Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des § 15 Abs. 3 bis 5 UStG 1967.

 

Normenkette

UStG 1967 § 15 Abs. 3-5

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Tabakwaren und in geringerem Umfang einen Großhandel mit Spirituosen, Süß- und Fleischwaren. Er ist seit 1946 erblindet. Für die gegenüber anderen Unternehmern bewirkten Umsätze hat er gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) zur Steuerpflicht optiert; im übrigen nimmt er die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 19 Buchstabe a) UStG 1967 in Anspruch. Im Rahmen seiner für den Besteuerungszeitraum 1969 abgegebenen Steuererklärung teilte er seine wegen § 15 Abs. 2 UStG 1967 nur teilweise abziehbaren Vorsteuerbeträge nach folgendem Verhältnis auf:

DM DM v.H.

Gesamtbetrag der

vereinbarten Entgelte (brutto) 1207 819 100

Gesamtbetrag der

steuerfreien Entgelte 989 382 81,91

Gesamtbetrag der

steuerpflichtigen Entgelte: 197 666

zuzüglich Umsatzsteuer 20771 218 437 18,09

Dementsprechend hielt der Kläger einen Anteil von 18, 09 v. H. seiner Vorsteuerbeträge für abziehbar.

Das Finanzamt (Beklagter) hat dem Kläger im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Jahr 1969 nur einen abziehbaren Anteil von 16,7 v. H. zuerkannt. Diesen hat es wie folgt berechnet:

DM v.H.

Gesamtbetrag der

vereinbarten Entgelte (netto) 1 187 598 100

Gesamtbetrag der

steuerfreien Entgelte 989 381 83,3

Gesamtbetrag der

steuerpflichtigen Entgelte (netto) 198 217 16,7

Der Einspruch des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. In seiner Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt ausgeführt: Für die Aufteilung sei § 15 Abs. 3 UStG 1967 maßgebend, da der Kläger die Möglichkeit einer Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 mit der Begründung nicht genutzt habe, für ihn sei der damit erforderliche Arbeitsaufwand unzumutbar. Eine Aufteilung gemäß § 15 Abs. 3 UStG 1967 habe nach dem Verhältnis der Nettoentgelte zu erfolgen; die vom Kläger bei den steuerpflichtigen Umsätzen in die Berechnung einbezogene Umsatzsteuer sei auszuscheiden.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Anerkennung seiner Aufteilungsmethode. Da der Beklagte einräume, daß die Anwendung des § 15 Abs. 3 UStG 1967 zu ungenauen Ergebnissen führe, die von ihm angewendete Methode dagegen Ungenauigkeiten vermeide, gehe der Rechtsstreit lediglich darum, ob seine Aufteilungsmethode der in § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 zugelassenen Aufteilungsmethode entspreche und daher vom Finanzamt anzuerkennen sei.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen: Eine Anwendung des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 scheide aus, weil der Kläger vom Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den Umsätzen abgewichen sei und es trotz der wiederholten Angebote des Finanzamts unterlassen habe, seine Aufzeichnungen unter Beachtung des § 22 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 zu führen. Die Ansicht des Klägers, seine Aufteilungsmethode sei derjenigen nach § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 gleichwertig, müsse bezweifelt werden. Bei der demzufolge gebotenen Anwendung des § 15 Abs. 3 UStG 1967 habe das Finanzamt zutreffend die auf die steuerpflichtigen Umsätze entfallenden Umsatzsteuern im Rahmen des Umsatzschlüssels nicht berücksichtigt, da der für § 15 Abs. 3 UStG 1967 maßgebliche Begriff des Umsatzes im Hinblick auf die Legaldefinition des § 10 Abs. 1 UStG 1967 die Einbeziehung der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer ausschließe.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter: In seinem Begehren auf Anerkennung der von ihm angewendeten Aufteilungsmethode sei ein Antrag auf Anwendung des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 zu sehen. Seine Berechnungsmethode entspreche mit ihrem Ergebnis genau der wirtschaftlichen Zuordnung von Vorsteuerbeträgen, wie sie § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 vorschreibe.

Der Kläger beantragt, die mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 1973 für 1969 endgültig festgesetzte negative Umsatzsteuerschuld von 4 904,50 DM um den Betrag von 1 515,54 DM zu erhöhen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

1. Bewirkt der Unternehmer neben Umsätzen, die zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG 1967 führen, auch Umsätze, bei denen wegen des § 15 Abs. 1 UStG 1967 ein solcher Ausschluß nicht eintritt, so sind die Vorsteuerbeträge nach abziehbaren und nicht abziehbaren aufzuteilen. Das Gesetz bestimmt in § 15 Abs. 3 und 4 UStG 1967 drei verschiedene Aufteilungsmethoden. Der Kläger muß grundsätzlich eine dieser drei Methoden anwenden, da er neben gemäß § 4 Nr. 19 Buchstabe a) UStG 1967 steuerfreien und mit dem Vorsteuerabzugsverbot verbundenen Umsätzen an Nichtunternehmer weitere Umsätze an Unternehmer bewirkt hat, für die er gemäß § 9 UStG 1967 zur Steuerpflicht optiert hat und insoweit gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1967 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

2. Für den Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 ist die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel gemäß § 15 Abs. 3 UStG 1967 die Regelaufteilungsmethode. Da sie im Verhältnis zu den Absätzen 1 und 2 des § 15 UStG 1967 zu ungenauen Ergebnissen führen kann, ist dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt, zur Vermeidung steuerlicher Nachteile beim Finanzamt den Antrag auf Anwendung einer der beiden anderen Aufteilungsmethoden zu stellen. Andererseits kann das Finanzamt dann, wenn die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel gemäß § 15 Abs. 3 UStG 1967 zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führen würde, eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG 1967 verlangen. Kraft dieser Vorschrift kann das Finanzamt diejenige Aufteilungsmethode festlegen, die am ehesten geeignet ist, Vorteile oder Nachteile zugunsten oder zu Lasten des Unternehmers bzw. des Fiskus zu vermeiden, also ein nach den Maßstäben des § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1967 sachlich zutreffendes steuerliches Ergebnis herbeizuführen.

Von diesem Bestimmungsrecht hat das Finanzamt - falls es nicht von sich aus tätig wird - dann Gebrauch zu machen, wenn der Unternehmer einen Antrag gemäß § 15 Abs. 4 UStG 1967 stellt. Über diesen Antrag ist grundsätzlich im Rahmen der Steuerfestsetzung zu entscheiden, so daß bei anderweitiger Festsetzung der Umsatzsteuer wegen Anwendung einer anderen Aufteilungsmethode der Einspruch und die Anfechtungsklage gegeben sind. Dies schließt jedoch nicht aus, daß das Finanzamt den Antrag des Unternehmers durch gesonderten Verwaltungsakt bescheidet und damit im Falle der Ablehnung die Anrufung des Gerichts im Wege der Verpflichtungsklage eröffnet.

Der Unternehmer, der zunächst nach der Aufteilungsmethode des § 15 Abs. 3 UStG 1967 vorgegangen ist, hat auch noch die Möglichkeit, bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu einer anderen Aufteilungsmethode überzugehen. Der Antrag ist, auch wenn bereits ein Klageverfahren läuft, an das Finanzamt zu richten. Das Finanzamt hat diesen Antrag zu prüfen und über ihn zu entscheiden. Das bei dem Gericht anhängige Verfahren ist gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluß des Antragsverfahrens auszusetzen. Gibt das Finanzamt dem Aufteilungsantrag statt, so muß es diese Entscheidung zur Grundlage einer neuen, die gewählte und bewilligte Aufteilungsmethode berücksichtigenden Steuerfestsetzung machen, die die bisherige Steuerfestsetzung hinfällig werden läßt. Dem Unternehmer bleibt unbenommen, die neue Steuerfestsetzung zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 FGO). Lehnt das Finanzamt den Aufteilungsantrag ab, kann der Unternehmer - wie bereits dargestellt - die Rechtmäßigkeit der Ablehnung im Wege der Verpflichtungsklage überprüfen lassen.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger spätestens im Rahmen des Einspruchsverfahrens dargelegt, daß er die von ihm gewählte Aufteilungsmethode nicht als eine des § 15 Abs. 3 UStG 1967 betrachte, sondern sie als eine von § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 abgedeckte Methode verstehe und sich daher auf diese Vorschrift stütze. In seiner Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 aus der Erwägung versagt, der Kläger habe es aus Gründen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwands abgelehnt, den im Zusammenhang mit der Aufteilungsmethode des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 erforderlichen Aufzeichnungspflichten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 zu genügen. Damit hat das Finanzamt einen Antrag des Klägers, seine Aufteilungsmethode als eine solche des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 anzuerkennen, im Rahmen der Steuerfestsetzung abgelehnt. Über die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung ist mithin im Rahmen der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage zu entscheiden.

3. Eine anderweitige Steuerfestsetzung unter Zugrundelegung der vom Kläger gewählten Aufteilungsmethode ist vom Gesetz nicht gedeckt. Die gewählte Aufteilungsmethode kann nicht aus § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 gerechtfertigt werden, weil sie systematisch nicht von einer Aufteilung nach der wirtschaftlichen Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den ausgeführten Umsätzen, sondern vom Umsatzschlüssel ausgeht. Der Kläger versucht diesem Systemmangel seiner Aufteilungsmethode mit dem Argument zu begegnen, sie entspreche im materiellrechtlichen Ergebnis genau der in § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 verankerten Aufteilungsmethode. Ob ein Unternehmer überhaupt von den im Gesetz vorgeschriebenen Aufteilungsmethoden aus den vom Kläger angeführten Gründen abweichen kann, kann dahingestellt bleiben; die Methode des Klägers jedenfalls entspricht weder § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967, noch gibt sie sonst einen zulässigen Maßstab.

Die Absätze 3 bis 5 des § 15 UStG 1967 lassen eine Aussage über den materiell-rechtlichen Grundsatz der Vorsteuerverteilung vermissen. Insbesondere läßt sich aus ihnen nicht herleiten, was ungerechtfertigte Steuervorteile sind, welche die Anordnung einer anderen Aufteilungsmethode rechtfertigen. Jedoch ist der Aufteilungsmaßstab aus § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1967 zu gewinnen, und daraus ist weiter abzuleiten, daß nur die Regelung des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 mit ihrer Aufteilung nach wirtschaftlicher Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den Umsätzen der gesetzlichen Zielsetzung in vollem Umfang gerecht wird.

Den mit dieser Aufteilungsmethode angestrebten Ergebnissen kann die Aufteilungsmethode des Klägers schon deswegen nicht entsprechen, weil bei ihm ein Nebeneinander von (steuerfreien) Kleinhandelsumsätzen und von (steuerpflichtigen) Großhandelsumsätzen gegeben ist und damit die unterschiedlichen Verkaufspreise im Groß- und Einzelhandel das Verhältnis der Umsatzzahlen beeinflussen, während die Vorsteuerbeträge für den Bezug der gehandelten Waren sich für Groß- und Einzelhandel in derselben Höhe bewegen (arg. § 17 des Tabaksteuergesetzes betreffend der Tabakwaren). Die Anwendung der Aufteilungsmethode des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 erfordert eine Aufschlüsselung der Vorsteuerseite, weshalb § 22 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 bindend vorschreibt, daß der Unternehmer die entsprechenden Aufzeichnungen führen muß. Der Kläger hat es jedoch abgelehnt, diese Aufzeichnungen zu führen und damit eine weitere Voraussetzung nicht erfüllt, die das Gesetz für die Anwendung der Aufteilungsmethode des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 vorschreibt.

Der Hinweis des Klägers auf Teil F. IV. Abs. 1 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 (BStBl I 1969, 349 [360], USt-Kartei § 15 S 7309 Karte 1) geht fehl. Dort ist ausgeführt, das Finanzamt könne dem Unternehmer eine solche Aufteilung der Vorsteuerbeträge gestatten, die ausschließlich den Grundsätzen einer sachgerechten Zuordnung dieser Beträge zu den Umsätzen, zu denen sie wirtschaftlich gehören, entspricht. Unter Beachtung dieses Grundsatzes ist jede Methode gestattet, die im gegebenen Einzelfall eine wirtschaftliche Zuordnung der Vorsteuerbeträge gewährleistet. Aus diesen Ausführungen kann entgegen dem Kläger nicht entnommen werden, daß der Bundesminister der Finanzen im Rahmen des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 eine prinzipiell andere Methode (Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel) hätte zulassen wollen.

4. Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seiner Aufteilungsmethode nicht auf § 15 Abs. 3 UStG 1967 stützen. Seine Aufteilung unterscheidet sich von derjenigen des Finanzamts dadurch, daß er zur Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel bei den steuerpflichtigen Umsätzen die auf den Nettopreis entfallende Umsatzsteuer hinzugerechnet hat, während der Beklagte sowohl bei den steuerpflichtigen als auch bei den steuerfreien Umsätzen von den Nettoentgelten ausgeht. Gemäß § 15 Abs. 3 UStG 1967 sind die Umsätze nach steuerpflichtigen und steuerfreien aufzuteilen. Umsätze sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 UStG 1967 in dem hier angesprochenen Bereich entgeltliche Leistungen. Ihr Wert wird (als Bemessungsgrundlage) gemäß § 10 Abs. 1 UStG 1967 mit einer Gegenleistung bestimmt, die die auf die entgeltliche Leistung entfallende Umsatzsteuer nicht einschließt. Dieses Ergebnis ist für die Vorsteueraufteilung auch sachgerecht, denn die auf das Entgelt entfallende Umsatzsteuer hat für das Vorsteuerverhältnis keine indizierende Wirkung. Außerdem wäre im Verhältnis zu den steuerfreien Umsätzen die Vergleichsbasis gestört.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73568

BStBl II 1980, 533

BFHE 1980, 107

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