Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit der Weserlotsen stellt unter der Geltung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 eine gewerbliche Tätigkeit dar (vgl. das sich auf die Elblotsen beziehende Urteil des Senats IV 178/58 U vom 17. März 1960 - BStBl 1960 III S. 209, Slg. Bd. 70 S. 561).

Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kann auch dann vorliegen, wenn der Wettbewerb der Gewerbetreibenden untereinander ausgeschlossen ist.

GewStG 1957 § 2 Abs. 1; EStG 1958 § 18 Abs. 1 Ziff. 1; Gesetz über das Seelotswesen vom 13.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Bf. ist Weserlotse. Er wurde seit 1953 und für den streitigen Erhebungszeitraum 1959 vom Finanzamt zur Gewerbesteuer herangezogen.

Im Einspruchsverfahren machte der Bf. geltend, der Bundesfinanzhof habe zwar in dem Urteil IV 178/58 U vom 17. März 1960 (BStBl 1960 S. 209, Slg. Bd. 70 S. 561) die Tätigkeit der Elblotsen für gewerbesteuerpflichtig gehalten. Dieses Urteil könne aber für Weserlotsen nicht maßgebend sein, weil hinsichtlich des Sachverhalts ein wesentlicher Unterschied vorliege. Der Bundesfinanzhof habe u. a. für die Elblotsen das für einen Gewerbetreibenden maßgebliche Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht und dabei ausgeführt, der freie Wettbewerb sei unter den Elblotsen nicht völlig beseitigt. Auf Grund der für die Weserlotsen geltenden Börtordnung gebe es jedoch keinen freien Wettbewerb; der Dienst müsse in stets gleichbleibender Reihenfolge geleistet werden; die Namen der Lotsen würden automatisch in die Liste eingetragen; der einzelne Lotse habe hierauf keinen Einfluß; er könne es auch nicht ablehnen, eine ihn im Reihendienst treffende Lotsung zu übernehmen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Steuerausschuß führte aus, es könne davon ausgegangen werden, daß für die Weserlotsen der freie Wettbewerb "im wesentlichen" ausgeschlossen sei. Die Wettbewerbsfreiheit sei aber nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht als Voraussetzung einer gewerblichen Tätigkeit anzusehen. Es komme hinzu, daß der Ausschluß des Wettbewerbs auf einer freiwilligen Vereinbarung beruhe. Durch einen solchen freiwilligen Verzicht auf den Wettbewerb könnten aber Tätigkeitsmerkmale im Sinne des Steuerrechts nicht verändert werden. Das Steueränderungsgesetz 1960 (StändG 1960) habe zwar in § 18 Abs. 1 EStG nunmehr auch die Lotsen als Angehörige eines freien Berufes aufgeführt. Diese Regelung gelte aber nach dem Willen des Gesetzgebers erst ab 1960.

Mit der Berufung gegen die Einspruchsentscheidung machte der Bf. geltend, bei dem Verzicht auf den Wettbewerb handele es sich nicht um eine freiwillige Absprache. Die Börtordnung sei von der Lotsenbrüderschaft erlassen worden (§ 32 Abs. 1 Ziff. 3 des Gesetzes über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954, BGBl II S. 1035).

Das Finanzgericht wies die Berufung zurück, und es führte aus, man könne unterstellen, daß bei den Weserlotsen kein Wettbewerb möglich sei. Der Wegfall der Wettbewerbsfreiheit habe aber für die Gewerbeeigenschaft keine Bedeutung.

Mit seiner Rb. verfolgt der Bf. seine Rechtsansicht weiter. Er trägt insbesondere vor, der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil nicht ausgeführt, daß es auf das Fehlen der Wettbewerbsfreiheit nicht ankomme, sondern im Gegenteil erklärt, daß der freie Wettbewerb, dem das Finanzgericht im damals zu entscheidenden Falle wesentliche Bedeutung beigemessen habe, nicht ausgeschaltet gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Da gemäß § 2 Abs. 1 GewStG für den Begriff des Gewerbebetriebs das Einkommensteuerrecht maßgebend ist, könnte der Bf. nicht Gewerbetreibender sein, wenn er eine freie Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG ausübte. Daß das nicht der Fall ist, hat der Senat in dem Urteil IV 178/58 U ausgeführt. Insoweit erhebt der Bf. auch keine Beanstandungen.

§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG in der Fassung des StändG 1960 führt nun allerdings die Lotsen ausdrücklich mit auf. Dem Gesetz kommt jedoch keine Rückwirkung zu. Hätte der Gesetzgeber eine solche Rückwirkung für wünschenswert gehalten, so hätte es ihm freigestanden, sie anzuordnen. Es kann daher nur auf den damaligen Gesetzeswortlaut abgestellt werden, der - wie der Senat in dem angeführten Urteil ausgeführt hat - die Lotsen nicht mit umfaßt.

In der angegebenen Entscheidung des Senats ist ferner ausgeführt, daß bei den Elblotsen die Voraussetzungen der gewerblichen Tätigkeit vorlägen. Soweit es sich um die Frage der Nachhaltigkeit der Tätigkeit der Lotsen und die Gewinnerzielungsabsicht handelt, gelten die damals angestellten überlegungen für die Weserlotsen ebenfalls. Der Senat hatte damals auch die Selbständigkeit der Elblotsen, die der Bf. auch in seinem Falle nicht in Zweifel zieht, und ihre Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht. Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliege, ist der Senat auch auf die Frage der Wettbewerbsbeschränkungen eingegangen.

Der Bf. irrt, wenn er meint, der Senat habe in diesem Urteil die Frage nicht behandelt, ob bei Fehlen jeglicher Wettbewerbsmöglichkeit unter den Lotsen das für den Begriff der gewerblichen Betätigung wesentliche Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ausgeschlossen sei. Der Senat hat vielmehr ausdrücklich gesagt:

"Wenn schließlich das Finanzgericht das Vorliegen eines Gewerbebetriebs mit der Begründung verneint hat, daß bei den Revierseelotsen der freie Wettbewerb ausgeschaltet sei, so kann ihm darin ebenfalls nicht gefolgt werden."

Der Senat hat also angenommen, daß "das Vorliegen eines Gewerbebetriebs" nicht ausgeschlossen sei, d. h. also, daß die Voraussetzungen eines solchen Betriebes einschließlich der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben seien. Er hat dann weiter ausgeführt, bei dem durch die Börtordnung (§ 32 Abs. 1 Ziff. 3 des Gesetzes über das Seelotswesen) bestimmten Reihendienst handele es sich um eine aus technischen Gründen erforderliche Einrichtung, die dazu dienen solle, den Wettbewerb unter den einzelnen Lotsen in geordnete Bahnen zu lenken, d. h. eine möglichst gleichmäßige Betätigung sicherzustellen. Der Reihendienst gehe auf einen freiwilligen Zusammenschluß der Lotsen zurück, der den Notwendigkeiten des Lotsendienstes in den Revieren Rechnung trage. Durch die gesetzliche Regelung sei nur der bisher schon bestehende Zustand sanktioniert worden. Erst dann hat der Senat auch ausgeführt, "im übrigen" trete auch ein völliger Ausschluß des Wettbewerbs nicht ein. Diese Erwägung ist daher nur als Hilfserwägung anzusehen. In den folgenden Erörterungen hat der Senat auch noch darauf hingewiesen, daß es z. B. im Schornsteinfegerwesen Wettbewerbsbeschränkungen gebe, die die Gewerbeeigenschaft nicht beeinträchtigten. (Im Falle der Bezirksschornsteinfeger handelt es sich sogar nicht nur um eine Wettbewerbsbeschränkung, sondern um einen Wettbewerbsausschluß, weil der Bezirksschornsteinfegermeister in seinem Bezirk ausschließlich zuständig ist - vgl. Abs. 2 und 3 des Vorspruchs und § 7 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 28. Juli 1937, Reichsgesetzblatt 1937 I S. 831.)

Der Senat hatte schon früher in dem die Kanallotsen betreffenden Urteil IV 60/53 U vom 8. Juli 1954 (BStBl 1954 III S. 261, Slg. Bd. 59 S. 134) unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 399/31 vom 21. April 1932 (RStBl 1932 S. 809) ausgesprochen, daß die Einräumung einer monopolartigen Stellung nicht gegen die gewerbliche Tätigkeit spreche. Er hatte allerdings damals geprüft, ob sich eine solche Stellung mit der für einen Gewerbebetrieb erforderlichen Selbständigkeit vertrage. Die Probleme liegen aber insoweit ähnlich wie bei der Frage der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Damals hatte der Senat vermerkt, die Begrenzung des wirtschaftlichen Spielraums durch die Zahl der Fälle und den Reihendienst spreche nicht gegen die Selbständigkeit der einzelnen Lotsen.

In der Tat kommt es bei der Frage der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht darauf an, ob sich der angesprochene Personenkreis an den sich zur Leistung erbietenden Gewerbetreibenden wenden muß. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verlangt nur, daß die Leistung jedem, der sie haben will, also einem unbestimmten Personenkreis, angeboten wird. In diesem Sinne beteiligt sich aber auch der Bf. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Er bietet - über die Lotsenbrüderschaft - seine Dienste jedem Schiff an. Wenn er dabei im Rahmen einer berufsständischen Ordnung Beschränkungen unterworfen ist, beschränkt sich zwar sein Anteil der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr quantitativ; es bleibt aber seine Beteiligung am allgemeinen Verkehr an sich bestehen.

Ein anderes Ergebnis wäre unvertretbar. Auch in der sonstigen Wirtschaft müßte man andernfalls eine gewerbliche Tätigkeit und damit die Gewerbesteuerpflicht verneinen, wenn sich ein Kreis von Gewerbetreibenden zusammenschlösse, so ein Monopol erwürbe und die Erträge aufteilte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß durch ein solches, der Steigerung des Ertrags durch Ausschluß des Wettbewerbs dienendes Vorgehen die Gewerbesteuerpflicht nicht beseitigt werden könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411076

BStBl III 1964, 99

BFHE 1964, 250

BFHE 78, 250

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