Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreier Jahresbetrag bei aufgrund mehrjähriger Tätigkeit gezahlter Aufwandsentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn der Steuerpflichtige in einem Jahr Einnahmen aus einer in mehreren Jahren ausgeübten Tätigkeit i.S. von § 3 Nr.26 EStG bezieht, ist die Steuerfreiheit auf einen einmaligen Jahresbetrag von 2 400 DM begrenzt (Anschluß an BFH-Urteil vom 23.Juni 1988 IV R 21/86, BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890).

 

Orientierungssatz

Bei der Auflösung mehrerer Dienstverhältnisse in demselben Jahr kann der Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG mehrfach gewährt werden (vgl. Literatur).

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 26, 9

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.04.1989; Aktenzeichen III K 153/87)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1984) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Lehrer noch Einkünfte als nebenamtlicher Dozent aus Lehr- und Prüfungstätigkeit an einer staatlichen Berufsakademie. Für die in den Jahren 1981 bis 1984 ausgeübte Lehr- und Prüfungstätigkeit wurden dem Kläger 1984 insgesamt 7 550,50 DM ausgezahlt, und zwar 1 226 DM für 1981, 2403 DM für 1982, 2 829,50 DM für 1983 und 1 092 DM für 1984.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 9.Januar 1986 erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) diese Beträge abzüglich eines Betrags von 2 400 DM als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, der Steuerfreibetrag nach § 3 Nr.26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) müsse für jedes Jahr gewährt werden, in dem die Vergütungsansprüche entstanden seien, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31.März 1987 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage hatte dagegen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) blieb ein Betrag von insgesamt 7 118 DM nach § 3 Nr.26 EStG steuerfrei, nämlich 1 226 DM für die Tätigkeit in 1981, je 2 400 DM für die Tätigkeit in den Jahren 1982 und 1983 und 1 092 DM für die Tätigkeit in 1984.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Steuerfrei sind nach § 3 Nr.26 EStG Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) fallenden Einrichtung. Als Aufwandsentschädigungen sind Einnahmen für die bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2 400 DM im Jahr anzusehen.

Satz 1 dieser Vorschrift grenzt die Freistellung der Aufwandsentschädigungen für eine nebenberufliche Tätigkeit nach sachlichen Gesichtspunkten, insbesondere nach Tätigkeitsmerkmalen, dem Grunde nach, und Satz 2 in Ergänzung dazu der Höhe nach ab. Bei Einnahmen bis zu einer Höhe von 2 400 DM braucht nicht geprüft zu werden, ob es sich tatsächlich um Aufwandsentschädigungen oder um echte Vergütungen handelt. Diese Fiktion der Aufwandsentschädigung setzt lediglich den Zufluß entsprechender Einnahmen voraus; bis zur Einnahmenhöhe von 2 400 DM besteht also eine unwiderlegbare Vermutung, daß die vom Steuerpflichtigen getragenen Aufwendungen (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) bereits abgegolten worden sind. Die Besteuerung von Einnahmen, die den Betrag von 2 400 DM übersteigen, richtet sich dagegen nach den allgemeinen Vorschriften über den Umfang der Besteuerung. Das gilt sowohl für die Einordnung der Einkünfte, z.B. als solche aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit, als auch für die Berücksichtigung der anfallenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Daher können --zusätzlich-- Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur berücksichtigt werden, wenn sie den Betrag von 2 400 DM übersteigen und in vollem Umfang nachgewiesen werden (vgl. zum Vorstehenden Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Januar 1986 IV R 247/84, BFHE 146, 65, BStBl II 1986, 401, und vom 23.Juni 1988 IV R 21/86, BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890).

2. In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze hat der Senat im Urteil in BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890 bereits entschieden, es könne nichts anderes gelten, wenn der Steuerpflichtige Einnahmen aus mehreren oder verschiedenen nebenberuflichen Tätigkeiten i.S. von § 3 Nr.26 Satz 1 EStG beziehe. Die Steuerfreiheit i.S. von § 3 Nr.26 EStG bleibe auf einen einmaligen Jahresbetrag von 2 400 DM begrenzt. Das ergebe sich aus § 3 Nr.26 Satz 2 EStG. Dort heiße es: "Als Aufwandsentschädigungen sind Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von insgesamt 2 400 Deutsche Mark im Jahr anzusehen." Zwar könne der Steuerpflichtige dann höhere Aufwendungen als den Betrag von 2 400 DM im Jahr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend machen, aber er müsse diese steuermindernden Ausgaben dann gleichfalls in vollem Umfang nachweisen.

3. Nichts anderes kann gelten, wenn, wie im Streitfall, aus einer in mehreren Jahren selbständig ausgeübten Nebentätigkeit Einnahmen in einem Kalenderjahr zufließen. Es handelt sich dann insgesamt um Einnahmen aus selbständiger Arbeit, die bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung auch insoweit im Jahr des Zuflusses zu erfassen sind, wie sie auf in früheren Jahren ausgeübte Tätigkeiten entfallen. Von diesen Einnahmen können im Jahr des Zuflusses grundsätzlich auch nur in demselben Jahr abgeflossene Beträge als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ohne Nachweis höherer Ausgaben kann deshalb auch in diesem Falle nur ein Betrag von 2 400 DM abgezogen werden. Der Betrag von 2 400 DM in § 3 Nr.26 Satz 2 EStG bezieht sich auf alle im Veranlagungszeitraum zugeflossenen Einnahmen für Tätigkeiten i.S. des § 3 Nr.26 Satz 1 EStG.

4. Für seine gegenteilige Auffassung kann der Kläger sich auch nicht auf die Regelung in § 3 Nr.9 EStG berufen. Diese Vor* schrift bezieht sich auf Abfindungen für die Auflösung eines Dienstverhältnisses, so daß sich sehr wohl die Auffassung vertreten läßt, bei Auflösung mehrerer Dienstverhältnisse in demselben Jahr komme auch eine mehrfache Freibetragsgewährung in Betracht (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 3 "Abfindung"; Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr.19 a). Demgegenüber bezieht sich die Regelung des § 3 Nr.26 Satz 2 EStG nach der Entscheidung in BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890 nicht auf Bezüge aus einem bestimmten Dienstverhältnis, sondern auf die Summe der im Veranlagungszeitraum aus Tätigkeiten i.S. des § 3 Nr.26 Satz 1 EStG bezogenen Einnahmen.

Die Entscheidung des FG, das von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63222

BFH/NV 1990, 58

BStBl II 1990, 686

BFHE 160, 307

BFHE 1991, 307

BB 1990, 202095-2096 (LT)

BB 1990, 2095

DB 1990, 1747-1748 (LT)

DStR 1990, 595 (KT)

HFR 1990, 612 (LT)

StE 1990, 278 (K)

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