Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnrealisierung durch verdeckte Einlage eines Unternehmens in zuvor bar gegründete GmbH

 

Leitsatz (NV)

Geht das Unternehmen einer Personengesellschaft ohne Gewährung neuer Geschäftsanteile unentgeltlich oder teilentgeltlich auf eine zuvor im Wege der Bargründung errichtete GmbH über, an der die Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind, so liegt eine verdeckte Einlage der stillen Reserven sowie des Geschäftswerts in das Vermögen der Kapitalgesellschaft vor. Auf die Versteuerung der stillen Reserven und des Geschäftswerts kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sog. verschleierten Sachgründung analog § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 verzichtet werden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 2; EStDV § 7 Abs. 1; UmwStG 1977 § 20 Abs. 1; AO 1977 § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Nach dem Ableben des X im März 1984, der einen Gewerbebetrieb unterhalten hatte, führten seine Ehefrau und Tochter, die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen), als Erben zu je 1/2 den Betrieb in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) fort. Auftraggeber des Einzelunternehmens waren zu einem erheblichen Teil die öffentliche Hand sowie private Großkunden gewesen.

Zum 31. März 1985 wurden der Betrieb der GbR eingestellt und Anlagevermögen, Warenbestand und angefangene Arbeiten an die Fa. X-GmbH (GmbH) zum Buchwert in Höhe von 100000 DM veräußert. Die GmbH war zuvor von den Klägerinnen und dem im Einzelunternehmen und dann in der GbR als leitenden Angestellten beschäftigten Schwiegersohn bzw. Ehemann der Klägerinnen, Y, im Wege der Bargründung errichtet worden. An dem Stammkapital in Höhe von 90000 DM waren die Gesellschafter zu je 1/3 beteiligt. Die GmbH hatte ihren Betriebssitz zunächst in den Geschäftsräumen der GbR und übernahm deren Mitarbeiter.

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenem Bescheid vom 12. März 1987 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erklärungsgemäß für das Streitjahr 1985 einen Verlust für die ehemalige GbR fest.

Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die GbR ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die GmbH übertragen habe, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten zu haben.

Die in dem Anlagevermögen vorhandenen stillen Reserven sowie der Geschäftswert seien dadurch verdeckt in die GmbH eingelegt worden. Dieser Vorgang sei als eine Betriebsaufgabe zu beurteilen.

Das FA folgte den Feststellungen des Prüfers und stellte mit nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 23. August 1989 für die GbR einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM fest. Dabei berücksichtigte es entsprechend den Ermittlungen des Prüfers die Realisierung eines Geschäftswerts in Höhe von . . . DM.

Die von den Klägerinnen mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens der GbR auf die GmbH übertragen und dadurch die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven sowie der Geschäftswert verdeckt in die GmbH eingelegt worden sind und dadurch ein den Klägerinnen zuzurechnender Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) in Höhe von ... DM realisiert worden ist.

1. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 17/85 (BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512) entschieden, daß ein Betriebsaufgabegewinn u. a. dann realisiert wird, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Einzelunternehmens dadurch betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, daß sie im Wege einer verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Das gilt zumindest, wenn die Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen gehören. Hiervon ist auch auszugehen, wenn das Unternehmen einer Personengesellschaft ohne Gewährung neuer Geschäftsanteile unentgeltlich oder teilentgeltlich auf eine Kapitalgesellschaft übergeht, an der die Gesellschafter der Personengesellschaft beteiligt sind.

2. Das FG hat angenommen, daß die Klägerinnen als Gesellschafter der GbR nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die GmbH übertragen haben und daß die GmbH das Unternehmen auf der Grundlage der bisherigen Geschäftsbeziehungen fortgeführt hat. Dabei hat das FG darauf abgestellt, daß das gesamte Anlagevermögen mit stillen Reserven von rund 100000 DM übertragen wurde, daß die GmbH anfänglich in den Betriebsräumen der GbR tätig geworden war und das Personal der GbR übernommen hatte, daß der Namensbestandteil des früheren Einzelunternehmens Eingang in die Firma der GmbH gefunden hatte, um nach außen hin Kontinuität zu demonstrieren, und daß der als leitender Angestellter in der Einzelfirma wie in der GbR tätige Y, der die für den Betrieb wesentlichen Geschäftsbeziehungen zu den Großkunden unterhalten hatte, Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH geworden und damit die Aufrechterhaltung der bisherigen Geschäftsbeziehungen gesichert war.

Diese Würdigung der vom FG festgestellten tatsächlichen Umstände, die mangels dagegen erhobener zulässiger und begründeter Revisionsrügen für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), ist nicht zu beanstanden. Die GmbH hat den Betrieb der GbR danach insgesamt übernommen und - wie von den Klägerinnen im übrigen auch selbst eingeräumt worden ist - fortgeführt. Daß die GbR wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere gehören im Streitfall die auf die GmbH nicht übertragenen Kundenforderungen und Verbindlichkeiten offensichtlich nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.

Zusammen mit den an die GmbH veräußerten Wirtschaftsgütern ist der Geschäftswert des Unternehmens auf die GmbH übergegangen.

Der von den Klägerinnen dagegen erhobene Einwand, ein Geschäftswert habe nicht auf die GmbH übergehen können, weil dieser bereits mit dem Tode des früheren Einzelunternehmers erloschen sei, greift nicht durch. Der Geschäftswert des Unternehmens hing wesentlich von dem Kundenstamm ab, der sich aus öffentlichen Auftraggebern und einigen anderen Großkunden zusammensetzte. Diese Geschäftsbeziehungen waren nach der Art des Betriebes im Streitfall jedoch nicht unternehmer-, sondern unternehmensbezogen. Der Geschäftserfolg des Unternehmens beruhte nicht - wie etwa bei einer freiberuflichen Praxis - auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen dem Kunden und dem Geschäftsinhaber (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1982 IV R 2-3/79, BFHE 136, 83, BStBl II 1982, 620; vom 13. März 1991 I R 83/89, BFHE 164, 61, BStBl II 1991, 595 m. w. N.). Vielmehr stand für den Geschäftserfolg die Leistungsfähigkeit des Betriebes im Vordergrund. Der Geschäftswert wurde - wie bei Gewerbebetrieben üblich - dem Grunde und der Höhe nach ausschlaggebend durch die Gewinnaussichten des Unternehmens bestimmt, die sich losgelöst von der Person des Unternehmers aufgrund besonderer, dem Unternehmen eigener Vorteile (z. B. Ruf, Kunden-, Mitarbeiterstamm, Organisation usw.), zu einem Vermögensgegenstand verdichtet hatten, zumal ihre Realisierung durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im ganzen gewährleistet erschien (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369). Dementsprechend ist der Betrieb nach dem Ableben des vormaligen Einzelunternehmers zunächst von der GbR und dann von der GmbH, wie bisher, insbesondere unter Anknüpfung an den vorhandenen Kundenstamm fortgeführt worden. Dabei kam der GmbH zugute, daß der sowohl im Einzelunternehmen wie in der GbR tätige leitende Angestellte, der die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden weitgehend eigenständig gepflegt und erweitert hatte, als Gesellschafter-Geschäftsführer in der GmbH tätig wurde. Angesichts dieser Umstände ist entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht entscheidungserheblich, ob dieser Gesellschafter - wie die Klägerinnen behauptet haben - in der Lage gewesen wäre, der GbR den Kundenstamm zu entziehen, wenn es nicht zur Gründung der GmbH gekommen wäre.

Da der Geschäftswert auf die GmbH überging, ohne daß die GmbH dafür ein Entgelt zu entrichten hatte, ist er verdeckt in die GmbH eingelegt worden. Ein Nichtgesellschafter hätte bei Anwendung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes der GmbH auch diesen Vermögensvorteil nicht unentgeltlich eingeräumt (vgl. BFH in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512; BFH-Urteile vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; vom 2. September 1988 III R 117/86, BFH/NV 1990, 20). Die Zuwendung hat ihre Ursache mithin im Gesellschaftsverhältnis. Die darin liegende Verwendung zu betriebsfremden Zwecken (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) hat zur Gewinnrealisierung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG geführt (BFH in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512).

Die dagegen von den Klägerinnen erhobene Rüge, einer Entnahme des Geschäftswerts stehe das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG bei der GmbH entgegen, greift nicht durch. Wie der BFH in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705 für Fälle vorliegender Art eingehend dargelegt hat, greift das Aktivierungsverbot nicht ein. Die Forderung nach einer Konkretisierung des Wertes des Wirtschaftsguts tritt hinter die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen der Gesellschafter- und der Gesellschaftssphäre zurück. Dieser Entscheidung, der der BFH auch in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512 und in BFH/NV 1990, 20 sowie mit Urteil vom 10. August 1989 X R 98/88 (BFH/NV 1990, 289) gefolgt ist, schließt sich der erkennende Senat an.

Die Klägerinnen machen auch zu Unrecht geltend, die Versteuerung verstoße gegen den Vertrauensschutz, weil sie sich auf die Entscheidung des BFH vom 29. Januar 1975 I R 135/70 (BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553) hätten verlassen können, wonach ein immaterieller Firmenwert nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein könne, und weil diese Rechtsprechung erst mit BFH-Urteil in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705 geändert worden sei. Das FA war nicht nach 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 gehindert, den ursprünglichen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid zu ändern. Zwar darf nach dieser Bestimmung bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, daß sich die Rechtsprechung des BFH geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung angewandt worden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Die Finanzverwaltung hat mit dem Nichtanwendungserlaß vom 4. August 1976 (BStBl I 1976, 418) eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie der Entscheidung des BFH in BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553 nicht folgt (BFH-Urteil vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5).

Anhaltspunkte dafür, daß der Geschäftswert etwa fehlerhaft ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

3. Gegen das Entstehen eines entsprechenden Betriebsaufgabegewinns läßt sich nicht erfolgreich einwenden, daß die die stillen Reserven aufweisenden Wirtschaftsgüter teilentgeltlich veräußert worden seien. Zwar kann der Entscheidung des BFH vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811) entnommen werden, daß eine gemischte Schenkung eines Gewerbebetriebs als einheitlicher Vorgang zu betrachten ist und demzufolge ein Veräußerungsgewinn nur entsteht, soweit die Gegenleistung den gesamten Netto-Buchwert übersteigt. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Unternehmens teilentgeltlich auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werden und hinsichtlich des unentgeltlichen Teils eine verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft anzunehmen ist (vgl. BFH in BFH/NV 1990, 289).

4. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen kann auf die Versteuerung der im Wege der verdeckten Einlage auf die GmbH, deren Anteile im Privatvermögen gehalten wurde, übergegangenen stillen Reserven und des Geschäftswerts nicht verzichtet werden. Wie der BFH in BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512 im einzelnen dargelegt hat, ist die Gewinnrealisierung weder nach § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung noch nach dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 3 EStG ausgeschlossen; außerdem kommt eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) nicht in Betracht. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 UmwStG scheidet auch aus, wenn in der Rückgewähr der Bareinlage als Kaufpreis an die GbR eine verschleierte Sachgründung zu sehen ist (BFH-Beschluß vom 24. Januar 1990 X B 51/89, BFH/NV 1990, 537; BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 I R 5/92, BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131). Eine Gesetzeslücke, d. h. eine planwidrige, mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarende, Unvollständigkeit des Gesetzes besteht für die verschleierte Sachgründung nicht. Bar- und Sachgründung sind steuergesetzlich abschließend geregelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64552

BFH/NV 1993, 525

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