Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt und Vermietung des Grundstücks an den neuen Eigentümer

 

Leitsatz (NV)

Überträgt ein Vater ein Grundstück unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs bürgerlich-rechtlich wirksam auf seinen Sohn und überläßt er es ihm anschließend mietweise zur Nutzung im gewerblichen Betrieb, so sind die Mietzahlungen des Sohnes Betriebsausgaben, wenn sich die Beteiligten bei der Bemessung der Höhe der Zahlungen übereinstimmend von dem Gedanken einer angemessenen Gegenleistung haben leiten lassen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine . . ., die er von seinem Vater (V) zum 1. Juli 1973 erworben hatte. Die Übertragung der zum Betriebsvermögen gehörenden und zum gleichen Zeitpunkt übergebenen Grundstücke an den Kläger erfolgte aufgrund des notariellen Übertragungs- und Erbverzichtvertrages vom 6. Dezember 1973. In diesem Vertrag behielt sich V den Nießbrauch an den Grundstücken vor. Durch einen Mietvertrag mit Datum vom 1. Juli 1973 hatte V die Grundstücke an den Kläger vermietet; die Miete betrug für das Streitjahr 1973 30 000 DM und für das Streitjahr 1974 60 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Auffassung des Klägers, daß die Mietzahlungen Betriebsausgaben seien, in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 1973 und 1974 nicht. Er behandelte die Zahlungen als außerbetriebliche Leibrenten und setzte die Ertragsanteile als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß der Nießbrauch und der Mietvertrag einkommensteuerrechtlich anzuerkennen seien. Die Mietzahlungen seien nicht als Versorgungsleistungen zu beurteilen, weil - was auch das FA einräume - die Miete angemessen sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Zahlungen an V seien nicht betrieblich veranlaßt, weil sie aus Versorgungsgründen geleistet worden seien.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1973 und 1974 so festzusetzen, daß die Mietzahlungen in Höhe von 30 000 DM für 1973 und in Höhe von 60 000 DM für 1974 als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Übertragen Eltern Vermögenswerte (insbesondere ein Grundstück) unter dem Vorbehalt des Nießbrauchsrechts bürgerlich-rechtlich wirksam auf ihre Kinder und vermieten sie die Vermögenswerte aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs an ihre Kinder, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Nießbrauchsrecht und das Mietverhältnis grundsätzlich ertragsteuerrechtlich anzuerkennen (vgl. z. B. Urteile vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683; vom 17. Januar 1975 III R 114/73, BFHE 114, 573, BStBl II 1975, 402; vom 24. März 1976 I R 138/73, BFHE 119, 44, BStBl II 1976, 537, und vom 22. Juli 1980 VIII R 114/78, BFHE 131, 429, BStBl II 1981, 101). In diesem Fall können die Kinder, wenn sie die übertragenen Vermögenswerte betrieblich nutzen, die Mietzahlungen als Betriebsausgaben absetzen. Voraussetzung dieser einkommensteuerrechtlichen Würdigung ist, daß der Nießbrauch und das Mietverhältnis ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt werden und daß ferner die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht den Charakter einer Versorgungsabrede hat. Dem Vorbehalt eines Nießbrauchs steht der Vorbehalt eines bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbarten obligatorischen Nutzungsrechts insoweit gleich (BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327).

2. Im Streitfall sind der Nießbrauch des V und sein an dem Grundstück für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis zur Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch bestehendes obligatorisches Nutzungsrecht zivilrechtlich wirksam begründet worden. Die Beteiligten stellen dies nicht in Frage.

V hat die Rechte aus dem Nießbrauch bzw. aus dem anfangs bestehenden obligatorischen Nutzungsrecht insofern auch tatsächlich ausgeübt, als er durch Vertrag vom 1. Juli 1973 ein Mietverhältnis über die Grundstücke mit dem Kläger abgeschlossen hat. Die Vermietung an den Eigentümer steht dem nicht entgegen (Urteil in BFHE 119, 44, BStBl II 1976, 537).

Die Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um seine Auffassung zu stützen, daß das Mietverhältnis als Versorgungsabrede zu werten ist. Die Entscheidung der Frage, ob die Zahlungen Versorgungscharakter haben, hängt von dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles ab. Dabei spielt - ähnlich wie in den Fällen der Abgrenzung einer betrieblichen Veräußerungsrente von einer außerbetrieblichen Versorgungsrente (vgl. dazu z. B. BFH-Urteile vom 26. Januar 1978 IV R 62/77, BFHE 124, 338, BStBl II 1978, 301, und vom 22. September 1982 IV R 154/79, BFHE 136, 527, BStBl II 1983, 99) - eine wesentliche Rolle, ob sich die Beteiligten bei der Bemessung der Höhe der Mietzahlungen übereinstimmend von dem Gedanken einer angemessenen Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung (Leistungsaustausch) leiten ließen. Ist dies nicht der Fall - sind z. B. die Zahlungen im Vergleich zum Nutzungswert außergewöhnlich hoch (vgl. hierzu z. B. Entscheidungen in BFHE 119, 44, BStBl II 1976, 537, und in BFHE 131, 429, BStBl II 1981, 101) oder gering - und ist aus den Gesamtumständen des Falles zu entnehmen, daß nach dem Willen der Vertragspartner die Zahlungen des Eigentümers an den Vorbehaltsnießbraucher aus Versorgungsgründen gewährt werden, sind diese nicht durch den Betrieb veranlaßt und damit keine Betriebsausgaben. Der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung des Mietvertrags stehen nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nicht die Vereinbarung der Vertragsdauer auf die Lebenszeit des Vorbehaltsnießbrauchers, die Koppelung des Mietzinses an den Lebenshaltungskostenindex sowie die Abwälzung der Reparatur- und der Instandhaltungskosten auf den Mieter entgegen (vgl. z. B. Entscheidung in BFHE 119, 44, BStBl II 1976, 537).

Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß es für die Beurteilung, ob der Versorgungscharakter der Zahlungen an V zu bejahen oder zu verneinen ist, auf die Einheitlichkeit des Nießbrauchs und des Mietverhältnisses und auf die inhaltliche Verschränkung dieser Regelungen sowie darauf ankomme, ob der Kläger auf die Überlassung der Nutzung des Grundstücks angewiesen war. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beteiligten bei der Vereinbarung der Zahlungen an den Vorbehaltsnießbraucher die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung wollten, oder ob sie die Höhe der Leistungen daran ausgerichtet haben, was dem Empfänger aus Versorgungsgründen zugewendet werden sollte. Aus diesem Grund hat das FG seine Entscheidung zu Unrecht darauf gestützt, daß die Zahlungen entsprechend der Minderung des Nießbrauchs bzw. des obligatorischen Nutzungsrechts gekürzt werden sollten, und daß im Falle des Vorversterbens des Klägers dem V die treuhänderische Verwaltung der Grundstücke zustehen sollte.

3. Das FG hat zur Frage der Gleichwertigkeit der Zahlungen an V und der Nutzungsüberlassung keine Feststellungen getroffen. Da der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) diese nicht nachholen kann, war die Zurückverweisung der Sache an das FG geboten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61392

BFH/NV 1986, 659

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