Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuervergünstigung nach § 1 Ziff. 3 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 / 13. Juli 1953 (GVBl 1952 S. 53, GVBl 1953 S. 47) in der Fassung vom 6. Oktober 1958 (GVBl 1958 S. 179, BStBl 1958 II S. 158) kann nicht gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für den grundsteuerbegünstigten sozialen Wohnungsbau im Sinne des § 7 des I. WoBauG bereits vor dem grunderwerbsteuerrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs wieder beseitigt worden sind.

Die Frage, ob ein Kleinwohnungsbau im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG vorliegt, ist ab dem 1. Mai 1957, dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, nach der WGGDV in der Fassung vom 25. April 1957 (BGBl 1957 I S. 401, 406) und nicht mehr nach der WGGDV vom 23. Juli 1940 (RGBl I S. 1012) zu entscheiden.

Niedersächsisches Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952/ 13. Juli 1953 § 1 Ziff. 3, § 2; GrEStG § 4 Abs. 1 Ziff. 1c;

 

Normenkette

GrEStWGND 1/3; GrEStWGND 2; GrEStG § 4/1/1/c; WGGDV §§ 10-11; GG Art. 105 Abs. 2 Nr. 1, Art. 123-125

 

Tatbestand

Es war streitig, ob die übertragung eines Erbbaurechts mit Wohngebäuden nach § 1 Ziff. 3, § 2 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952/ 13. Juli 1953 - LG 1952 - (Niedersächsisches GVBl 1952 S. 53, GVBl 1953 S. 47) in der Fassung vom 6. Oktober 1958 - LG 1958 - (GVBl 1958 S. 179, BStBl 1958 II S. 158) von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen ist, und es ist noch streitig, ob bei Abwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen - WGGDV - in der Fassung vom 25. April 1957 (BGBl 1957 maßgebend ist.

I. - Durch gerichtlich beurkundeten Vertrag vom 21. Mai 1957 (Vertrag) übertrug die Wohnungsbaugenossenschaft X. eGmbH ihr im Erbbaugrundbuch eingetragenes Erbbaurecht mit Wohngebäude auf den Bf. Der Vertrag ist am 20. Juni 1957 genehmigt worden. Der Bf. hat das Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, das die Genossenschaft für ihn zum 31. Dezember 1955 bezugsfertig errichtet hatte, bereits am 21. Dezember 1955 bezogen. Ursprünglich hatte die Hauptwohnung eine Flächengröße von 119,70 qm, die Einliegerwohnung eine solche von 60 qm. Das Wohnwirtschaftsamt hatte am 27. März 1956 bescheinigt, daß die beiden Wohnungen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2b des Ersten Wohnungsbaugesetzes (i. WoBauG) erfüllten; die Wohnung diene zur Unterbringung eines Haushalts mit mehr als vier Personen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war das Gebäude vorübergehend auch von einem zweiten Ehepaar (bis 24. Januar 1956) und anderen Personen (eine Hausgehilfin und zwei Nichten) bewohnt gewesen. Nach dem Auszug des anderen Ehepaares vereinigte der Bf. die beiden Wohnungen zu einer, nur noch von der eigenen Familie bewohnten Wohnung mit einer Wohnfläche von nunmehr 179,70 qm. Seit dem 1. August 1956 hatte der Bf. sich in einem Teil (43 qm) der Räume der früheren Einliegerwohnung sein Steuerberaterbüro eingerichtet. Am 20. Juni 1957 - dem Zeitpunkt der Genehmigung des Vertrages - betrug die Wohnfläche also 136,70 qm; der Haushalt des Bf. bestand damals aus vier Personen, von denen die letzte Nichte Mitte September 1957 ebenfalls ausschied.

Das Finanzamt setzte eine Grunderwerbsteuer fest, da es die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung weder nach § 1 Ziff. 3, § 2 LG 1958 noch nach § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG in Verbindung mit § 10 WGGDV in der Fassung vom 23. Juli 1940 - WGGDV 1940 - (RGBl 1940 I S. 1012) für gegeben hielt.

Nach erfolglosem Einspruch begehrte der Bf. mit der Berufung vor allem unter Bezugnahme auf die Bescheinigung des Wohnwirtschaftsamtes vom 27. März 1956 Freistellung von der Grunderwerbsteuer, da nach seiner Auffassung sowohl § 1 Ziff. 3, § 2 LG als auch § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG zuträfen. Jedenfalls müsse § 11 WGGDV in der Fassung vom 25. April 1957 - WGGDV 1957 - als die Vorschrift, die in dem vom Finanzamt für maßgebend gehaltenen Erwerbszeitpunkt (20. Juni 1957) bereits in Kraft gewesen sei, angewendet werden und zur Grunderwerbsteuerbefreiung führen.

Auch die Berufung war erfolglos. Die Frage - so führte das Finanzgericht aus -, ob die Steuervergünstigung des § 1 Ziff. 3 LG 1958 in Verbindung mit dem im Streitfall maßgebenden § 7 des I. WoBauG zu gewähren sei, beantworte sich nach dem Tag der Entstehung der Steuerschuld, also dem 20. Juni 1957. Zu diesem Zeitpunkt habe der Bf. aber selbst die Voraussetzungen des steuerbegünstigten sozialen Wohnungsbaus durch Vereinigung der beiden Wohnungen in eine Wohnung mit größerer als der zulässigen Wohnfläche beseitigt. Es fehle, wie auch § 5 LG 1958 zeige, somit überhaupt an dem Erwerb eines "sozialen Wohnungsbaus". öffentlich gefördert sei die Wohnung ebenfalls nicht. - Auch nach § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG könne der Erwerb nicht freigestellt werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein Kleinwohnungsbau vorliege, da die WGGDV 1957 nach seiner (des Finanzgerichts) Auffassung als bundesrechtliche Vorschrift im Bereich des heutigen Landesgrunderwerbsteuerrechts nicht angewendet werden könne, solange nicht der Landesgesetzgeber auf Grund des ihm nach Art. 105 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) allein zustehenden Gesetzgebungsrechts eine entsprechende Landesregelung getroffen habe. Durch die Bezugnahme des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG seien die Größenmaße nach der WGGDV 1940 als materielle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung Bestandteile des Landesgrunderwerbsteuerrechts geworden und - weil durch Bundesrecht nicht abänderbar - auch heute noch maßgebend. Schon wegen wesentlichen überschreitens der nach § 10 WGGDV 1940 maßgeblichen Wohnflächengrenzen sei das streitige Gebäude nicht als Kleinwohnungsbau anzusehen. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung nach § 10 Abs. 2 WGGDV 1940 lägen ersichtlich nicht vor.

Mit der Rb. rügt der Bf. unzutreffende Nichtanwendung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG, durch dessen normausfüllende Verweisung auf die für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen die WGGDV 1957 auch für die Grunderwerbsteuer bedeutsam geworden sei. Im übrigen lägen nicht nur die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 WGGDV 1957, sondern auch die der insoweit inhaltlich gleichen Fassung 1940 vor.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. führt unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Die Auffassung der Vorinstanz, daß eine Steuerbefreiung nach § 1 Ziff. 3 LG 1958 nicht gewährt werden könne, teilt der Senat.

Noch in dem Urteil II 15/62 vom 7. April 1965 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 Nr. 342 S. 418) hat der Senat ebenfalls zu dem o. a. LG ausgesprochen, daß sich die Frage, ob Grunderwerbsteuerpflicht oder -freiheit besteht, nach dem Recht entscheidet, das in dem Zeitpunkt gilt, in dem der grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Rechtsvorgang sich vollzieht. Als diesen Zeitpunkt hat das Finanzgericht im Streitfall zutreffend den 20. Juni 1957 betrachtet, an dem durch Erteilung der behördlichen Genehmigung des Vertrags die Steuerschuld entstanden ist (vgl. § 3 Abs. 5 Ziff. 5b StAnpG). Auf den Erwerbsvorgang war deshalb das LG 1952 in der Fassung des nach Art. III des änderungsgesetzes vom 25. März 1958 (GVBl 1958 S. 11, BStBl 1958 II S. 48) ab 1. Juli 1956 in Kraft getretene LG 1958 anzuwenden.

Nach § 1 Ziff. 3 (in Verbindung mit Ziff. 1), § 2 LG ist der erste Erwerb eines Grundstücks (Erbbaurechts) von der Besteuerung nach dem GrEStG nur ausgenommen, wenn darauf ein Gebäude errichtet worden ist, das zu mehr als 80 v. H. Wohnungen oder Wohnräume enthält, die nach § 7 des I. WoBauG oder nach § 92 des II. WoBauG grundsteuerbegünstigt sind. Eine Grundsteuervergünstigung nach § 92 des II. WoBauG kommt nicht in Betracht, weil das Gebäude vor dem 1. Juli 1956, nämlich bereits am 31. Dezember 1955 bezugsfertig war (vgl. insoweit auch das l. a. Urteil des Bundesfinanzhofs II 15/62 vom 7. April 1965, a. a. O.). Mit Recht hat das Finanzgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 des I. WoBauG an dem grunderwerbsteuerrechtlich allein maßgebenden Stichtag des 20. Juni 1957 verneint. Der Wohnungsbau des Bf. war nicht öffentlich gefördert. Die andere Begünstigungsmöglichkeit nach der Wohnflächenberechnung hat das Finanzgericht ebenfalls mit zutreffender Begründung als nicht gegeben erachtet. Für die Anwendung des § 1 Ziff. 3 LG kann es in Fällen der streitigen Art nicht genügen, daß die Wohnungen (Wohnräume) nur im Zeitpunkt der Errichtung (bezugsfertigkeit) der Wohnflächenbegrenzung des § 7 Abs. 2b des I. WoBauG entsprechen. Die Grunderwerbsteuervergünstigung hängt im Falle des § 1 Ziff 3 LG vielmehr, wie sich aus dem mit den §§ 1 und 2 LG gekoppelten § 5 LG ergibt, grundsätzlich und letztlich davon ab, daß der steuerbegünstigte Zweck - im Streitfall der Ersterwerb eines Erbbaurechts mit nach § 7 des I. WoBauG grundsteuerbegünstigten Wohnungen (Wohnräumen) - zumindest für die Dauer von fünf Jahren aufrechterhalten bleibt. Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß als Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Grundsatz jede Maßnahme bewertet werden muß, durch die objektiv nachträglich die sachlichen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung beseitigt werden. Hätte der Bf. die beiden Wohnungen, die bis dahin flächenmäßig die Voraussetzungen der Grundsteuerbegünstigung erfüllten, erst nach dem Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs vereinigt, so wäre der Erwerb zwar zunächst von der Besteuerung ausgenommen worden; die Steuer hätte aber nachgefordert werden müssen, da durch die Schaffung einer Wohnungseinheit mit einer die zulässige Höchstgrenze nach § 7 des I. WoBauG überschreitenden Flächengröße von 136,70 qm der steuerbegünstigte Zweck innerhalb der Fünfjahresfrist des § 5 LG aufgegeben worden wäre. Deshalb muß die Steuerpflicht erst recht dann bejaht werden, wenn die Voraussetzungen für den grundsteuerbegünstigten sozialen Wohnungsbau im Sinne des § 7 des I. WoBauG bereits vor dem grunderwerbsteuerrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbsvorganges durch den Bf. beseitigt worden waren. Die Bescheinigung des Wohnwirtschaftsamts konnte schon deshalb für die Grunderwerbsteuerentscheidung nicht maßgebend sein, weil sie den Zustand des Gebäudes zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit (31. Dezember 1955), also eine vergebliche Spanne vor dem Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs betraf.

Dagegen vermag der Senat sich der Meinung des Finanzgericht nicht anzuschließen, daß die Frage, ob ein Kleinwohnungsbau im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG vorliege, nicht nach der WGGDV in der Fassung 1957, sondern in der Fassung 1940 zu entscheiden sei. Es ist richtig, daß auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer als einer "Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis" nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG den Ländern die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht. Daraus folgt, daß mit dem Inkrafttreten des GG das bisherige Reichsgrunderwerbsteuerrecht von diesem Zeitpunkt an (soweit es dem GG nicht widersprach) nur noch als Landesrecht weitergilt (Art. 123 ff. GG) und der nur noch durch Gesetze der einzelnen Länder geändert werden kann. Das gilt grundsätzlich auch für solche Rechtsnormen, die für die Anwendung und Vollziehung des Grunderwerbsteuerrechts unerläßlich sind. Soweit es sich dabei um früheres Reichsrecht handelt, ist es durchaus denkbar, daß diese Rechtsnormen teils als Bundesrecht (Art. 124, 125 GG), teils als Landesrecht fortgelten (vgl. insoweit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 4 S. 115 ff, 141 f.; 178 ff., 184; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 2 S. 105; Bd. 2 S. 161). Dementsprechend hat der Senat bereits durch Urteil II 15/55 U vom 20. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 152, Slg. Bd. 64 S. 408) entschieden, daß auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer die Vorschriften der AO, also z. B. deren §§ 3 und 316, als Landesrecht weitergalten, allerdings nur in der zur Zeit des Inkrafttretens des GG maßgebenden Fassung, solange und soweit durch Landesgesetze, die sog. AO-Anwendungsgesetze (für Niedersachsen vgl. Gesetz vom 21. Februar 1956, GVBl, Sonderband I S. 528) nicht anderes bestimmt wurde (vgl. auch Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts VII C 62/57 vom 7. März 1958, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1958 S. 196; Mattern-Wittneben, Das Abgabenänderungsgesetz, S. 15 bis 17).

Im Streitfall geht es aber nach Auffassung des Senats nicht um die Frage, ob und in welcher Fassung die WGGDV 1940 wegen ihrer Auswirkungen auf die Grunderwerbsbesteuerung teils als Bundes-, teils als Landesrecht und nach Inkrafttreten der änderungsverordnung vom 25. April 1957 nur noch als Landesrecht galt bzw. weitergilt; es geht vielmehr um das hiervon ganz verschieden gelagerte Problem, welche Bedeutung der allgemein gehaltenen Fassung der nunmehr Landesrecht gewordenen Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG insoweit zukommt, als sie bei unverändert gebliebenem Wortlaut auf Vorschriften zurückgreift, die der zwischenzeitlich vom Bund in Anspruch genommenen konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen (Art. 74 Nr. 18 GG). Der o. a. § 316 AO a. F. war nach dem ebenfalls in der alten Fassung in Kraft gebliebenen § 3 AO Landesrecht mit unmittelbarer (aus sich selbst erzeugter) Wirkung auch für das Grunderwerbsteuerrecht geworden. Die WGGDV dagegen wirkt sich auf das Grunderwerbsteuerrecht nur mittelbar aus, nämlich nur durch die landesrechtliche Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG selbst. Dieser entscheidende Unterschied erlaubt deshalb nicht die von der Vorinstanz auch aus dem o. a. Urteil II 15/55 U vom 20. Februar 1957 (a. a. O.) gezogenen Schlüsse, zumal dort die Nichtanwendung der AO n. F. dem ausdrücklichen Willen des Gesetzes entsprach.

Vielmehr ist § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG eine Art Blankettvorschrift, die ganz allgemein auf die für den Kleinwohnungsbau "geltenden" Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen verweist, ohne bestimmte Gesetze anzuführen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß nach dem Willen des Gesetzes diese Befreiungsvorschrift uneingeschränkt mit der Kleinwohnungs-Gemeinnützigkeitsregelung in der jeweils geltenden Fassung gekoppelt sein sollte. Da die Ausstrahlungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechtes auf die Grunderwerbsteuer sich nicht aus dessen eigener normativer Kraft, sondern nur aus der reichs-, später landesrechtlichen Verweisung in § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG ergeben, bedeutete es - anders als in dem hinsichtlich des § 316 AO entschiedenen Fall des Urteils II 15/55 U vom 20. Februar 1957 (a. a. O.) - auch keinen Eingriff in die Kompetenz des Landesgesetzgebers, als sich die bundesrechtliche änderung der WGGDV im Jahre 1957 kraft der unveränderten Landesverweisungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG auch auf die Grunderwerbsteuer auswirkte; dies um so weniger, als der Landesgesetzgeber die Koppelungswirkung jederzeit aufheben könnte.

Es kommt hinzu, daß die änderungsverordnung zur WGGDV vom 25. April 1957 lediglich eine Anpassungsregelung brachte, die den staats- und wirtschaftspolitischen Veränderungen, insbesondere der wohnungswirtschaftlichen Lage Rechnung trug, hierbei jedoch an die langjährige Tradition der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen anknüpfte (vgl. Begründung zur Verordnung zur änderung und Ergänzung der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen, Bundesrats-Drucksache 401957 vom 4. Januar 1957 S. 13, 18). Wie in dem Urteil des Senats II 23/60 U vom 18. Januar 1965 (BStBl 1965 III S. 174, Slg. Bd. 81 S. 482) unter II 1 zu § 8 GrEStG, in dem sogar - anders als in § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG, - ausdrücklich auf die Vorschriften des Reichsversorgungsrechts verwiesen wird, handelt es sich auch hier nicht um eine sachlich neue Steuerbefreiung, sondern um die Fortführung der alten Vergünstigung unter Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse, der auch eine entsprechende sinnvolle Auslegung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG gerecht werden muß (ß 1 Abs. 2 StAnpG).

Von dieser Rechtslage sind offensichtlich auch die Landesgesetzgeber ausgegangen, wenn sie angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Urteile II 83/59 U vom 7. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 135, 136 linke Spalte, Slg. Bd. 72 S. 364, 366; II 203/60 U vom 17. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 19, 20 rechte Spalte, Slg. Bd. 76 S. 50, 56), in der die Maßgeblichkeit der WGGDV 1957 - wenn auch ohne Begründung im einzelnen - bejaht wird, trotz erheblicher änderungen des Grunderwerbsteuerrechts die streitige Vorschrift nicht geändert haben. Bemerkenswerterweise hat z. B. das Land Hessen in § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur änderung und Ergänzung des Grunderwerbsteuerrechts vom 16. Dezember 1963 (Hessisches GVBl 1963 I S. 192) nur den bisher verwaltungsmäßig umschriebenen Begriff des Eigenheims aus "rechtsstaatlichen Gründen" gesetzlich normiert, und zwar in Anpassung an das II. WoBauG, dagegen ebenfalls diese Bestimmung im übrigen unverändert gelassen (vgl. Hessischer Landtag, V. Wahlperiode, Drucksachen-Nr. 309 vom 25. Juni 1963, Begründung zum o. a. änderungsgesetz S. 10 zu Art. I Ziff. 3 bis 5). Es kann aber nicht angenommen werden, daß die Landesgesetzgeber auf dem Gebiet des Wohnungswesens einerseits so moderne Gesetze wie die Landesgesetze über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer erlassen, andererseits bei Anwendung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG es bei der anpassungsbedürftigen und als Bundesrecht bereits seit dem Jahre 1957 nicht mehr in Kraft befindlichen WGGDV in der Fassung 1940 belassen wollten.

Daß schließlich auch die Länderfinanzminister die WGGDV in der Fassung 1957 als für die Grunderwerbsteuer maßgebend halten, lassen die Ländererlasse aus dem Jahre 1958 betreffend die steuerrechtliche Behandlung der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und der Organe der staatlichen Wohnungspolitik (für Niedersachsen siehe BStBl 1958 II S. 71, 72 ff.) erkennen, in denen das GrEStG ausdrücklich mehrfach (z. B. in Abschn. 2 Abs. 2g, Abs. 5; Abschn. 4 Abs. 6c) erwähnt und berührt wird.

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, mußte aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Frage, ob das Haus des Bf. unter Anwendung des § 11 WGGDV 1957 als Kleinwohnungsbau zu betrachten ist und ob deshalb die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Ziff. 1c GrEStG erfüllt sind, kann - wie bereits das Finanzgericht selbst zutreffend bemerkt hat - nach den derzeitigen Unterlagen nicht entschieden werden. Das Finanzgericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, wird diese bisher aus anderen Gründen nicht vorgenommene Prüfung unter Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen zur Maßgeblichkeit der WGGDV 1957 für die Landesgrunderwerbsteuer nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411803

BStBl III 1965, 694

BFHE 1966, 538

BFHE 83, 538

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