Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht durch Abschluss eines Kaufvertrages über ein nicht vermietetes Grundstück

 

Leitsatz (NV)

1. Stimmt ein Steuerpflichtiger der Veräußerung eines nicht vermieteten Grundstücks durch einen Dritten zu, so hat er mit dem Abschluss des Kaufvertrages die Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, endgültig aufgegeben.

2. Fasst der Steuerpflichtige zu späterer Zeit wegen des Scheiterns der Veräußerung wieder eine Vermietung des Grundstücks ins Auge, so bedarf es für die Annahme einer Einkünfteerzielungsabsicht eines neuen endgültigen Entschlusses, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 12.12.2000; Aktenzeichen 7 K 7333/98; EFG 2002, 252)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Gründungsgesellschaftern, A und B, sowie der 1996 beigetretenen C-GmbH. Die Geschäftsführung der Klägerin steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Gesellschaftszweck ist die Bebauung und anschließende Vermietung eines im Jahr 1991 erworbenen Grundstücks in K. Das Grundstück war mit einem zum Abriss bestimmten Einfamilienhaus bebaut.

Nach dem Erwerb des Grundstücks ließen A und B die Planung für ein zu errichtendes Geschäftshaus erstellen. Die Baugenehmigung hierfür wurde im Dezember 1992 erteilt. Im gleichen Jahr wurde ein Anlegerprospekt für eine durch Aufnahme weiterer Gesellschafter zu gründende Bauherrengemeinschaft entworfen, die das Geschäftshaus nach Fertigstellung vermieten sollte. Zur Realisierung dieser Planungen kam es jedoch nicht.

Am 2. Juli 1993 verkaufte eine aus der A & Partner Bauträger- und Baubetreuungsgesellschaft mbH und einer GmbH bestehende E-GbR, vertreten durch A und mit Kenntnis und Billigung der Klägerin, das Grundstück an F. Im Vertrag war ausgeführt, die Klägerin werde das Grundstück an die E-GbR verkaufen.

Da F den Kaufpreis nicht aufbringen konnte, wurde jedoch weder der Kaufvertrag vollzogen noch kam es zu der darin erwähnten Veräußerung des Grundstücks an die E-GbR; das Grundstück befindet sich weiterhin im Eigentum der Klägerin. Die Baugenehmigung für das Geschäftshaus wurde alle zwei Jahre verlängert, mit dessen Errichtung aber nicht begonnen. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, aufgrund der schleppenden Vermietung anderer Projekte und der Auflagen der finanzierenden Banken solle mit der Errichtung des Hauses erst begonnen werden, wenn ein Vermietungsstand von ca. 60 bis 70 v.H. gesichert sei. Aufgrund der Lähmung des Mietermarkts in K sei kein Ansatz für eine konkrete Weiterführung des Projekts gegeben. Dies habe es ratsam erscheinen lassen, die Realisierung der Planungen bis zu einer grundlegenden Besserung der Nachfragesituation zurückzustellen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte zunächst in den Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1991 bis 1994 erklärungsgemäß die Finanzierungskosten der Klägerin als vorab entstandene Werbungskosten Die Feststellungen ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Nach Durchführung einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die GbR habe zwar bis Mitte 1993 die Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Ab Juli 1993 seien jedoch keine Einkünfte mehr festzustellen, weil durch den Grundstückskaufvertrag dokumentiert sei, dass die Klägerin ihre Einkünfteerzielungsabsicht aufgegeben habe. Für ein späteres Wiederaufleben der Einkünfteerzielungsabsicht gebe es keine Anhaltspunkte. Dementsprechend änderte das FA die Feststellungsbescheide für 1993 und 1994 nach § 164 Abs. 2 AO 1977 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Das Finanzgericht (FG) wies in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 252 veröffentlichten Urteil die Klage hinsichtlich der Jahre 1993 und 1994 (Streitjahre) ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie das Urteil des FG hinsichtlich der Streitjahre 1993 und 1994 angefochten hat.

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Schlussfolgerung des FG, die Klägerin habe ihre Einkünfteerzielungsabsicht aufgeben, weil neben einer möglicherweise weiterhin bestehenden Vermietungsabsicht im Juli 1993 die Bereitschaft zum Verkauf des Grundstücks bestanden habe, sei fehlerhaft. Von einer Veräußerungsabsicht der Klägerin könne aufgrund dieses Einzelfalls nicht gesprochen werden. Der Würdigung des FG liege zudem ein fehlerhaftes Verständnis des Tatbestandsmerkmals der Einkünfteerzielungsabsicht zugrunde: Eine alternative Vermietungs- oder Veräußerungsabsicht sei für die Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht ausreichend.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung hinsichtlich der Jahre 1993 und 1994 aufzuheben, die geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1993 und 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuändern und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für erforderlich zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die tatsächliche Würdigung des FG, die Klägerin habe zunächst Mitte 1993 ihre Einkünfteerzielungsabsicht endgültig aufgegeben und später keinen endgültigen neuen Entschluss gefasst, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig; denn eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beteiligtenfähig und nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFH/NV 2004, 1323).

2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (z.B. BFH-Urteile vom 25. März 2003 IX R 56/00, BFH/NV 2003, 1170; vom 11. März 2003 IX R 16/99, BFH/NV 2003, 1043, jeweils m.w.N.).

Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind, können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung solcher Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 2. a; BFH-Urteile vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761; vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403 unter II. 3. b). Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat (BFH-Urteile vom 4. März 1997 IX R 29/93, BFHE 183, 75, BStBl II 1997, 610 unter 2.; vom 4. November 2003 IX R 55/02, BFH/NV 2004, 484 unter II. 1.) und dieser Entschluss später nicht wieder weggefallen ist (BFH-Urteil vom 27. Januar 1993 IX R 64/88, BFH/NV 1993, 528; BFH-Beschluss vom 21. September 2000 IX B 75/00, BFH/NV 2001, 585, m.w.N.).

a) Hatte der Steuerpflichtige den Entschluss zur Einkünfteerzielung zunächst endgültig gefasst und noch nicht wieder aufgegeben, kann allerdings regelmäßig nicht allein deshalb, weil er seine Immobilie auch zum Verkauf anbietet, von einer endgültigen Aufgabe einer zuvor bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden, solange er sich ernsthaft und nachhaltig um ihre Vermietung bemüht (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juli 2003 IX R 102/00, BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940; vom gleichen Tag IX R 30/00, juris-Dokument Nr. STRE200351488; vom 14. Oktober 2003 IX R 11/03, juris-Dokument Nr. STRE200351555).

b) Hat der Steuerpflichtige jedoch seinen zunächst gefassten Entschluss, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, endgültig aufgegeben, etwa indem er den Verkauf des Objekts betrieben hat, können spätere Aufwendungen solange nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, bis die Einkünfteerzielungsabsicht aufgrund eines neuen endgültigen Entschlusses, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wieder eingesetzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1993 IX R 69/89, BFH/NV 1993, 532).

c) Ob im Einzelfall die Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, entscheidet das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Revisionsgericht kann --neben der Überprüfung der insoweit maßgebenden Kriterien-- diese tatsächliche Würdigung des FG nur darauf hin überprüfen, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Die Gesamtwürdigung durch das FG hat schon dann revisionsrechtlich Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juli 2002 IX R 99/00, BFH/NV 2002, 1563; vom 9. Mai 2000 VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660 unter A. I. 3. a).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zunächst ist die tatsächliche Würdigung des FG, die Klägerin habe Mitte 1993 die Absicht gehabt, das Grundstück zu veräußern, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG, die E-GbR habe mit Kenntnis und Billigung der Klägerin im Juli 1993 das Grundstück der Klägerin an F verkauft, möglich; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

b) Auch die Schlussfolgerung des FG, die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin sei mit Abschluss des Kaufvertrages zwischen der E-GbR und F weggefallen, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist das FG von einer "möglicherweise noch fortdauernden Absicht" der Klägerin "zur Nutzung der geplanten Immobilie durch Vermietung" ausgegangen; dies allein trägt die Verneinung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 IX R 30/00, juris-Dokument Nr. STRE200351488 unter II. 2. b). Jedoch hat das FG darüber hinaus ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin im Juli 1993 den Verkauf des Grundstücks betrieben und dem Kaufvertrag zwischen der E-GbR und F zugestimmt hat. (Erst) diese zusätzliche Feststellung trägt die tatsächliche Würdigung des FG, die Klägerin habe den Entschluss, Einkünfte aus der Vermietung des Geschäftshauses zu erzielen, endgültig aufgegeben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 532).

c) Zuletzt ist die tatsächliche Würdigung des FG, die Klägerin habe nach dem Scheitern der Veräußerung an F keinen endgültigen --neuen-- Entschluss gefasst, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG konnte nach dem Scheitern der Veräußerung Aktivitäten der Klägerin, die sich in der gebotenen Eindeutigkeit einer geplanten Nutzung durch Vermietung zuordnen ließen, nicht feststellen, sondern ist von einer unverändert fortdauernden Absicht zur Verwertung des Grundstücks ausgegangen. Auch diese Würdigung ist angesichts des Umstands, dass das FG in der Folgezeit keine ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen der Klägerin mehr festgestellt hat, möglich; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Der Antrag der Klägerin, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; dafür ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (BFH-Beschluss vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56; BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 34/97, BFH/NV 2002, 768).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1241218

BFH/NV 2005, 37

HFR 2004, 1194

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