Entscheidungsstichwort (Thema)

Veräußerung eines Bezugsrechts auf GmbH-Anteile - Vorliegen eines Gestaltungsmißbrauchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird das Stammkapital einer GmbH erhöht und das Bezugsrecht einem Nichtgesellschafter gegen Zahlung eines Ausgleichs für die auf den neuen Geschäftsanteil übergehenden stillen Reserven eingeräumt, kann dies die Veräußerung eines Anteils an einer GmbH (Anwartschaft auf eine solche Beteiligung) sein.

2. Wird dieser Ausgleich in Form eines Agios in die GmbH eingezahlt und in engem zeitlichem Zusammenhang damit wieder an die Altgesellschafter ausgezahlt, kann ein Rechtsmißbrauch (§ 42 AO 1977) vorliegen. Die Zahlung an die Altgesellschafter ist dann als Entgelt für die Einräumung des Bezugsrechts zu behandeln.

 

Orientierungssatz

1. Eine Übertragung im Rahmen einer Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG kann auch dann gegeben sein, wenn durch die Einräumung des Bezugsrechts auf einen GmbH-Geschäftsanteil gegenüber einem Dritten im Rahmen des Gesellschafterbeschlusses ein Bezugsrecht zivilrechtlich gar nicht erst entsteht (vgl. BFH-Urteile vom 8.4.1992 I R 128/88 und vom 5.3.1986 I R 218/81; der entgegenstehende Beschluß vom 28.4.1976 I B 96/75 ist damit überholt).

2. Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 25.10.1988; Aktenzeichen XII 231/82 E)

 

Tatbestand

Am Stammkapital der T-GmbH von insgesamt 100 000 DM war der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zunächst mit 50 000 DM beteiligt. 1976 übertrug er einen Teil seines Geschäftsanteils (25 000 DM) schenkweise auf die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin).

Im Mai des Streitjahres 1979 faßte die Gesellschafterversammlung den notariell beurkundeten Beschluß, das Stammkapital der T-GmbH von 100 000 DM auf 125 000 DM zu erhöhen. Den Erhöhungsbetrag sollte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater T übernehmen.

Die Gesamtleistungsverpflichtung des T in Höhe von 385 000 DM setzte sich aus der Stammeinlage in Höhe von 25 000 DM und einem Agio in Höhe von 360 000 DM zusammen. Das Agio diente dem Ausgleich der durch die Altgesellschafter geschaffenen stillen Reserven. Das Agio errechneten die Beteiligten wie folgt:

Praxiswert (zuzüglich zum Stammkapital) 1 440 000 DM

x 1/4 = 360 000 DM.

T zahlte am 14.Mai 1979 6 250 DM und am 28.September 1979 200 000 DM. Im übrigen erfüllte T seine Leistungsverpflichtung durch Verrechnung von Anschaffungen (13 560 DM und 3 729 DM), durch Verrechnung vor Eintritt erbrachter Leistungen (7 716,80 DM) sowie durch Anrechnung von ihm eingebrachter Mandate (119 760 DM). Ein Teilbetrag von rd. 35 000 DM wurde gestundet.

Am 30.September 1979 fand eine Gesellschafterversammlung der T-GmbH statt, auf der beschlossen wurde, 50 000 DM in die Rücklagen einzustellen und den Rest (310 000 DM) zur Ausschüttung zu bringen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte sich im Anschluß an eine Betriebsprüfung auf den Standpunkt, die Kapitalerhöhung mit anschließender Einlagerückgewähr, die bei den Klägern zu einer Verminderung ihrer Beteiligung an der T-GmbH von jeweils 25 v.H. auf 20 v.H. geführt habe, entspreche im wirtschaftlichen Ergebnis einer Beteiligungsveräußerung gemäß § 17 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Aufgeldzahlung sei auch von vornherein zur Wiederausschüttung bestimmt gewesen. Das ergebe sich u.a. aus einer Aktennotiz vom 25.Januar 1979, wonach der Mitgesellschafter der Kläger den Sachverhalt in allgemeiner Form bereits mit dem zuständigen Referenten im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen besprochen habe.

Das FA erhöhte im Einkommensteuerbescheid vom 1.Februar 1982 die Einkünfte der Kläger um jeweils 72 000 DM und gewährte hierfür den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs.2 EStG. Die Einkommensteuer wurde auf 100 531 DM festgesetzt.

Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1990, 60).

Die Klage hatten die Kläger u.a. wie folgt begründet:

Ursprünglich habe man davon ausgehen können, daß der Neugesellschafter neben sicheren Mandaten im Wert von rd. 120 000 DM weitere, namentlich benannte Großmandate im Wert von etwa 150 000 DM einbringen werde. Aus den durch das Agio zugeführten Barmitteln hätte die T-GmbH das Entgelt für die vom Neugesellschafter einzubringenden Mandate bezahlen und Vorhaltekosten in Höhe von 115 000 DM finanzieren sollen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1979 auf 66 892 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Neufestsetzung der Einkommensteuer 1979 (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat dem Grunde nach zu Recht einen Veräußerungsgewinn der Kläger gemäß § 17 Abs.1 EStG bejaht.

Der Senat geht mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20.Februar 1975 IV R 15/71 (BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505; vgl. auch BFH-Beschluß vom 29.Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, zu II. 2., BStBl II 1977, 726; BFH-Urteil vom 5.März 1986 I R 218/81, nicht veröffentlicht --NV--, dazu Anmerkung Eppler, Deutsches Steuer-Recht --DStR-- 1988, 64; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.Juli 1981 III 254/79, EFG 1982, 242) davon aus, daß das Bezugsrecht auf einen GmbH-Geschäftsanteil zu den Anwartschaften auf eine Beteiligung an einer GmbH i.S. des § 17 Abs.1 EStG (damals noch § 53 Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--) gehört. Die entgeltliche Veräußerung des Bezugsrechts erfüllt den Tatbestand des § 17 Abs.1 EStG (vgl. Döllerer, Steuerberater- Jahrbuch --StbJb-- 1981/82, 195, 208).

Die Altgesellschafter --darunter die Kläger-- verfügten mit dem Gesellschafterbeschluß vom 3.Mai 1979 über ihr Bezugsrecht. Eine Übertragung im Rahmen einer Veräußerung i.S. des § 17 Abs.1 Satz 1 EStG kann auch dann gegeben sein, wenn durch die Einräumung des Bezugsrechts gegenüber einem Dritten im Rahmen des Gesellschafterbeschlusses ein Bezugsrecht zivilrechtlich gar nicht erst entsteht (BFH-Urteile vom 8.April 1992 I R 128/88, BFHE 167, 424, 428, BStBl II 1992, 761; vom 5.März 1986 I R 218/81, NV; Döllerer, a.a.O., 1981/82, 195, 211; der entgegenstehende Beschluß vom 28.April 1976 I B 96/75, NV, ist damit überholt).

Die Verfügung über das Bezugsrecht erfolgte auch entgeltlich. Dies allerdings nur insoweit, als den Altgesellschaftern in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Einzahlung des Aufgeldes von der GmbH ein Betrag ausgezahlt worden ist.

Mit dem Erwerb des neuen Geschäftsanteils durch T erlitten die Altgesellschafter nicht nur einen Verlust in bezug auf ihre Mitgliedschaftsrechte, sondern grundsätzlich auch einen Wertverlust, weil stille Reserven dem neuen Geschäftsanteil zu Lasten der alten Geschäftsanteile zuflossen (vgl. BFH-Urteil BFHE 115, 223, 230, BStBl II 1975, 505). Dieser Zufluß an Wert beim Geschäftsanteil des T sollte nach den Feststellungen des FG durch ein Aufgeld ausgeglichen werden. Dementsprechend wurde im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung und der Übernahme der neuen Stammanteile durch T ein Agio in Höhe von 360 000 DM vereinbart. Die diesbezüglichen Feststellungen und Schlußfolgerungen des FG sind von der Revision nicht in zulässiger und begründeter Weise angegriffen worden (§ 118 Abs.2 FGO).

Die Zahlungen des T auf seine Verpflichtungen gegenüber der GmbH sind zwar zivilrechtlich in das Vermögen der GmbH gelangt. Für den vom FG angenommenen Vertrag zugunsten Dritter (der Altgesellschafter) oder sonst eine Vereinbarung zwischen T und den Altgesellschaftern einerseits und T und der GmbH andererseits, wonach die Zahlungen des T an die GmbH als solche der Altgesellschafter an die GmbH anzusehen wären, bieten die Feststellungen des FG keine Grundlage. Das FG hat weder eine schriftliche noch eine mündliche Vereinbarung dieser Art festgestellt.

Soweit das Agio der GmbH (als Rücklage) verblieben ist, d.h. in Höhe von 50 000 DM, folgt die steuerrechtliche auch der zivilrechtlichen Beurteilung. Insofern kann auch bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts des Vorgangs nicht von einer entgeltlichen Veräußerung des Bezugsrechts die Rede sein. Die Altgesellschafter haben weder einen Vermögenswert realisiert, denn ihnen ist nichts zugeflossen, noch ist der Wert ihres Geschäftsanteils gestiegen. Die Zahlung hat nur ausgeglichen, was an stillen Reserven auf den T überging, bzw. was die Altgesellschafter durch die Übernahme des neuen Geschäftsanteils durch T an stillen Reserven verloren haben.

Soweit jedoch den Altgesellschaftern in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Einzahlung des Agios ein Betrag von (310 000 DM ./. Anteil T --62 000 DM--) 248 000 DM ausgezahlt worden ist, liegt ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vor. Das FG hat --im Gegensatz zum FA-- die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 zwar ungeprüft gelassen. Seine Feststellungen reichen aber aus, einen Rechtsmißbrauch gemäß § 42 AO 1977 in diesem Verfahren zu bejahen.

Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteile vom 14.Mai 1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859; vom 5.Mai 1992 IX R 281/87, BFH/NV 1992, 661). So hat der BFH Rechtsmißbrauch bejaht, wenn eine Kapitalgesellschaft Gewinne ausschüttet (um die Voraussetzungen des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 19 Abs.1 und 3 des Körperschaftsteuergesetzes 1965 zu erfüllen) und die Gesellschafter in zeitlichem Zusammenhang damit Einlagen in gleicher Höhe erbringen (Urteil vom 11.Juli 1973 I R 144/71, BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806; bestätigt durch BFH-Urteil vom 1.Februar 1989 I R 2/85, BFHE 156, 150, BStBl II 1989, 473).

Im Streitfall ist davon auszugehen, daß das ausgehandelte Agio, nachdem es an die GmbH gezahlt worden war, zum größten Teil wieder an die Altgesellschafter ausgezahlt worden ist. Für die Ein- und Auszahlungen in Höhe von 248 000 DM sind keine nichtsteuerlichen Gründe erkennbar. Die von den Klägern vorgetragenen Gründe vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere erklären sie nicht, warum ein Betrag von 200 000 DM, der erst am 28.September 1979 eingezahlt wurde, bereits am 30.September 1979 wieder ausgeschüttet werden sollte. Dies spricht dafür, daß die Ausschüttung von vornherein beabsichtigt war und die Ein- und Auszahlungen bei der GmbH nur die Zahlung eines Entgelts verdecken sollten, das von T unmittelbar an die Altgesellschafter geleistet werden sollte. Dafür spricht auch die im finanzgerichtlichen Verfahren erwähnte Aktennotiz vom 25.Januar 1979, in der bereits vor Vertragsabschluß die hier streitige Rechtsfrage mit einem Vertreter der Finanzverwaltung erörtert wurde. Dafür, daß mit der Zahlung an die Altgesellschafter ein Entgelt (Kaufpreis) beglichen werden sollte, spricht schließlich, daß die Höhe des Entgelts genau dem errechneten Anteil an den stillen Reserven entsprach, der auf den neuen Geschäftsanteil des T überging.

2. Nach § 42 Satz 2 AO 1977 entsteht bei einem Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Das führt im Streitfall dazu, die unmittelbare Zahlung eines Entgelts in Höhe von insgesamt 248 000 DM an die Altgesellschafter (davon Kläger 124 000 DM) anzunehmen.

Dem steht nicht entgegen, daß dabei die von den Beteiligten gewählte Gestaltung zum Teil unberührt bleibt. Die angemessene rechtliche Gestaltung i.S. des § 42 Satz 2 AO 1977 würde den Vorgang in seinem wirtschaftlichen Gehalt zum Ausdruck bringen (ähnlich Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr.111). Dem wirtschaftlichen Gehalt nach ist im Streitfall aber ein Agio (in Höhe von 50 000 DM) und eine Entgeltszahlung an die Altgesellschafter (in Höhe von 248 000 DM) in Verbindung mit einer Stornierung des Agios beim Neugesellschafter (in Höhe von 62 000 DM) vereinbart worden. Anders als in dem streitigen Steuerbescheid, der Einspruchsentscheidung und dem finanzgerichtlichen Urteil war daher von einem Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs.1 und 2 EStG in Höhe von (62 000 DM x 2 =) 124 000 DM statt 144 000 DM auszugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64341

BStBl II 1993, 477

BFHE 169, 336

BB 1993, 991

BB 1993, 991-992 (LT)

DB 1993, 766-767 (LT)

DStR 1993, 236 (KT)

DStZ 1993, 312 (KT)

HFR 1993, 181 (LT)

StE 1993, 48 (K)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge