Leitsatz (amtlich)

Die sogenannte Ladenrechtsprechung ist nicht anwendbar, wenn beim Verkauf von Schreibmaschinen klare schriftliche Verträge mit dem Herstellerwerk geschlossen werden. Der in den Urteilen des RFH V A 567/36 vom 16. Juli 1937 (RFH 41, 328, RStBl 1937, 959) und V 203/40 vom 14. Mai 1943 (RStBl 1943, 460) vertretenen strengeren Auffassung schließt sich der Senat nicht an.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) vertrieb in den Jahren 1955 bis 1959 neue und gebrauchte Schreibmaschinen. Er benutzte zunächst ein Zimmer seiner Wohnung als Büro- und Geschäftsraum, verlegte später seinen Betrieb in einen Büroraum mit Schaufenster, in dem Schreibmaschinen nicht ausgestellt wurden, und mietete schließlich (1957, 1958, 1959) Ladengeschäfte in K sowie in vier anderen Städten, in denen er einen geringen Teil der Gesamtumsätze bewirkte. Den weitaus überwiegenden Teil der Umsätze erzielte der Steuerpflichtige dadurch, daß er mit einer Kolonne von Vertretern in verschiedene Orte reiste, dort Interessenten (Gewerbetreibende, Anwälte, Ärzte usw.) aufsuchte und ihnen Schreibmaschinen zum Kauf anbot. Außerdem führte er in für kurze Zeit gemieteten Räumen von Hotels größerer Städte Verkaufsausstellungen durch. Sowohl bei den in den eigenen Läden abgeschlossenen als auch bei den durch direkte Kundenbesuche oder bei Verkaufsausstellungen zustande gekommenen Geschäften tätigte der Steuerpflichtige Barverkäufe oder schloß auf Wunsch der Abnehmer Teilzahlungsverträge ab. In den letztgenannten Fällen wurden Vordrucke, die dem Steuerpflichtigen von den in Betracht kommenden Firmen überlassen waren, ausgefüllt. Der Interessent bestellte damit bei den mit Firmennamen und Anschriften genau bezeichneten Herstellerwerken bzw. gelegentlich bei einem Büromaschinengroßhändler eine Schreibmaschine ab Werk unter Anerkennung der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Nach diesen ist Verkäufer das Herstellerwerk bzw. der Großhändler, die berechtigt sind, den Kaufantrag abzulehnen. An die Verkäufer allein waren Mängelrügen zu richten und Zahlungen - mit Ausnahme der vereinbarten Anzahlung - zu leisten. Die Finanzierung übernahm das Herstellerwerk bzw. ein von diesem benanntes Kreditinstitut. In den Bestellvordrucken wurde der Steuerpflichtige als Vertreter oder Vermittler bezeichnet. Wenn der Steuerpflichtige die gewünschte Maschine auf Lager hatte, händigte er sie mit Lieferschein der Herstellerfirma an den Kunden aus, anderenfalls lieferte das Werk die Schreibmaschine unmittelbar an den Kunden. Bei Lieferungen vom eigenen Lager erhielt der Steuerpflichtige vereinbarungsgemäß kostenlos vom Werk eine andere Maschine. Möglicherweise eintretende Verluste aus solchen Teilzahlungsgeschäften trugen die Herstellerfirmen. Bei Barverkäufen, die Groß- und Einzelhandelslieferungen umfaßten, betrachtete sich der Steuerpflichtige als Lieferer (Eigenhändler), bei den Teilzahlungsgeschäften als Vermittler und insoweit erklärte er lediglich die vereinnahmten Provisionen als steuerpflichtige Entgelte.

Nach einer Betriebsprüfung berichtigte der Beklagte und Revisionskläger (FA) in einem Sammelbescheid die Veranlagungen für 1955 bis 1957. Für 1958 veranlagte er den Steuerpflichtigen erstmals und für 1959 endgültig zur Umsatzsteuer. Dabei folgte das FA der Auffassung des Betriebsprüfers, daß der Steuerpflichtige wegen der Teilzahlungsgeschäfte nach der sogenannten Ladenrechtsprechung nicht als Vermittler angesehen werden könne.

Die Sprungberufung des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG hat inhaltlich zur Begründung seiner Entscheidungen ausgeführt, daß der Steuerpflichtige bei den Teilzahlungsgeschäften, wie sich aus den Kaufantragsformularen bzw. Bestellscheinen eindeutig ergebe, den Abnehmern gegenüber erkennbar nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sondern als Vermittler (Handelsvertreter) der Herstellerwerke bzw. des Großhändlers aufgetreten sei. Seine Tätigkeit habe bei diesen Geschäften lediglich in einer sonstigen Leistung, nämlich der Vermittlung von Kaufangeboten bestanden und nur das Entgelt dafür, d. h. die Provision, sei der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Mit den gegen die Vorentscheidungen betreffend die Jahre 1955, 1958, 1959 sowie 1956 und 1957 gerichteten Revisionen rügt das FA mangelnde Sachaufklärung durch das FG.

Das angefochtene Urteil verletze auch materielles Recht, da der im eigenen Laden verkaufende und aus eigenen Beständen liefernde Unternehmer nach der Rechtsprechung der Steuergerichte Eigenhändler und nicht Vermittler sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA kann keinen Erfolg haben.

Die Rüge, das FG habe die ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt, ist nicht begründet.

Auch in sachlicher Beziehung ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden, daß die sogenannte Ladenrechtsprechung im gegebenen Fall nicht anwendbar ist. In aller Regel wird zwar ein Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkauft, als Eigenhändler und nicht als Vermittler anzusehen sein, weil der Kunde ihn als Verkäufer betrachtet, zu dem er in unmittelbare Rechtsbeziehungen treten will. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Läßt jedoch das Auftreten nach außen, dem eine entscheidende Bedeutung zukommt, eindeutig erkennen, daß der Unternehmer für einen anderen handelt, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig wird, kann eine andere rechtliche Beurteilung geboten sein. Das FG konnte nach den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen ohne Rechtsverletztung annehmen, daß der Steuerpflichtige bei den Teilzahlungsgeschäften als Vermittler der Herstellerwerke bzw. des Großhändlers gehandelt hat. Es kann hier unerörtert bleiben, ob die Grundsätze über Verkäufe im eigenen Laden überhaupt anzuwenden sind in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige oder seine Vertreter Interessenten in deren Geschäftsräumen, Büros oder Wohnungen aufgesucht und dort Teilzahlungsgeschäfte abgeschlossen haben. Entscheidend ist, daß es sich bei allen streitigen Fällen nicht um Bargeschäfte oder um Verkäufe mit einem kurzen Zahlungsaufschub gehandelt hat, wie sie in Ladengeschäften üblich sind. Vielmehr unterschrieben die Kunden, und zwar in der Mehrzahl der Fälle in ihren eigenen Räumen, schriftliche Bestellungen, aus denen sich unzweifelhaft ergab, daß Verkäufer der Schreibmaschinen nicht der Steuerpflichtige, sondern eine der Herstellerfirmen oder der Großhändler war. Bei dieser Sachlage mußte, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, selbst der wirtschaftlich nicht erfahrene Kunde erkennen, daß er die Maschine bei den Werken bzw. beim Großhändler bestellt habe, zumal er die vereinbarten Teilzahlungsbeträge nicht an den Steuerpflichtigen, sondern auf ein im Bestellschein angegebenes Konto der Herstellerwerke usw. überweisen mußte, Mängelrügen nur gegenüber diesen geltend machen konnte und den Eigentumsvorbehalt der Werke usw. bis zur Tilgung des Kaufpreises anerkannte.

In einem ähnlich gelagerten Fall, in dem alle Teilzahlungsgeschäfte in den Ladenräumen des Unternehmers abgeschlossen wurden, hat der erkennende Senat entschieden, daß die Grundsätze der sogenannten Ladenrechtsprechung nicht anzuwenden sind, wenn beim Verkauf von Büromaschinen auf Teilzahlung klare schriftliche Verträge mit dem Herstellerwerk geschlossen werden und daß anderen Umständen, wie dem Vorführen und der Auslieferung der Maschinen durch den Unternehmer, eine maßgebliche Bedeutung nicht zukommt (BFH-Urteil V 49/64 vom 7. Oktober 1965, abgedruckt in Umsatzsteuer-Rundschau 1966 S. 174). In dieser Entscheidung wird weiterhin ausgeführt, daß der Senat der in den Urteilen des RFH V A 567/36 vom 16. Juli 1937 (RFH 41, 328, RStBl 1937, 959) und V 203/40 vom 14. Mai 1943 (RStBl 1943, 460) vertretenen strengeren Auffassung, auf die sich das FA bezieht, nicht folgen kann. Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern.

Das FG ist daher ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gekommen, daß der Steuerpflichtige bei den Teilzahlungsverkäufen lediglich sonstige Leistungen durch Vermittlung von Kaufangeboten erbracht hat und demzufolge nur mit den Entgelten für diese Tätigkeit, den Provisionen, zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412946

BStBl II 1970, 511

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