Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffung oder Herstellung eines Films als immaterielles Wirtschaftsgut

 

Leitsatz (NV)

Die Herstellung eines Filmwerks ist regelmäßig als Schaffung eines immateriellen Wirtschaftsguts zu beurteilen; sie führt nicht zu einem Selbstverbrauch i. S. des § 30 Abs. 2 UStG 1967.

 

Normenkette

UStG 1967 § 30 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt die Herstellung, den Vertrieb und die Wartung von . . .-geräten. Sie erwarb im Jahr 1971 einen nach Ideen und unter Mitwirkung eines ihrer Gesellschafter hergestellten Film über die Notwendigkeit des Einsatzes von . . .-geräten und deren Wirkungsweise. Außer dem Markennamen, unter dem die Klägerin ihre Produkte vertrieb, im Vorspann des Films enthielt dieser keinen unmittelbaren Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin. Das Finanzamt sah in der Zuführung des Films zum Anlagevermögen der Klägerin einen umsatzsteuerpflichtigen Selbstverbrauch. Das Finanzgericht gab der Klage statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Das Finanzgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin mit dem Filmstreifen als Fixierung des Filmwerks ein immaterielles und kein körperliches Wirtschaftsgut im Sinn des § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 dem Anlagevermögen zugeführt hat. Es ist von der maßgeblichen einkommensteuerrechtlichen Bestimmung des Wirtschaftsgutsbegriffs ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1974 V R 30/74, BFHE 114, 295, BStBl II 1975, 344). Selbstverbrauchsteuer ist nicht entstanden.

Der Bundesfinanzhof hat bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Herstellung oder Verwertung von Filmwerken stets auf den wirtschaftlichen Gehalt dieser Vorgänge, die insbesondere durch die Rechtsgestaltungen des Urheberrechts geprägt sind, abgestellt.

Bei der Herstellung von Filmwerken, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG vom 9. September 1965, BGBl I 1965, 1273, urheberrechtlich geschützt sind, werden nach §§ 88, 89 UrhG im Zweifel dem Hersteller ausschließliche Nutzungsrechte an den Verwertungsrechten der Urheber (§ 15 UrhG) eingeräumt. Der Hersteller ist damit zur Nutzung des Filmwerks auf alle bekannten Nutzungsarten berechtigt. Der Hersteller hat zudem nach § 94 UrhG im Hinblick auf seine wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Leistung (die sich im fertiggestellten Filmwerk verkörpert) ein originäres Leistungsschutzrecht. Er hat das ausschließliche Recht, den Bild- und Tonträger, auf dem das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung oder Funksendung zu benutzen. Daraus folgt das uneingeschränkte Recht des Filmherstellers zur kommerziellen Verwertung in den vorbezeichneten Nutzungsarten (vgl. z.B. Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Kommentar 1970, § 94 Anm. 1; v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2. Aufl., 1984, Kapitel 61 Rdnrn. 1, 2).

An den Bildfolgen ohne Filmwerkcharakter (sog. Laufbilder) gewährt § 95 UrhG die originären Leistungsschutzrechte des § 94 UrhG dem Hersteller in entsprechender Anwendung.

Für die Verwertung von Filmwerken und sonstigen Bildfolgen ergibt sich aus den dargestellten Regelungen des Urheberrechtsgesetzes, daß sie sich in Gestalt von Rechtseinräumungen (Überlassung von Nutzungsrechten nach § 31 UrhG) oder durch Rechtsüberlassung (Abtretung von Leistungsschutzrechten, § 94 Abs. 2 UrhG) vollzieht. Die Überlassung des Werk- oder Vervielfältigungsstücks, d.h. des Filmträgers als dem körperlichen Substrat der aufgezeichneten Bild- und Tonfolge, folgt aus dieser Befugnis (vgl. das Urteil des Senats vom 29. November 1984 V R 96/84, BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271).

Aufgrund dieser Rechtsgestaltungen des Urheberrechts hat der Bundesfinanzhof bereits im Urteil vom 20. November 1970 VI R 44/69 (BFHE 100, 555, BStBl II 1971, 186) zur Investitionszulage nach § 19 BHG 1964 erkannt, daß durch die Herstellung eines Spielfilms beim Filmhersteller ein immaterielles Wirtschaftsgut geschaffen wird; denn das Recht des Filmherstellers aus § 94 UrhG stellte den eigentlichen wirtschaftlichen Wert dar, der verwendet wird; ihm gegenüber tritt der Wert des Filmstreifens als körperlicher Gegenstand derartig in den Hintergrund, daß er bei der Bewertung außer Ansatz bleiben kann bzw. in der Bewertung der gesamten Herstellungskosten aufgeht (vgl. auch zur Beurteilung der in einem Unternehmen der Schallplattenindustrie hergestellten Tonträger als immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens: BFH-Urteil vom 28. Mai 1979 I R 1/76, BFHE 128, 367, BStBl II 1979, 734).

Aufgrund derselben Erwägungen hat der erkennende Senat bei Vorgängen der Rechtseinräumung nach dem Urheberrecht, die mit der Überlassung von Werkoder Vervielfältigungsstücken verbunden ist, in der Rechtseinräumung den wesentlichen Charakter der Leistung gesehen, weil sich darin der eigentliche wirtschaftliche Wert verkörpert, hinter dem der Eigentumswechsel am Werk- oder Vervielfältigungsstück zurücktritt (Urteile vom 19. Februar 1976 V R 92/74, BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 - Filmherstellung in Auftragsproduktion -; vom 25. November 1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270 - Überlassung von Offsetfilmen zum Druck von Reklamematerial -; und BFHE 142, 319, BStBl II 1985, 271 - Vermietung von Videocassetten -).

Das Finanzgericht hat diese Grundsätze zutreffend angewendet. Das Finanzamt kann demgegenüber mit seinem Revisionsvortrag, der Film sei als Werbefilm im Auftrag sowie im Namen und für Rechnung der Klägerin hergestellt worden, und sie habe bei dieser Gestaltung nur den Film als körperliches Wirtschaftsgut ihrem Anlagevermögen zugeführt, weil sie bereits von vornherein Inhaber der Verwertungsrechte im Sinn des § 94 UrhG gewesen sei, nicht durchdringen.

Soweit das Finanzamt seine Revision darauf stützt, die Klägerin habe die Herstellung in ihrem Namen und für ihre Rechnung durch die Produktionsfirma durchführen lassen, handelt es sich im wesentlichen um einen neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann; denn das Finanzamt hat hinsichtlich der einschlägigen Feststellungen des Finanzgerichts keine Verfahrensrüge (fehlerhafte Sachverhaltsermittlung) geltend gemacht (§ 118 Abs. 2 FGO). Im übrigen hätte der jetzt vorgetragene Sachverhalt die Rechtsfolge, daß die Klägerin selbst als Hersteller des Filmwerks anzusehen wäre, weil der Produzent mangels eigener Einwirkungsmöglichkeit nur als Herstellungsleiter der Klägerin bzw. als deren Erfüllungsgehilfe bei der Herstellung angesehen werden müßte (sog. unechte Auftragsproduktion, vgl. v. Hartlieb, a.a.O., Kapitel 60 Rdnrn. 6 ff.; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1961 V 231/59, HFR 1962, 287). Die Klägerin hätte in diesem Fall die Leistungsschutzrechte aus § 94 UrhG als Filmhersteller unmittelbar erhalten. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann daraus aber nicht gefolgert werden, daß diese Verwertungsrechte losgelöst von der Zuführung des Films in Form des Werkstücks gesehen werden durften.

Geht man aufgrund der Feststellung des Finanzgerichts davon aus, daß die Klägerin mit der Herstellung des Films einen Produzenten als selbständigen Unternehmer beauftragte, der in Abstimmung mit der Klägerin tätig wurde (sog. echte Auftragsproduktion, siehe dazu v. Hartlieb, a.a.O., Abschn. 60 Rdnr. 2 ff.; Möhring/Nicolini, a.a.O., § 94 Anm. 2; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, Kommentar, 5. Auflage 1983, § 94 Bem. 6), folgt ebenfalls nicht, daß sich dieser Auftrag lediglich auf die Übergabe des gebrauchsfertigen Filmstreifens (Werklieferung eines körperlichen Wirtschaftsguts) beschränkt hätte, weil den Verwertungsrechten wirtschaftlich keine Bedeutung zugekommen sei.

Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Februar 1976 V R 92/74, BFHE 118, 255, BStBl II 1976, 515 a.E., ausgeführt hat, lassen die tiefgreifenden Veränderungen der Rechtsstellung des Filmherstellers durch das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht zu, die - den Erkenntnissen dieses Urteils entgegenstehenden - Grundsätze der früheren Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung bei der sog. Auftragsproduktion weiterhin anzuwenden.

Ob der hier maßgebliche Film als Informationsfilm oder als Werbefilm anzusehen ist, ist unerheblich. Die Darstellung im Urteil des Finanzgerichts (S. 8), jedenfalls bei der von der Klägerin verwendeten Fassung des Filmstreifens könne nicht von einem Werbefilm gesprochen werden, ist im wesentlichen eine Würdigung des festgestellten Sachverhalts, die für die Revisionsentscheidung bindend ist, weil sie weder in sich widersprüchlich ist noch auf unrichtiger Anwendung einer Norm beruht. Im übrigen kann der Senat der Auffassung des Finanzamts, im vorliegenden Fall sei es der Klägerin nur auf den Erwerb der einwandfreien Filmkopie angekommen, auch dann nicht folgen, wenn man (entsprechend dem Schreiben des Finanzamts vom 14. März 1978) seine Ausführungen dahingehend relativiert, daß weniger auf die Bezeichnung als Werbefilm oder Informationsfilm abzustellen sei, sondern auf den im Finanzgerichtsurteil zutreffend beschriebenen Inhalt des Films, der den Unterschied zum Spielfilm zeige. Diese Abgrenzung zum Spielfilm ist unbehelflich. Urheberrechtlich sind auch sog. Industrie- und Werbefilme schutzfähige Filmstreifen des (beauftragten) Filmherstellers (§ 94 Urheberrechtsgesetz), sofern ihnen grundsätzlich ein gedanklicher Inhalt zugrunde liegt und sie besondere schöpferische Eigenarten erkennen lassen (vgl. Möhring/Nicolini, a.a.O., § 95 Anm. 2b aa). An dieses originelle geistige Konzept sind keine hohen Anforderungen zu stellen (v. Hartlieb, a.a.O., Kapitel 93 Rdnr. 4). Nach dem festgestellten Sachverhalt ist vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen. Überdies hat auch der Filmhersteller einer solchen Auftragsproduktion im Zweifel sämtliche urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse am Filmstreifen auf den Besteller übertragen.

Das Finanzgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend diese Rechtsauffassung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine Sachverhaltswürdigung, bei der Filmüberlassung an die Klägerin sei vor allem dem Erwerb der Leistungsschutzrechte des § 94 Urheberrechtsgesetz mit der uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeit vorrangig, trifft zu. Die Klägerin hat die Herstellerrechte des § 94 Urheberrechtsgesetz - wie die Feststellungen des Finanzgerichts zeigen - in Anspruch genommen. Sie hat mehrere Kopien des Films an verschiedene Interessenten zur Aufführung verteilt, also den Film vervielfältigt und verbreitet. Zudem hat sie ihn selbst ihren Kunden und anderen interessierten Personen (also einer nicht in bestimmter Weise geschlossenen Personengruppe und damit öffentlich) vorgeführt. Die Folgerung des Finanzgerichts, daß für die Klägerin die urheberrechtliche Verwertungsbefugnis an dem Filmwerk der maßgebliche Wert war, hinter dem das Eigentum am (körperlichen) Werkstück zurücktrat, ist im Hinblick auf diese Feststellungen nicht widersprüchlich. Revisionsrügen hinsichtlich der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung hat das Finanzamt nicht vorgetragen.

Der festgestellte Sachverhalt des vorliegenden Falles ist nicht mit der Fallgestaltung des Urteils vom 25. November 1976 V R 71/72 (BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270) vergleichbar, in dem der Senat die Überlassung von Offsetfilmen, die unmittelbar zum Druck von Reklamematerial verwendet wurden, als Lieferung beurteilte. Dort war es dem Auftraggeber auf die Herstellung und Übergabe handwerklich und technisch einwandfreier, für das Offsetdruckverfahren unmittelbar verwendbarer Filme angekommen. Ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen bezüglich der Überlassung von Veröffentlichungs- oder Vervielfältigungsrechten waren nicht feststellbar. Bei dieser einheitlichen Leistung überwog der Charakter der Lieferung gegenüber dem der sonstigen Leistung.

Die Herstellung bzw. der Erwerb des Films im vorliegenden Fall diente - wie bereits ausgeführt - anderen Zwecken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414007

BFH/NV 1985, 58

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