Leitsatz (amtlich)

Der Verkauf eines einer Molkereigenossenschaft gehörenden Wiesengrundstückes, das für Zwecke der Genossenschaft nicht mehr benötigt wird, ist kein steuerschädliches Nebengeschäft, wenn der Erlös zur Finanzierung neuer Betriebsanlagen verwendet wird.

 

Normenkette

KStG § 23 Nr. 1; KStDV § 31 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt als Genossenschaft eine Molkerei. Zu ihrem Betriebsvermögen gehörte auch ein Wiesengrundstück, das sie bis zum Jahr 1950 als Weide für ihre Pferde benutzte, mit denen sie bis zu diesem Zeitpunkt die Milch transportierte. Das Wiesengrundstück, das mit einem Buchwert von 200 DM bilanziert war, wurde sodann zunächst landwirtschaftlich genutzt, ab 1953 verpachtet und im Streitjahr 1963 mit einem Veräußerungsgewinn von 159 446 DM verkauft. Bis dahin war – nach dem Vortrag der Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung – beabsichtigt, das Grundstück im Wege der Bebauung zu nutzen. Die Baugenehmigung sei indes nicht zu erlangen gewesen. Nach Aufstellung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde habe die Bauabsicht endgültig aufgegeben werden müssen.

Der Revisionskläger (FA) behandelte die Grundstücksveräußerung als steuerschädliches Nebengeschäft und zog die Steuerpflichtige mit ihrem gesamten Gewinn zur Körperschaftsteuer heran. Der Einspruch, mit dem die Steuerpflichtige die Grundstücksveräußerung als steuerunschädliches Hilfsgeschäft anerkannt haben wollte, blieb erfolglos.

Das FG, dessen Urteil in EFG 1968, 377 veröffentlicht ist, gab der Klage statt, da es die Veräußerung des Grundstücks als Hilfsgeschäft beurteilte. Es führte zur Begründung aus, die Wiesenfläche sei mit der Umstellung des Milchtransports von eigenen Pferdefuhrwerken auf Motorfahrzeuge als Anlagegut überflüssig geworden. Die Veräußerung der Wiese habe trotz Ablaufs von 12 Jahren immer noch unmittelbar betrieblichen Zwecken gedient. Dies ergebe sich aus dem Beschluß der Generalversammlung vom 21. September 1962, Molkereibetriebsräume neu zu schaffen und einzurichten und durch den Verkauf noch vorhandener Grundstücke mit zu finanzieren.

Gegen das Urteil hat das FA Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 23 Nr. 1 KStG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Nr. 2 KStDV sind Molkereigenossenschaften von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf die Bearbeitung oder die Verwertung der von den Mitgliedern selbst gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränkt. Damit ist nicht gesagt, daß die Genossenschaft lediglich Geschäfte, die der Erfüllung des satzungsmäßigen Gegenstands des Unternehmens dienen (Zweckgeschäfte), vornehmen darf. Vielmehr sind ihr auch Geschäfte erlaubt, die zur Durchführung der Zweckgeschäfte erforderlich sind (Gegengeschäfte), und Geschäfte, die zur Abwicklung der Zweckgeschäfte und der Gegengeschäfte notwendig sind (Hilfsgeschäfte) – Urteil des BFH I 123/52 U vom 10. Februar 1953, BFH 57, 206, BStBl III 1953, 81; KStR Abschn. 53 –. Der Kreis dieser steuerrechtlich unschädlichen Geschäfte ist nicht auf den Bereich des Umlaufvermögens der Genossenschaft beschränkt. So läßt z. B. die Anschaffung oder Herstellung von Gegenständen des Anlagevermögens – im Streitfall die Schaffung und Einrichtung neuer Molkereiräume – die Steuerfreiheit im allgemeinen unberührt. Steuerrechtlich schädlich kann allerdings die Art der Finanzierung sein. So wäre es, wie der Senat in dem Gutachten I D 2/52 S vom 8. September 1953 (BFH 58, 329, BStBl III 1954, 38) ausgeführt hat, bedenklich, zur Finanzierung des Anlagevermögens ein gegenüber den Genossenschaftsanteilen stark überhöhtes Reservekapital anzusammeln. Steuerrechtlich unschädlich ist es dagegen, wenn – wie im Streitfall – ein Gegenstand des Anlagevermögens, der überflüssig geworden ist, veräußert wird und der Erlös zur Finanzierung neuer Gegenstände des Anlagevermögens verwendet wird. Die Schaffung neuer Betriebsräume durch die Steuerpflichtige war notwendig, um unter den veränderten Verhältnissen die Zweckgeschäfte weiterhin durchführen zu können. Sie erweist sich damit als steuerrechtlich unschädliches Gegengeschäft. Die Veräußerung des Grundstücks war notwendig, um die neuen Betriebsräume zu finanzieren, und erweist sich damit als steuerrechtlich unschädliches Hilfsgeschäft.

Dieser Beurteilung steht das Gutachten des Senats I D 2/52 S, a. a. O., nicht entgegen. Der Senat hat dort erklärt, eine Genossenschaft müsse im wesentlichen die Erweiterung ihrer Anlagen über neue Genossenschaftsanteile oder, soweit es wirtschaftlich vernünftig sei, durch Aufnahme von Schulden finanzieren. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß damit der Gegensatz zur Ansammlung übermäßig hoher Reserven zur Finanzierung des Anlagevermögens herausgestellt werden sollte, mit der die Genossenschaft den Weg einer Kapitalgesellschaft beschreiten würde und die daher steuerrechtlich bedenklich wäre. Gegen eine Finanzierung durch den Einsatz des Erlöses aus der Veräußerung überflüssiger Gegenstände des Anlagevermögens bestehen diese Bedenken nicht. Sie führt lediglich zu einer Umschichtung des Anlagevermögens, ein Vorgang, der nicht den Kapitalgesellschaften eigentümlich, sondern auch bei kleinen wirtschaftlichen Unternehmen anzutreffen ist und der dem Wesen einer Genossenschaft nicht widerspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557358

BStBl II 1971, 116

BFHE 1971, 375

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