Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgelt (in Gestalt einer Sachleistung) bei Grundstücksüberlassung

 

Leitsatz (NV)

  1. Entgelt (in Gestalt einer Sachleistung) für die Überlassung der Nutzung eines Grundstücks kann auch die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten sein, wenn das Gebäude entschädigungslos in das Eigentum des zur Grundstücksüberlassung Verpflichteten übergeht und der Vermögenszuwachs in einem Veranlassungszusammenhang mit der Nutzungsüberlassung steht, also z.B. seine Grundlage in einem Nutzungsvertrag hat. In diesen Fällen fließt der Wert der Sachleistung dem Grundstückseigentümer bereits beim Herstellen des Gebäudes in dem Umfang zu, in dem er durch die Verbindung der einzelnen Sachen mit dem Grundstück deren rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer wird.
  2. Verbindet z.B. ein Mieter (Nutzungsberechtigter) Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach feststehender Rechtsprechung regelmäßig ‐ auch bei massiver Bauweise oder langer Dauer des Nutzungsvertrages ‐ eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck geschieht.
 

Normenkette

AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; BGB §§ 94, 95 Abs. 1, § 946; EStG § 8 Abs. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 22.06.1999; Aktenzeichen 16 K 767/95; EFG 2000, 12)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), mit seiner Ehefrau im Streitjahr 1989 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt, vermietete eines seiner Grundstücke mit zwei Hallen sowie einem Vordergebäude an die Firma T. Nach dem maßgebenden Mietvertrag vom Juli 1986 war das Mietverhältnis bis zum 31. Dezember 2003 mit Verlängerungsmöglichkeit abgeschlossen und sollte auch mit dem Verkauf des Grundstücks enden.

Zwischen 1983 und 1987 hatte T zwei Lagerhallen auf dem Grundstück des Klägers und eine weitere Lagerhalle teilweise auf dessen Grundstück und teilweise auf ihrem eigenen angrenzenden Grundstück errichtet. Die Herstellungskosten hierfür hatten insgesamt ca. 1,3 Mio. DM betragen.

Mit notariellem Vertrag vom 19. Oktober 1989 veräußerte der Kläger das Grundstück zum Preis von ca. 2,4 Mio. DM an T. Hiervon entfiel auf die von T erstellten Gebäude nach einer Vertragsklausel ein Betrag von ca. 1,3 Mio. DM.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ermittelte der Kläger für das Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 67 167 DM, ohne den Veräußerungsvorgang anzugeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ging aufgrund einer betriebsnahen Veranlagung davon aus, dem Kläger seien mit der Veräußerung des Grundstücks und damit der Erlangung der Verfügungsmacht der Wert der Mietereinbauten in Höhe von ca. 1,3 Mio. DM als Sacheinnahmen zugeflossen.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 12 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Ansicht des FG und unabhängig davon, ob die errichteten Gebäude wesentlicher Bestandteil (§ 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) oder Scheinbestandteil (§ 95 BGB) geworden seien, handele es sich bei den von T errichteten Gebäuden um keine zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung führenden Sachleistungen an den Kläger. Durch die von T errichteten Gebäude werde beim Kläger weder im Zeitpunkt der Errichtung noch im Zeitpunkt des Verkaufs (Streitjahr) ein Zufluss von Vermögenswerten bewirkt. Auch seien diese Gebäude bei Verkauf nicht im Kaufpreis abgegolten worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 31. März 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 1995 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 1 314 933 DM herabgesetzt werden.

Das FA beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist zulässig und begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage. Das FG hat zu Unrecht die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung um den Sachwert der Mietereinbauten im Streitjahr 1989 erhöht.

1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere genügt die Revisionsbegründung entgegen der Ansicht des FA den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO a.F. Neben den dort ausdrücklich genannten Merkmalen muss sich der Revisionskläger mit dem Rechtsstandpunkt des FG-Urteils auseinander setzen und darlegen, welche Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art das FG-Urteil unrichtig erscheinen lassen (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523; vom 4. März 1997 IX R 81/95, BFH/NV 1997, 596; vom 27. Juli 2000 VII R 113/98, BFH/NV 2001, 184).

Dies ist hier geschehen. Denn die Revisionsschrift setzt sich unter Bezeichnung der betroffenen Einkunftsart hinreichend mit dem FG-Urteil auseinander und wendet sich ausführlich gegen dessen tragende Erwägungen. Sie macht unter Rückgriff auf das Zivilrecht deutlich, warum die von T errichteten Gebäude keine zu Einnahmen führenden Sachleistungen an den Kläger sind, bei diesem zu keinem Zeitpunkt einen Zufluss von Sachwerten bewirkt haben und sich auch im vereinbarten Kaufpreis nicht niedergeschlagen haben.

2. Die Revision ist begründet.

a) Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören u.a. auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 23/99, BFH/NV 2000, 831; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar, 3. Aufl. 2003, § 21 Rn. 7; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21 EStG Rz. 127). Entgelt (in Gestalt einer Sachleistung) für die Überlassung der Nutzung eines Grundstücks kann danach auch die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten sein, wenn das Gebäude entschädigungslos in das Eigentum des zur Grundstücksüberlassung Verpflichteten übergeht und der Vermögenszuwachs in einem Veranlassungszusammenhang mit der Nutzungsüberlassung steht, also z.B. seine Grundlage in einem Nutzungsvertrag hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 30/82, BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755). In diesen Fällen fließt der Wert der Sachleistung dem Grundstückseigentümer bereits beim Herstellen des Gebäudes in dem Umfang zu, in dem er durch die Verbindung der einzelnen Sachen mit dem Grundstück deren rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer wird (vgl. BFH in BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755). Ist hingegen der Mieter oder Pächter wirtschaftlicher Eigentümer des von ihm für seine Zwecke errichteten Gebäudes, fließen dessen werterhöhende Aufwendungen dem Grundstückseigentümer regelmäßig erst in dem Zeitpunkt zu, in dem dieser frei über sie verfügen kann, d.h. wenn er den Miet-/Pacht-Gegenstand zurückerhält (vgl. BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310, m.w.N.).

b) Nach §§ 94, 946 BGB erstreckt sich das Eigentum am Grundstück auch auf das darauf errichtete Gebäude als dessen wesentlicher Bestandteil. Dazu gehören nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht solche Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind (Scheinbestandteile). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in erster Linie nach dem nach außen in Erscheinung getretenen Willen des Herstellers. Verbindet z.B. ein Mieter (Nutzungsberechtigter) Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach feststehender Rechtsprechung regelmäßig eine ―widerlegbare― tatsächliche Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung wird nicht schon durch massive Bauweise oder lange Dauer des Nutzungsvertrages entkräftet (h.M. und ständige Rechtsprechung: z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 22. Dezember 1995 V ZR 334/94, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1996, 916; BFH-Urteil vom 9. April 1997 II R 95/94, BFHE 182, 373, BStBl II 1997, 452; z.B. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl. 2004, § 95 Rz. 2, 3; Erman/Michalski, Bürgerliches Gesetzbuch Bd. I, 10. Aufl. 2000, § 95 Rdz. 3, 4).

c) Wirtschaftlicher Eigentümer gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist derjenige, der nach Maßgabe der getroffenen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen; das kann bei Bauten auf fremdem Grund und Boden unter bestimmten Voraussetzungen der Nutzungsberechtigte sein (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 18. Juli 2001 X R 23/99, BFHE 196, 145, BStBl II 2002, 281, und X R 15/01, BFHE 196, 151, BStBl II 2002, 278; vom 14. Mai 2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741).

3. Nach diesen Grundsätzen kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Der Sachwert der Mietereinbauten ist dem Kläger im Streitjahr 1989 nicht zugeflossen.

a) Entweder sind die von T auf dem Grundstück des Klägers errichteten Lagerhallen aufgrund der tatsächlichen Vermutung (vgl. BGH in NJW 1996, 916; BFH in BFHE 182, 373, BStBl II 1997, 452) als Scheinbestandteile i.S. des § 95 Abs. 1 BGB und damit als zivilrechtliches Eigentum der T anzusehen, oder aber T war wirtschaftliche Eigentümerin der Lagerhallen, weil sie die tatsächliche Sachherrschaft ausübte und ihr allein Substanz und Ertrag der Gebäude für deren voraussichtliche Nutzungsdauer zustanden (vgl. BFH in BFHE 196, 145, 147 f., BStBl II 2002, 281, und in BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741). In beiden Fällen konnte der Kläger als Grundstückseigentümer zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs, über ihm weder zivilrechtlich noch wirtschaftlich gehörende Gebäude verfügen. Vielmehr hat T lediglich zu den Lagerhallen das Grundstück mit den älteren Gebäuden hinzuerworben. Damit hat im Streitjahr beim Kläger kein Zufluss von Sachwerten stattgefunden. Dies wird auch bestätigt durch die Art und Weise der Wertfindung des Kaufpreises für das Grundstück.

b) Selbst wenn man mit dem FG zivilrechtliches (oder wirtschaftliches) Eigentum des Klägers an den von T errichteten Lagerhallen annehmen würde, wäre ein Zufluss von Vermögenswerten im Streitjahr nicht gegeben. Denn der Wert der Sachleistung fließt dem Eigentümer bereits beim Herstellen des Gebäudes zu, hier also in den Jahren 1983 bis 1987 (BFH in BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755). Das vom FG zur Begründung seiner Auffassung herangezogene BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 213/80 (nicht veröffentlicht) ist nicht einschlägig.

4. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung sind um die angesetzte Sachleistung zu mindern.

Danach ermittelt die Einkommensteuer 1989 sich wie folgt: …

 

Fundstellen

Haufe-Index 1153622

BFH/NV 2004, 1088

DB 2005, 9

HFR 2004, 967

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