Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Durch § 205 a Abs. 2 und 3 AO sollen die Fälle getroffen werden, in denen wie bei der Zahlung von Schmiergeldern und bei OR-Geschäften nach der Lebenserfahrung der Verdacht besteht, daß die Nichtbenennung des Empfängers diesem die Nichtversteuerung ermöglichen soll. In Fällen dieser Art ist es für die Anwendung des § 205 a Abs. 2 und 3 AO unerheblich, ob das Finanzamt von der Verausgabung der geltend gemachten Aufwendungen überzeugt ist oder nicht.

 

Normenkette

AO § 205a Abs. 2-3

 

Tatbestand

Der Bf. wohnt im Ausland und besitzt in X. ein Mietwohngrundstück. Er ist beschränkt einkommensteuerpflichtig, und zwar mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Strittig ist die Berücksichtigung von 2.100 DM Werbungskosten bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1954. Der Bg. gibt an, daß er diesen Betrag für den Wiederaufbau einer Trennwand zwischen seinem und dem Nachbargrundstück, für die Erneuerung des Garagendachs und für die Entfernung von losem Putz an der Vorderfassade an einen ihm unbekannten Handwerksmeister gezahlt habe. Dieser habe zunächst einen weit höheren Betrag haben wollen. Nach einer erregten Auseinandersetzung in einem Lokal, das jetzt nicht mehr bestehe, sei der Handwerksmeister dann auf 2.100 DM heruntergegangen. Diese habe er dem Handwerksmeister bezahlt, in seiner Aufregung aber vergessen, sich eine Quittung geben zu lassen.

Das Finanzamt veranlagte den Bf., ohne die 2.100 DM neben den sonst geltend gemachten Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Bf. hatte zwar - der Anforderung des Finanzamts entsprechend - Kontoauszüge einer inländischen Bank über Abhebungen von 1.320 DM (25. Juni 1954) und 830 DM (6. Juli 1954) und die Bestätigung eines inländischen Bankhauses vorgelegt, nach der er für die Zeit vom 11. bis 15. Juni 1954 ein Reisegeld von 500 DM erhalten hatte. Das Finanzamt sah gleichwohl nicht als erwiesen an, daß die abgehobenen Beträge zur Bezahlung der 2.100 DM gedient hätten, und hielt deren Berücksichtigung, insbesondere auch im Hinblick darauf für nicht gerechtfertigt, daß der Bf. den Namen des Handwerksmeisters nicht mitteilte.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Wie das Finanzamt, so sah auch das Finanzgericht in den Bankauszügen keinen Nachweis für die Verausgabung der 2.100 DM. Auch wenn diese tatsächlich für die geltend gemachten Zwecke verausgabt worden seien, sei doch, so führt das Urteil des Finanzgerichts aus, die Nichtberücksichtigung nach § 205 a AO um deswillen berechtigt, weil der Bf. den Handwerksmeister nicht benannt habe. Es widerspreche aller Lebenserfahrung, daß der Bf. es vergessen haben wolle, sich eine Quittung geben zu lassen. Da der Verwaltung bekannt sei, daß bei größeren Zahlungen an Geschäftsleute des öfteren Vereinbarungen über Nichtverbuchung getroffen würden, sei es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt die Benennung des Empfängers der Zahlung verlange.

Mit seiner Rb. wehrt sich der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung der 2.100 DM. Daß, so trägt er vor, die geltend gemachten Arbeiten tatsächlich ausgeführt worden seien, könne jederzeit durch Augenscheinseinnahme festgestellt werden. Unter diesen Umständen sei es eine dem Sinn und Zweck des § 205 a AO widersprechende Entscheidung, wenn ihm unter Berufung auf diese Vorschrift die tatsächlich verausgabten 2.100 DM nur deswegen gestrichen würden, weil er den Empfänger nicht mehr benennen könne. Daß er die 2.100 DM ausgegeben habe, sei auch durch die Bankauszüge nachgewiesen. Es widerspreche Treu und Glauben, wenn dieser Nachweis, nachdem er ihn auf Verlangen des Finanzamts erbracht habe, von diesem nicht anerkannt werde. Ihm sei zudem seinerzeit ausdrücklich zugesagt worden, daß nach Beibringung dieses Nachweises alles in Ordnung gehen werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bf. irrt, wenn er meint, daß es für die Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten auf die Benennung des Empfängers um deswillen nicht ankomme, weil das Finanzamt sich von der Durchführung der entsprechenden Arbeiten durch Augenscheinseinnahme an Ort und Stelle überzeugen könne. Das Recht und die Pflicht des Finanzamts, nach § 205 a Abs. 2 und 3 AO von dem Steuerpflichtigen die genaue Bezeichnung des Empfängers der geltend gemachten Werbungskosten zu verlangen und, falls der Steuerpflichtige die verlangten Angaben nicht macht, die beantragten Absetzungen nicht vorzunehmen, ist nicht davon abhängig, daß das Finanzamt von der Nichtverausgabung der Aufwendungen überzeugt sein muß (vgl. hierzu auch die Urteile des Bundesfinanzhofs I 106/56 U vom 5. Juni 1956, BStBl 1956 III S. 206, Slg. Bd. 63 S. 29, und I 316/56 U vom 16. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 364, Slg. Bd. 65 S. 348). Wäre dies Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 205 a Abs. 2 und 3 AO, so hätte es dieser Regelung gar nicht bedurft. Daß das Finanzamt dort, wo sich Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen ergeben, nähere Aufklärung und im Rahmen des Zumutbaren auch Nachweise verlangen und, wenn es von der Nichtverausgabung geltend gemachter Aufwendungen überzeugt ist, deren Abzug versagen kann, ergibt sich aus den bereits vor der Einfügung des § 205 a in Kraft gewesenen Vorschriften der AO ebenso wie die Berechtigung des Finanzamts, die Benennung des Empfängers der Aufwendungen zu verlangen (vgl. insbesondere §§ 171, 175 AO).

Dem Bf. ist zwar zuzugeben, daß die Regelung des § 205 a Abs. 2 und 3 AO nicht etwa die Handhabe dafür bieten soll und darf, Aufwendungen ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Verausgabung schlechthin nur deswegen nicht zum Abzug zuzulassen, weil der Steuerpflichtige den Empfänger nicht benennt. Der Steuerpflichtige soll nach seinen tatsächlichen Einkünften herangezogen werden. Aufwendungen, die er auch nach der überzeugung des Finanzamts tatsächlich gehabt hat, müssen grundsätzlich berücksichtigt werden, auch wenn der Empfänger nicht benannt werden kann. Etwaige Zweifel können nach § 217 AO eine Schätzung durch das Finanzamt rechtfertigen, ohne jedoch dem Finanzamt das Recht zu geben, die tatsächlichen Gegebenheiten außer acht zu lassen. Diese Grundsätze gelten aber ausnahmsweise dann nicht, wenn die geltend gemachten Aufwendungen Schmiergelder, OR-Geschäfte oder sonst Geschäfte betreffen, bei denen die Nichtbenennung des Partners nach der Lebenserfahrung dazu dient, diesem die Nichtversteuerung der empfangenen Gelder zu ermöglichen. In Fällen dieser Art greift die Sonderregelung des § 205 a Abs. 2 und 3 AO ein, die nach ihrem Sinn und Zweck dazu dient, gerade Fälle von Schmiergeldern und OR-Geschäften zu erfassen (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 378/55 U vom 8. November 1956, BStBl 1957 III S. 149, Slg. Bd. 64 S. 400).

Wenn das Finanzgericht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles es dem Bf. nicht geglaubt hat, daß er den Namen und die Anschrift des Empfängers bei der Hingabe der geltend gemachten Aufwendungen nicht gekannt oder aber inzwischen vergessen hat, und zu der überzeugung gekommen ist, daß die Erfahrung der Verwaltung, daß Fälle der vorliegenden Art häufig Vereinbarungen über Nichtverbuchung zugrunde liegen, auch hier nicht von der Hand zu weisen ist, so handelt es sich um Fragen der tatsächlichen Beurteilung. Diese Würdigung ist Sache des Finanzgerichts; der Bundesfinanzhof ist daran gebunden. Diese läßt weder einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten noch eine Verletzung der Denkgesetze erkennen. In der Tat spricht bei der Höhe des Aufwands und nicht zuletzt auch bei der Art der vergebenen Arbeiten alle Lebenserfahrung dagegen, daß der Bf. weder Namen noch Wohnung seiner Geschäftspartners gekannt habe.

Ist danach der Verdacht eines OR-Geschäftes nicht von der Hand zu weisen, so ist die Anwendung des § 205 a Abs. 2 und 3 AO und damit die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen, wie oben ausgeführt, berechtigt. Nach der Auffassung des Senats wäre dies übrigens auch dann der Fall, wenn der Bf. tatsächlich mit einem ihm dem Namen und der Wohnung nach unbekannten Geschäftspartner gehandelt haben sollte. Ein solches wider alle Gepflogenheiten verstoßendes Verhalten, mit dem sich der Bf. von vornherein die Möglichkeit der Benennung des Empfängers genommen hätte, könnte in diesem Zusammenhang nicht anders als die Nichtbenennung des (ihm bekannten) Empfängers gewertet werden.

Das Vorgehen des Finanzamts ist auch nicht unbillig. Liegen Fälle, wie sie durch § 205 a Abs. 2 und 3 AO getroffen werden sollen, vor, so stellt es in der Regel keinen Fehlgebrauch des Ermessens dar, wenn das Finanzamt von § 205 a Abs. 2 und 3 AO Gebrauch macht (vgl. das bereits angeführte Urteil I 106/56 U vom 5. Juni 1956). Wer sich in Geschäfte der von § 205 a Abs. 2 und 3 AO erfaßten Art einläßt, muß die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen. Darin liegt jedenfalls dann nichts Unbilliges, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um Geschäfte handelt, deren Abschluß im Belieben des Steuerpflichtigen gestanden hat.

Unberechtigt ist auch der Hinweis des Bf., daß es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn das Finanzamt von ihm doch wieder die Benennung des Empfängers gefordert habe, nachdem es sich nach längeren Erörterungen bereit erklärt habe, lediglich den Nachweis darüber zu verlangen, daß ihm die für die Aufwendungen erforderlichen Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Selbst wenn das Finanzamt auf entsprechende Vorstellungen des Bf. hin den Nachweis der verfügbaren Mittel verlangt und von der Benennung des Empfängers abgesehen hätte, könnte hierin, solange das Finanzamt über die Behandlung der geltend gemachten Aufwendungen nicht endgültig entschieden hat, nicht die Zusage erblickt werden, auf die Benennung des Empfängers schlechthin zu verzichten. Von einer Bindung des Finanzamts könnte zudem deswegen keine Rede sein, weil der Bf. nicht zu irgendwelchen ihn im Hinblick auf die Möglichkeit der Benennung des Empfängers schädigenden Dispositionen veranlaßt worden ist. Das Finanzamt wollte dem Bf. lediglich entgegenkommen, weil es mit dem Nachweis hinreichende Unterlagen zu erhalten glaubte. Hat das Finanzamt dies geglaubt, so ist es daher, auch wenn der Nachweis der Verfügbarkeit entsprechender Mittel erbracht wird, nicht gehindert gewesen, seiner besseren Erkenntnis und Würdigung entsprechend doch auf Benennung des Empfängers zu bestehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409598

BStBl III 1960, 167

BFHE 1960, 447

BFHE 70, 447

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