Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer, der sein eigenes Kraftfahrzeug für eine beruflich veranlaßte Fahrt verwendet hat, einen Totalschaden erlitten, aber von dritter Seite Ersatz des vollen Zeitwerts erhalten, so entfällt der Ansatz von Werbungskosten.

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.12.1999; Aktenzeichen 4 K 376/97)

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hat im Jahr 1964 auf einer mit seinem PKW ausgeführten Dienstfahrt einen Unfall gehabt, bei dem der PKW einen Totalschaden erlitt. An dem Unfall traf den Steuerpflichtigen kein Verschulden. Er erhielt aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers eine Ersatzleistung in Höhe von 1 700 DM und aus der Kaskoversicherung 425 DM.

Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich machte der Steuerpflichtige geltend: Es müßten ihm fiktive Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 55 v. H. der Anschaffungskosten zugestanden werden; dann ergebe sich unter Berücksichtigung des Verlustes der Schonbezüge in Höhe von 100 DM ein nichtersetzter Betrag von 731 DM, der als Werbungskosten anerkannt werden müsse. Bei der fiktiven AfA sei er von einer Gesamtfahrleistung von 100 000 km ausgegangen.

Das FA lehnte die Berücksichtigung ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte aus: Es sei davon auszugehen, daß durch die ersetzten Beträge der dem Steuerpflichtigen entstandene Verlust als ausgeglichen anzusehen sei. Der Steuerpflichtige sei eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum er einen nach seiner Ansicht nicht ersetzten Schadensersatzbetrag nicht dem Schädiger gegenüber geltend gemacht habe. Er hätte auch das Risiko eines Prozesses auf sich nehmen müssen, wenn er selbst davon überzeugt sei, daß sein Schaden die von ihm errechnete Höhe erreiche. Der Steuerpflichtige weise selbst darauf hin, daß er als nichtselbständig Tätiger nicht wie ein selbständiger Betriebsinhaber Bücher geführt habe. Dann könne er aber auch nicht die Anschaffungskosten seines Wagens, wie beispielsweise ein Kaufmann, der diese Kosten zur periodengerechten Gewinnermittlung aktiviere und abschreibe, als Verlust geltend machen, soweit sie noch zu Buche stehen würden. Die Unkosten, die durch die dienstliche Benutzung des Wagens zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden seien, habe der Steuerpflichtige durch Ansatz der Kilometerpauschale gemäß § 9 Nr. 4 EStG geltend gemacht. Darin sei die AfA enthalten. Die Inanspruchnahme der Pauschbeträge schließe es aus, später unabhängig davon noch eine besondere Berechnung der AfA aufzumachen. Wie groß der Verlust sei, der den Steuerpflichtigen getroffen habe, sei nicht an Hand einer fiktiven Buchführung, sondern im Streitfall durch Schätzung, gegebenenfalls die eines Sachverständigen, festzustellen. Im vorliegenden Fall sei der Schaden des Steuerpflichtigen Gegenstand eines Ersatzverfahrens zwischen ihm und den Versicherungsgesellschaften gewesen. Mit dem FA sei davon auszugehen, daß hierbei der Zeitwert des Wagens zur Zeit des Unfalls ermittelt und ersetzt worden sei. Wenn der Steuerpflichtige einen höheren Wertverlust geltend machen wolle, so genüge es nicht, hierfür die Berechnung eines fiktiven Buchwerts vorzunehmen.

Mit der vom FG ausdrücklich zugelassenen Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung des § 9 Nr. 6 EStG 1961. Er macht geltend: Die für das Zivilrecht und die Schadensersatzverpflichtung des Schädigers maßgebenden Grundsätze der §§ 249 ff. BGB würden nicht für das Steuerrecht gelten. Begriffe wie Anschaffungskosten, betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, AfA seien dem BGB unbekannt. Aus gutem Grund habe sich deshalb die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu der Frage der Höhe des Schadensersatzes bei einem PKW im Falle des Totalschadens auf den sogenannten Zeitwert eingespielt. Dieser sei aber für das Steuerrecht nicht maßgebend; hier würden die angeführten Grundsätze des § 7 Abs. 1 EStG, die kraft der ausdrücklichen Bezugnahme in § 9 Nr. 6 EStG 1961 über den Rahmen der Gewinneinkünfte auch für die sogenannten Überschußeinkünfte gelten würden, gelten. Die Entscheidung des anhängigen Verfahrens hänge also davon ab, wie die Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung zu errechnen sei. Das Verlangen, der Steuerpflichtige habe die in diesem Verfahren geltend gemachte Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung als Schaden gegenüber dem Schädiger im Prozeßweg geltend machen müssen, sei zumindest bei der gegebenen Sachlage verfehlt. Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Bemessung des Schadensersatzes in vergleichbaren Fällen erscheine es dem Revisionskläger auch heute noch aussichtslos, den Ersatz des oben errechneten Betrages im Prozeßweg durchzusetzen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Zu den Werbungskosten gehören auch bei den Einkünften, die auf Grund der Überschußrechnung ermittelt werden (§ 2 Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 EStG), AfA und Absetzung für Substanzverringerung (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1961). Wie der erkennende Senat im Urteil VI R 254/68 vom 16. Februar 1970, (BFH 99, 300, BStBl II 1970, 662) entschieden hat, sind Kosten zur Beseitigung von Körper- oder Sachschäden, die ein Arbeitnehmer auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erleidet, vom Abzug als Werbungskosten jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer den Unfall durch einen nur leicht fahrlässigen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften verursacht hat. Werbungskosten liegen aber nicht vor, soweit der Arbeitnehmer von dritter Seite Ersatz erhält.

Durch die Pauschsätze für Aufwendungen bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem PKW werden nur die gewöhnlichen Kosten einschließlich der normalen AfA abgegolten. Außergewöhnliche Unfallkosten können neben den Pauschsätzen geltend gemacht werden. Die Berücksichtigung der Unfallkosten erfolgt je nach Sachlage durch eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung oder durch Ansatz der tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten.

Der Senat hat diese Grundsätze u. a. im Urteil VI R 182/67 vom 22. November 1968 (BFH 94, 325, BStBl II 1969, 160) bestätigt. Sie sind auch anzuwenden, wenn der Unfall nicht auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern auf einer anderen beruflich veranlaßten Fahrt entstanden ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das FG zutreffend die Berücksichtigung von Werbungskosten im Streitfall verneint. Es ist dem FG darin beizupflichten, daß der Steuerpflichtige den vollen Ersatz seines Schadens von dritter Seite, nämlich aus den beiden Versicherungen erhalten hat.

Der Auffassung des Steuerpflichtigen, daß sich bei Berücksichtigung der AfA ein die Ersatzleistung übersteigender Verlust ergebe, ist das FG mit Recht nicht gefolgt. Nach dem Urteil VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) kann allerdings dann, wenn der eigene PKW des Arbeitnehmers auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder auf einer Dienstfahrt zerstört wird, eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung nach § 9 Nr. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG 1961 vorgenommen werden. Damit ist aber nur die systematische Einordnung der zu berücksichtigenden Werbungskosten aufgezeigt. Daraus folgt nicht, daß zur Feststellung der Höhe der Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung die gleichen Berechnungen angestellt werden müßten wie sie sich im Fall eines unter § 4 oder § 5 EStG fallenden Steuerpflichtigen aus dessen Buchführung ergeben. Wie das FG mit Recht ausgeführt hat, kann an der Tatsache nicht vorbeigegangen werden, daß der Steuerpflichtige als Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führt und insbesondere auch die von ihm als Werbungskosten in Anspruch genommenen – in den entsprechenden Pauschsätzen enthaltenen – Absetzungen nicht festgehalten hat. Ebensowenig kann unberücksichtigt bleiben, daß auch die auf die private Nutzung entfallenden Absetzungen nicht festgehalten sind. Für eine nachträgliche Rechnung, wie sie dem Steuerpflichtigen vorschwebt, fehlt es demnach an jeglicher Grundlage. Als Ausgangspunkt könnten ohnehin nicht einfach die Anschaffungskosten genommen werden, darf doch nicht übersehen werden, daß der Wagen des Steuerpflichtigen, mag er auch für berufliche Fahrten benutzt worden sein, voll zum Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehörte und in erster Linie der privaten Nutzung diente, so daß anders als bei zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern – und auch anders als z. B. bei Arbeitsmitteln im Sinne von § 9 Nr. 5 EStG 1961 – eine laufende Abschreibung der Anschaffungskosten von vornherein ausschied. Was der Steuerpflichtige hier verloren hat, ist also ein zu seinem Privatvermögen gehörender Wagen in dem Zustand und Wert, den er zu der Zeit des Unfalls gehabt hat. Nach diesem „Einsatz” (vgl. auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) bestimmt sich der Verlust. Unter diesen Umständen kann höchstens der Zeitwert des Wagens als Ausgangspunkt für die außergewöhnliche Abnutzung genommen werden.

Das FG hat festgestellt, daß dem Steuerpflichtigen der volle Zeitwert seines Wagens ersetzt worden ist. An diese Feststellung ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da hiergegen zulässige und durchgreifende Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind. Daß das FG den Zeitwert für maßgebend angesehen hat, ist wie dargelegt nicht zu beanstanden; ebensowenig, daß eine Absetzung insoweit verneint ist, als der Steuerpflichtige Ersatz erhalten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557275

BStBl II 1970, 764

BFHE 1971, 39

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