Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung eines bereits gewährten Verlustabzugs im Rücktragsjahr wegen einer Änderung des Verlustes im Verlustjahr

 

Leitsatz (NV)

§ 10 d Sätze 2 und 3 EStG 1979 ist neben den abgabenrechtlichen Vorschriften eine eigenständige Korrekturvorschrift. Nach § 10 d Sätze 2 und 3 EStG 1979 kann ein bereits gewährter Verlustabzug im Rücktragsjahr wegen einer Änderung des Verlustes im Verlustjahr selbst berichtigt werden.

 

Normenkette

EStG 1979 § 10d

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1980 und im folgenden Jahr als Grafik- und Fotodesigner selbständig tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für 1981 machte er Aufwendungen für eine Afrika-Reise von . . . DM als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend und beantragte, den Verlust von . . . DM in das Streitjahr 1980 zurückzutragen. Der Kläger hatte die Reise zusammen mit einer früheren Studienkollegin vom 22. März bis 24. Juli 1981 unternommen. Die Reise führte von A. über B., mit der Fähre nach C. Sie wurde in einem mit einer Tropenausrüstung ausgestatteten VW-Bus unternommen, der in C. stillgelegt wurde. Für die Rückreise von C. nach Europa wurde eine 30-tägige Schiffspassage bis D. gebucht. Auf der Fahrt und bei den Aufenthalten sammelte der Kläger Foto- und Skizzenmaterial, das er nach Rückkehr für eine Ausstellung seiner Arbeiten und für eine Bildbandveröffentlichung aufbereiten wollte.

In dem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 19. August 1982, der gemäß der zusammen mit der Einkommensteuererklärung für 1981 eingereichten Einkommensteuererklärung für 1980 erging,wurde der Verlustrücktrag nicht berücksichtigt und die Einkommensteuer mit . . . DM festgesetzt. Auf Antrag des Klägers wurde in dem nach § 10 d Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geänderten Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 1. Oktober 1982 ein Verlust aus 1981 von . . . DM angesetzt und die Einkommensteuer auf . . . DM festgesetzt. Der Verlust von . . . DM ergab sich aus dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid für 1981 vom gleichen Tag.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in dem endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 26. Juli 1983 einen Gewinn von . . . DM an. Es betrachtete die Aufwendungen für die Afrika-Reise nur in Höhe von . . . DM als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit. Nur die Aufwendungen für die Fotoausrüstung, für Film-, Foto- und Arbeitsmaterial sowie für die Materialauswertung und -aufbereitung zu Ausstellungszwecken seien abgrenzbare, ausschließlich und eindeutig betrieblich veranlaßte Aufwendungen. In dem nach § 10 d Satz 2 EStG geänderten Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 8. August 1983 machte das FA den gewährten Verlustrücktrag aus 1981 rückgängig und setzte die Einkommensteuer wieder auf . . . DM fest. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 d Sätze 2 und 3 EStG und des Grundsatzes von Treu und Glauben. Zum einen sei der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 1. Oktober 1982 nicht als Abhilfebescheid im Einspruchsverfahren ergangen. Zum anderen stehe der uneingeschränkten Änderungsmöglichkeit nach § 10 d Sätze 2 und 3 EStG nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Ein Vertrauenstatbestand sei durch den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1980 vom 1. Oktober 1982 nicht geschaffen worden. Der Kläger habe auch keine entsprechenden Dispositionen getroffen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA hat den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1980 vom 1. Oktober 1982 zu Rechte gemäß § 10 d Sätze 2 und 3 EStG 1979 geändert. Das FA hatte zu Unrecht einen Verlust aus dem Jahre 1981 in Höhe von . . . DM in das Jahr 1980 zurückgetragen.

1. Die Kosten der Afrika-Reise im Jahr 1981 sind Kosten der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG. Derartige Kosten sind auch dann nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie zur Förderung des Berufs erfolgen. Die Feststellungen des FG, die Kosten der Afrika-Reise seien nicht ausschließlich durch die berufliche Betätigung des Klägers veranlaßt gewesen, sind rechtsfehlerfrei; der Senat ist daran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Gegenrügen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. März 1970 IV R 72/69, BFHE 99, 21, BStBl II 1970, 497) hat der Kläger nicht erhoben. Ob diese Feststellungen des FG und seine Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Begründung des Urteils im übrigen erforderlich waren, ist unerheblich; entscheidend ist, daß sie das FG-Urteil tatsächlich tragen.

Route, Dauer, Reisemittel und Begleitung sprechen für eine private Reise. Derartige Unternehmungen sind für junge Leute im Alter des Klägers heute nichts Ungewöhnliches mehr. Der Umstand, daß der Kläger und seine Reisebegleiterin anschließend im Foyer des Stadttheaters in A. eine Fotoausstellung machten, läßt keine konkreten Bezüge der Reiseaufwendungen zum Beruf des Klägers erkennen. Weitere Beziehungen der Aufwendungen zur beruflichen Betätigung des Klägers sind nicht festgestellt. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat der Kläger zwar verschiedene Absichten und Pläne vorgetragen, die Reise beruflich auszuwerten. Da er aber bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens weiteres nicht vorgetragen hat - insbesondere nichts zu dem beabsichtigten Bildband - durfte das FG von der teilweise privaten Veranlassung der Reise ausgehen. Weil die Reise aber nicht (fast) ausschließlich beruflich veranlaßt war, konnten die Kosten insgesamt nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden (zum Aufteilungsverbot vgl. BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Ob das FA zu Recht einen Teil der Kosten als Betriebsausgaben anerkannt hat, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden.

2. Das FA durfte den streitigen Bescheid gemäß § 10 d Satz 2 EStG ändern.

Entgegen der Auffassung des FG Berlin in seinem Urteil vom 17. Mai 1984 I 406/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1985, 70) sowie Äußerungen im Schrifttum (Cirsovius, Der Verlustrücktrag, S. 30; B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1980, 240) ist der Senat der Ansicht, daß § 10 d Sätze 2 und 3 EStG eine gegenüber den Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) eigenständige Korrekturvorschrift ist, aufgrund deren ein Bescheid, in dem rechtswidrig ein Verlustrücktrag berücksichtigt wurde, aufgehoben werden kann. Es kann daher unentschieden bleiben, ob der streitige Bescheid auch nach den Vorschriften der AO 1977 hätte aufgehoben werden können.

Nach § 10 d Satz 2 EStG ist ein Steuerbescheid des dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraums insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist.

Das ,,ändern" im Sinne dieser Vorschrift umfaßt auch die Aufhebung eines Bescheids. Dies ergibt sich daraus, daß die Änderung sich danach richtet, ob und wieweit der Verlustabzug zu gewähren ist. Wenn die Berichtigung des Verlustabzugs z. B. darin besteht, daß sich statt des Verlustes ein Gewinn ergibt, folgt daraus, daß ein Änderungsbescheid, in dem ein Verlust berücksichtigt wurde, auch wieder aufgehoben werden muß.

Im Streitfall war der Verlustabzug zu berichtigen. Darunter fallen insbesondere Änderungen des Verlustrücktrags als Folge einer Änderung des Verlustes selbst im Verlustjahr (vgl. FG München, Urteil vom 13. Juli 1983 I 368/78 E, EFG 1984, 182; Sommer, Verlustrücktrag, Verlustvortrag, 1981, S. 29; Fichtelmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 10 d Anm. 33; Borggreve in Littmann / Bitz /Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10 d EStG Rdnr. 31; weitergehend noch Horlemann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 d EStG Rdnr. 127; Orth in Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 d EStG Rdnr. 206). Aus dem Wortlaut des § 10 d Sätze 2 und 3 EStG ergibt sich insoweit keine Einschränkung. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BTDrucks 7/4705, S. 4) läßt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber die Korrekturmöglichkeit in dieser Hinsicht einschränken wollte.

Angesichts dessen sieht der Senat keinen Grund, die Korrekturmöglichkeit des § 10 d Sätze 2 und 3 EStG entgegen dem Wortlaut im Wege der einschränkenden Auslegung zu begrenzen. In der gewählten Formulierung kommt die Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Rechtmäßigkeit des Bescheids in diesem Bereich vor die Rechtssicherheit zu stellen.

3. Das FA hat mit der Aufhebung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1980 auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt.

Es kann dahinstehen, ob Abhilfebescheide erhöhte Bestandsgarantie genießen. Im Streitfall hat das FA den Einkommensteuerbescheid 1981 (Verlustentstehungsjahr) ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen (§ 164 Abs. 1 AO 1977). Damit hat es auch Vorbehalte hinsichtlich der Behandlung der Reisekosten als Betriebsausgaben zum Ausdruck gebracht. Angesichts dessen durfte der Kläger nicht davon ausgehen, daß es bei der Einkommensteuerfestsetzung im Jahre 1980 bleiben würde, wenn sich der Verlust im Jahre 1981 minderte, auch wenn es sich bei dem Bescheid des Verlustentstehungsjahres nicht um einen Grundlagenbescheid für das Streitjahr handelte. Einer Festsetzung der Einkommensteuer 1980 unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Nachprüfung bedurfte es insoweit wegen § 10 d Satz 2 EStG nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416757

BFH/NV 1990, 624

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