Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter: Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG 1967 bzw. 1980, Vorsteuerabzug des aufnehmenden Unternehmens - bloße Mitwirkung als Beteiligungsgesellschaft an Bohrungen nach Erdöl nichtunternehmerisch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Aufnahme atypisch stiller Gesellschafter in einer den sog. Publikumsgesellschaften gleichartigen Weise bewirkt der Inhaber des Handelsgeschäfts steuerbare Umsätze, indem er gegen Zahlung der Kapitaleinlage die Rechtsposition als stiller Gesellschafter einräumt. Diese Umsätze mit Anteilen an einer atypisch stillen Gesellschaft sind gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfrei (Fortführung des BFH-Urteils vom 18. Dezember 1975 V R 131/73, BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265).

2. Steuern, die andere Unternehmer dem Inhaber des Handelsgeschäfts im Zusammenhang mit der Werbung und Aufnahme der atypisch stillen Gesellschafter in Rechnung gestellt haben, sind gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1973, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

 

Orientierungssatz

1. Soweit eine Gesellschaft an der Vorbereitung und Durchführung von Bohrungen nach Erdöl lediglich als Beteiligungsgesellschaft mitwirkt, ohne in diesem Bereich eigene Umsätze auszuführen, ist sie nichtunternehmerisch tätig (vgl. BFH-Urteil vom 20.1.1988 X R 48/81).

2. § 4 Nr. 8 Buchst. j UStG 1980 befreit nicht die Leistung eines Unternehmensinhabers, der einen stillen Gesellschafter aufnimmt, sondern die Leistung des stillen Gesellschafters durch Beteiligung an dem Unternehmen eines anderen Unternehmens von der Umsatzsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1994 V B 73/94).

 

Normenkette

UStG 1973 § 4 Nr. 8, § 15 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2; UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. f., § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 8 Buchst. j, § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 27 Abs. 8

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Unternehmensgegenstand die Vorbereitung und Durchführung von geologischen und geophysikalischen Untersuchungen sowie von Explorations-, Erweiterungs- und Erschließungsbohrungen, der Erwerb und die Veräußerung von Bohrrechten für die Förderung von Erdöl und Erdgas sowie die Produktion, der Verkauf und der Handel von und mit Erdöl und Erdgas ist. Persönlich haftende Gesellschafterin ist eine GmbH ohne Einlage, Kommanditistin ist eine weitere GmbH mit einer Einlage von ... DM. Das zur Durchführung des Gesellschaftszwecks erforderliche Kapital erhielt die Klägerin durch Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft, an der sich Anleger mit einer Kapitaleinlage von ... DM beteiligten.

Nach einer Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Klägerin berechnete Umsatzsteuerbeträge für Leistungen im Zusammenhang mit der Aufnahme der Kapitalgeber als atypisch stille Gesellschafter gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 nicht mehr zum Vorsteuerabzug zu und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre (1979 und 1980) entsprechend fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die rechtliche Beurteilung des FA. Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin habe die den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen zugrundeliegenden Leistungsbezüge zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Durch die Aufnahme der Kapitalanleger als atypisch stille Gesellschafter und Gewährung der damit verbundenen Gesellschafterrechte habe die Klägerin steuerbare sonstige Leistungen ausgeführt, die gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfrei seien.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 UStG). Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, sie sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil im Rahmen des Beitritts stiller Gesellschafter weder der Geschäftsinhaber noch die stillen Gesellschafter steuerbare Leistungen ausführten und sie --die Klägerin-- die bezogenen Leistungen daher nicht für steuerfreie Leistungen verwendet habe. Der Geschäftsinhaber erbringe bei der Aufnahme stiller Gesellschafter keine Leistung gegenüber den stillen Gesellschaftern, weil er zivilrechtlich Eigentümer und umsatzsteuerrechtlich Unternehmer bleibe. Die stille Gesellschaft könne als Innengesellschaft keine Umsätze an die einzelnen stillen Gesellschafter ausführen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Umsatzsteuer für 1979 auf ./. 25 273,06 DM und für 1980 auf ./. 12 978,98 DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Entscheidung des FG, die Klägerin sei mit den ihr berechneten Umsatzsteuerbeträgen für Leistungen im Zusammenhang mit der Aufnahme der Kapitalgeber als atypisch stille Gesellschafter vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 kann ein Unternehmer unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen als Vorsteuerbeträge die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung bestimmter steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1973, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980).

1. Es ist bereits fraglich, ob die Klägerin die vorgenannten Leistungen für ihr Unternehmen in Anspruch genommen hat (§ 15 Abs. 1 UStG 1973/1980). Den Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, daß die Klägerin unternehmerisch tätig war, soweit sie sich an der Vorbereitung und Durchführung der Bohrungen nach Erdöl beteiligte. Sollte die Klägerin in diesem Bereich keine eigenen Umsätze ausgeführt haben, sondern lediglich als Beteiligungsgesellschaft --also nichtunternehmerisch-- tätig gewesen sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557 unter II. 2., und Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 20. Juni 1991 Rs. C-60/90, Sammlung 1991, I-3111, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1993, 119), wäre ihr der Vorsteuerabzug aus den hiermit im Zusammenhang stehenden Leistungsbezügen anläßlich der Gewinnung und Aufnahme der Kapitalgeber als stille Gesellschafter bereits deshalb zu versagen, weil diese Leistungen nicht für ihr Unternehmen ausgeführt worden sind.

2. Die Klägerin ist mit den Vorsteuerbeträgen aus den vorgenannten Leistungsbezügen aber selbst dann vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn sie hinsichtlich der Bohrungen nach Erdöl selbst unternehmerisch tätig geworden ist. Der Abzug dieser Vorsteuerbeträge ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1973, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin die ihnen zugrundeliegenden Leistungsbezüge --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- zur Ausführung steuerfreier Leistungen i.S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 --Gewährung von Gesellschaftsrechten an die stillen Gesellschafter-- verwendet hat.

a) Der BFH hat seit seinem Urteil vom 18. Dezember 1975 V R 131/73 (BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265) in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. Urteile vom 20. Mai 1976 V R 122/73, UR 1976, 187; vom 16. Juli 1987 V R 147/79, BFH/NV 1988, 196, und vom 29. Januar 1988 X R 7/81, BFHE 152, 370, BStBl II 1988, 506), daß eine Publikums-KG mit der Ausgabe von Kommanditanteilen steuerbare Umsätze von Anteilen an Gesellschaften bewirkt, die nach § 4 Nr. 8 UStG 1967/1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfrei sind. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß es sich bei einer solchen KG um eine zur Kapitalanlage bestimmte Publikums- oder Massengesellschaft handelt, die auf die Mitgliedschaft einer Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter angelegt ist und den Kapitalgebern für die Hergabe von Geld eine Rechtsposition als Gesellschafter bietet. An der Erlangung dieser Position seien die Kapitalgeber deshalb interessiert, weil die Zusammenführung von Kapital verschiedener Kapitalgeber im Rahmen der Gesellschaft die Erreichung des von ihnen erstrebten wirtschaftlichen Vorteils (insbesondere der sich steuerlich günstig auswirkenden Verlustzuweisung) verspreche (vgl. BFH in BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265 unter 3. a und b).

b) Die Einräumung der Rechte als atypisch stille Gesellschafter durch die Klägerin steht der Ausgabe von Anteilen an einer Publikums-KG insoweit gleich.

Bei der von der Klägerin gegründeten atypisch stillen Gesellschaft handelt es sich ebenfalls um eine Publikumsgesellschaft, die --ebenso wie eine Publikums-KG-- besonderen Rechtsregeln unterworfen ist. Eine solche atypisch stille Gesellschaft ist auf die Mitgliedschaft einer Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Gesellschafter angelegt. Durch die Aufnahme der Kapitalgeber gegen Leistung der Einlage nahm die Klägerin nicht nur einen Geldbetrag zur Stärkung ihrer Finanzsituation entgegen, wie es bei der Aufnahme eines Kredits oder der Entgegennahme eines partiarischen Darlehens der Fall ist. Sie gab hierdurch zugleich ihre Alleinherrschaft über ihr Unternehmen auf, indem sie den Kapitalgebern Gesellschaftsrechte einräumte, die denen eines an einer Publikums-KG Beteiligten entsprechen (Auskunfts- und Kontrollansprüche, Beteiligung am Gewinn und am Unternehmensvermögen).

Ebenso wie bei einer Publikums-KG erhielten die Kapitalgeber der Klägerin durch ihre Beteiligung als atypisch stille Gesellschafter nicht nur eine reine (Kapital-)Gläubigerstellung. Die Klägerin verschaffte ihnen durch die Aufnahme als atypisch stille Gesellschafter vielmehr ebenfalls Steuervorteile (Verlustzuweisungen), die an die Gesellschafterstellung der Kapitalgeber geknüpft waren.

c) Wegen der besonderen Interessenlage der Beteiligten an einer atypisch stillen Gesellschaft als Publikumsgesellschaft ist die Einräumung der Gesellschaftsrechte als stille Gesellschafter durch die Klägerin an ihre Kapitalgeber --ebenso wie die Ausgabe von Anteilen an einer Publikums-KG-- als Leistung von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen i.S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973, § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 anzusehen. Daß die von den Kapitalanlegern geleisteten Einlagen zivilrechtlich in das Vermögen der Klägerin übergingen und ein Gesamthandsvermögen der stillen Gesellschaft nicht entstehen konnte, ist insoweit unerheblich. Die Aufnahme stiller Gesellschafter ist im Streitfall mit der --nichtsteuerbaren-- Kapitalbeschaffung durch Aufnahme eines Darlehens nicht vergleichbar.

3. Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Ansicht angeführte Steuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchst. j UStG 1980, die gemäß § 27 Abs. 8 UStG 1980 (i.d.F. des Gesetzes vom 17. Dezember 1986) erst auf Umsätze ab 1983 anwendbar ist, betrifft nicht die Leistung des Unternehmensinhabers, der einen stillen Gesellschafter aufnimmt, sondern die Leistung des stillen Gesellschafters durch Beteiligung an dem Unternehmen eines anderen Gesellschafters (vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1994 V B 73/94, BFH/NV 1995, 1024 m.w.N.). Hierauf kommt es im Streitfall nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65549

BFH/NV 1996, 87

BFH/NV 1996, 87-88 (LT)

BStBl II 1996, 250

BFHE 179, 469

BFHE 1996, 469

BB 1996, 575

BB 1996, 575-576 (LT)

DB 1996, 660-661 (LT)

DStR 1996, 422-423 (KT)

DStZ 1996, 410 (L)

HFR 1996, 353-354 (L)

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