behandelt diese beiden Tatbestände in zwei gesonderten Vorschriften, nämlich in § 99 Abs. 1 Nr. 1 und in § 99 Abs. 1 Nr. 3 GüKG. Daraus folgt ebenfalls, daß der Verstoß gegen die verkehrsmäßige Beschränkung des § 13 Abs. 2 GüKG die Beförderung nicht zum ungenehmigten GFV macht (vgl. Balfanz, Kommentar zum Güterkraftverkehrsgesetz, § 99 Anm. 4; Hein- Eichhoff-Pukall-Krien, Kommentar zum Güterkraftverkehrsgesetz, § 99 Anm. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412156

BStBl III 1966, 576

BFHE 1966, 665

BFHE 86, 665

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