Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird nach § 38 EStDV 1950 bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit ein Pauschbetrag für Betriebsausgaben abgesetzt, so sind die buchmäßigen Entnahmen um den gleichen Betrag zu mindern.

 

Normenkette

EStG § 10a; EStDV § 38; EStG § 18/4; AO § 215 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Frage, ob eine Wechselbeziehung zwischen § 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 und § 38 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 dergestalt besteht, daß der nach § 38 EStDV 1950 zusätzlich als abzugsfähige Betriebsausgabe anerkannte Betrag im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) bei der Feststellung der Entnahmen berücksichtigt werden muß.

Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) bilden als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater eine Arbeitsgemeinschaft. Sie ermitteln ihren Gewinn bilanzmäßig. Ihre Buchführung ist als ordnungsgemäß anerkannt. Sie haben für 1950 einen Gewinn von 37.711 DM ausgewiesen und diesen unter Inanspruchnahme der Vergünstigung aus § 38 EStDV 1950 um 2 x 1.200 DM = 2.400 DM gekürzt. An dem Ergebnis sind beide im Verhältnis 2/3 zu 1/3 beteiligt.

Das Finanzamt hat bei der einheitlichen Gewinnfeststellung den Gewinn auf 37.711 DM festgestellt. Bei der Errechnung der Gewinnanteile hat es sodann 2.400 DM in Abzug gebracht. Die Entnahmen hat das Finanzamt mit 18.809 DM bzw. 13.352 DM in den Bescheid eingesetzt.

Die Stpfl. haben wegen der Feststellung der Höhe der Entnahmen den Bescheid angegriffen. Sie sind der Meinung, daß die Ziffern nicht unverändert aus ihrer Buchhaltung übernommen werden dürfen, sondern die Entnahmen um den nach § 38 EStDV 1950 bei der Gewinnermittlung anerkannten Betrag gekürzt werden müssen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht hat sich in der Sache selbst der Auffassung der Stpfl. angeschlossen, die Auswirkung der Anerkennung als Betriebsausgabe auf die Entnahmen jedoch in das Verfahren der Einkommensteuerveranlagung der Beteiligten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen hat der Vorsteher des Finanzamts Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Sie führt wegen der formalen Behandlung zur Aufhebung der Entscheidung.

Es kann dahingestellt bleiben, aus welchen Motiven die Vergünstigung aus § 38 EStDV 1950 gewährt worden ist, insbesondere, ob sie - wie die Stpfl. glauben - bezweckt, den Angehörigen der freien Berufe einen Ausgleich dafür zu gewähren, daß sich bei ihnen infolge des Fehlens abschreibungsfähiger Wirtschaftsgüter die Höhe der tariflichen Steuer in voller Härte auswirkt. Entscheidend ist allein die Form, in der die Vergünstigung gewährt wird. Auf die Stellung des § 38 EStDV 1950 im System kommt es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht an.

Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich - wie das Finanzamt selbst in der Einspruchsentscheidung ausgeführt hat - um eine Gewinnermittlungsvorschrift des Inhalts, daß zur Abgeltung des den freien Berufen entstehenden Aufwands, der im einzelnen nicht immer nachgewiesen und dessen Abgrenzung gegenüber Aufwendungen der privaten Sphäre ohne häufig kleinliche und verbitternde Nachprüfung nicht vorgenommen werden kann, ein Pauschalbetrag für Betriebsausgaben ohne Nachprüfung anerkannt wird. Es sollen 5 v. H. der Einnahmen unter den besonderen Voraussetzungen des § 38 EStDV 1950 zusätzlich als Betriebsausgaben gelten. Bei der Beteiligung mehrerer hat eine Aufteilung des Pauschalbetrages nach den Anteilen zu erfolgen (vgl. Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1950 Abschn. 154). Unter Einnahmen sind die Bruttoeinnahmen zu verstehen (die Richtlinien bezeichnen sie als die Betriebseinnahmen). Im vorliegenden Falle würde bei der Höhe derselben unter der Voraussetzung, daß die Einkünfte aus freier Berufstätigkeit die sonstigen Einkünfte überwiegen, jedem der beiden Stpfl. der volle Pauschbetrag zustehen. Es ist zu gewähren, auch wenn im übrigen Bücher ordnungsgemäß geführt werden ( § 38 am Ende). Ob der in Anspruch genommene Betrag bei der Aufstellung der Bilanz oder außerhalb derselben geltend gemacht wird, kann keinen Unterschied machen.

Aus dieser Rechtslage hat das Finanzgericht eine Wechselwirkung zwischen Gewinn und Höhe der Entnahme - § 38 EStDV 1950 und § 10 a EStG 1950 - mit Recht gefolgert. Wenn es (auf S. 8 des Urteils) ausführt:

"In diesem Falle kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Entnahmen sich um den gleichen Pauschbetrag mindern, weil bei ordnungsmäßiger Buchführung die nachweisbaren Betriebsausgaben restlos erfaßt werden und die nicht nachweisbaren Betriebsausgaben nur aus den Entnahmen gezahlt sein können", so stimmt der Senat dem zu.

Alle Ausgaben, die zu Lasten des Betriebs getätigt sind, müssen der Kasse entnommen sein. Sie gliedern sich in

Aufwendungen für Anschaffungen, die aktivierungspflichtig sind,

Aufwendungen für Spesen (im weitesten Sinne), die die Verlust- und Gewinnrechnung belasten,

Entnahmen für private Zwecke. Wenn die Buchführung als ordnungsgemäß anerkannt ist - und das ist hier nach der Einspruchsentscheidung der Fall -, werden weder gegen die Höhe des Kassenbestandes noch gegen die die Ausgänge aus der Kasse festhaltenden Belege Bedenken erhoben. Läßt nun der Gesetzgeber zu, daß Ausgänge aus der Kasse unter Verzicht auf Beleg und Nachweis als im Interesse des Betriebs getätigt anerkannt werden, dann müssen zwangsläufig diese - mehr oder weniger fiktiven - Betriebsausgaben, die in der Buchhaltung keinen Niederschlag gefunden haben, in den übrigen Kassenbelegen - es kommen nur die Belege für die Privatentnahmen in Betracht - enthalten sein. Das Gesetz sieht die Sache so an, als habe der Betrieb für echte Betriebsausgaben Aufwendungen gehabt, die er bei der Schwierigkeit der Bezifferung im einzelnen und der Abgrenzung gegenüber den privaten Ausgaben nicht anders als unter den Privatentnahmen habe unterbringen können und die er unter dem Schutz des § 38 EStDV 1950 so behandeln darf, als wären die Ausgaben nachgewiesen und offen dem Spesenkonto belastet. Dann haben die Stpfl. recht, wenn sie meinen, die Pauschalbeträge müssen steuerlich das Entnahmekonto genau so mindern, wie als Spesen verbuchte Spenden, die das Finanzamt der privaten Sphäre zuweist, die ausgewiesenen Entnahmen erhöhen.

Handelt es sich nach Vorstehendem um eine Ermittlungsvorschrift und beeinflußt das Pauschale in gleicher Weise Gewinn wie Entnahme, dann kann die Aufspaltung, wie sie das Finanzgericht vorgenommen hat, nicht gebilligt werden. Dann muß die volle Auswertung der Vergünstigung aus § 38 EStDV 1950 im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren erfolgen. Daß das Betriebs-Finanzamt vor der von ihm zu treffenden Entscheidung wegen der sonstigen Einkünfte jedes Beteiligten Ermittlungen bei dem Wohnsitz-Finanzamt anstellen muß, mag eine Erschwerung der Durchführung bedeuten, kann aber an der Notwendigkeit der zusammenhängenden Feststellung von Gewinn und Entnahme nichts ändern.

Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das den Feststellungsbescheid nach § 215 AO entsprechend den vorstehenden Ausführungen abzuändern haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407955

BStBl III 1954, 223

BFHE 1955, 39

BFHE 59, 39

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