Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine zentrale Redaktion mehrerer Heimatzeitungen die aus beschafftem Nachrichtenmaterial druckreife Texte gewinnt und aus diesen durch eine Druckerei Zeitungsmatern herstellen läßt, bewirkt mit der entgeltlichen überlassung der Matern an die Heimatzeitungen nicht sonstige Leistungen, sondern Lieferungen.

Für diese Lieferungen kommt der ermäßigt Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG in Betracht, auch wenn die zentrale Redaktion der Druckerei Weisungen für den Umbruch erteilt und die Korrekturen ließt.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 7 Abs. 3; UStDB § 12

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige nimmt als genossenschaftlicher Zusammenschluß von über 30 Heimatzeitungen die Aufgaben einer zentralen Redaktion wahr. Sie bezieht von Nachrichtenagenturen und Pressediensten die neuesten Tagesnachrichten und Bildvorlagen. Dieses Material wird von ihr redaktionell gesichtet, geordnet, gekürzt oder ergänzt. Die so gewonnenen druckreifen Texte erhält eine Druckerei mit dem Auftrage, hieraus reproduktionsfähige Zeitungsmatern und Bildätzungen herzustellen. Die Druckerei beschafft in Erfüllung dieses Auftrages das erforderliche Material in eigenem Namen und stellt ihre Maschinen und Einrichtungen sowie die Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Steuerpflichtige erhält die von der Druckerei hergestellten Gegenstände zur Weitergabe an ihre Genossen, wobei es sich bei den Matern teils um fertig zusammengestellte Zeitungsseiten, teils um Spaltenmatern handelt.

Die Druckerei stellt ihre Arbeiten der Steuerpflichtigen in der Weise in Rechnung, daß sie für die Herstellung des Satzes und das Prägen und Liefern der Matern monatlich eine pauschale Vergütung von ... DM, für den Umbruch täglich ... DM und für sonstige Arbeiten monatlich ... DM berechnet. Im Kostenaufwand der Steuerpflichtigen beträgt der auf die technische Herstellung der Matern (einschließlich Umbruch) entfallende Anteil 35 %. Der restliche Kostenaufwand verteilt sich auf die Kosten der Nachrichtenbeschaffung und der redaktionellen Bearbeitung sowie auf sonstige Kosten (Raumkosten, Absetzung für Abnutzung, Fernschreibgebühren usw.).

Die Steuerpflichtige legt ihre Kosten auf die Genossen pauschal unter Zugrundelegung des gesamten Kostenaufwands des Vorjahrs und der Gesamtauflage aller angeschlossenen Heimatzeitungen um, wobei die Genossen monatlich im voraus die anteiligen Kosten nach der Zahl der Abonnenten des einzelnen Zeitungsverlags und dem von der Steuerpflichtigen festgesetzten Bezugspreis je Abonnent zu entrichten haben.

Die Steuerpflichtige begehrt für die von ihren Genossen vereinnahmten Entgelte den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG, während das Finanzamt der Auffassung ist, daß die Steuerpflichtige nicht Lieferungen, sondern sonstige Leistungen bewirkt. Aber selbst bei Annahme von Lieferungen ist nach Ansicht des Finanzamts der ermäßigte Steuersatz zu versagen, weil die Steuerpflichtige bei der Herstellung der Matern in steuerlich schädlicher Weise mitgewirkt hat.

Das Finanzgericht hat durch Zwischenurteil (ß 284 Abs. 2 AO) entschieden, daß eine Bearbeitung oder Verarbeitung im Sinne des § 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 12 UStDB nicht vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts; sie kann keinen Erfolg haben.

Es ist der Rb. darin zuzustimmen, daß ehe die Frage einer steuerlich schädlichen Bearbeitung auftauchen kann, darüber zu befinden ist, ob die Steuerpflichtige an ihre Genossen überhaupt Lieferungen bewirkt hat. Die Rb. glaubt, dies unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 109/40 vom 21. November 1941 (RStBl 1942 S. 285) verneinen zu müssen. Diesem Urteil lag jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde als im Streitfalle; denn dort war ein Nachrichtenbüro Steuerpflichtiger, das seinen Kunden (Zeitungsverlagen) Nachrichten über Zeitgeschehnisse übermittelte. Im Streitfalle haben die Zeitungsverlage bzw. Zeitungsdruckereien (Genossen) die Beschaffung des Nachrichtenmaterials der Steuerpflichtigen übertragen, die die Nachrichten ihrerseits von Nachrichtenbüros bezieht und für die Genossen redaktionell aufbereitet. Die Steuerpflichtige hat also weitgehend aus Kostenersparnisgründen die Funktion eines Zeitungsverlags übernommen; sie ist zwischen die Nachrichtenagenturen, Pressedienste und ähnliche Unternehmungen einerseits und die Genossen andererseits eingeschaltet worden. Die Umsätze werden im Streitfalle mithin auf einer späteren Stufe des Wirtschaftsablaufes bewirkt als in jenem Falle. Daraus erklärt sich, daß es den Genossen wesentlich auf die Zeitungsmater in ihrer körperlichen Erscheinungsform ankommt, weil sich die Genossen (Heimatzeitungen) nur noch auf den Druck der Zeitung beschränken. Während also für ein Zeitungsunternehmen mit eigener Redaktion und verlegerischen Aufgaben die Mater nur die besondere Ausgestaltung eines Manuskripts bedeutet und dessen geistiger Inhalt für sie das Wesentliche ist, sind die Zeitungsmatern für die Abnehmer im Streitfalle (Genossen) ein Zwischenerzeugnis, dessen körperliche Beschaffenheit für sie das wirtschaftlich Bedeutsame ist. Denn die Genossen üben, soweit die hier überlassenen Matern in Betracht kommen, die verlegerischen und redaktionellen Aufgaben nicht selbst aus, sondern beschränken sich auf das Drucken auf Grund der Zeitungsmatern, die sie als Gußform für die Zeitungsherstellung benötigen. Lieferungsgegenstand kann grundsätzlich nicht nur das Enderzeugnis (Zeitung), sondern auch ein Zwischenerzeugnis sein. Auch Zeitungsmatern, die eine andere wirtschaftliche Bedeutung haben als bloße Einzelmatern für eine Zeitungsredaktion, können als Wirtschaftsgüter geistigen Inhalts in dieser stofflichen Einkleidung Lieferungsgegenstände sein; andernfalls könnten Zeitungen und Bücher, die vom Abnehmer regelmäßig wegen ihres geistigen Inhalts gekauft werden, nicht geliefert werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats V 150/55 S vom 21. September 1955, BStBl 1955 III S. 334, Slg. Bd. 61 S. 354).

Es ist auch nicht so, wie die Rb. meint, daß die Steuerpflichtige ihren Genossen durch die überlassung der Matern im wesentlichen das Recht auf Vervielfältigung der Nachrichten verschafft habe. Soweit für Nachrichten überhaupt Urheberrechte in Betracht kommen können (vgl. § 18 Abs. 3 des Ersten Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 - RGBl S. 227 - und Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Auflage, 1960, § 49 II S. 236), hat diese bereits die Steuerpflichtige für ihre Genossen erworben. Diesen aber kommt es, wie ausgeführt, auf die Matern in ihrer körperlichen Erscheinungsform an; denn für die Herstellung von Matern fehlt es ihnen an Maschinen und Personal, während sie die Nachrichten als solche auch unmittelbar von den Presseagenturen und Nachrichtenbüros zum gleichen Preise wie die Steuerpflichtige beziehen könnten. Daß sie in den Preisen für die Matern auch die Kosten für die Beschaffung der Nachrichten, also des geistigen Inhalts, und gegebenenfalls für etwaige Vervielfältigungsrechte mitbezahlt haben, ändert nichts an der Beurteilung des Umsatzgeschäfts als einer Lieferung. Denn regelmäßig wird auch der Bezieher oder Käufer einer Tageszeitung diese um ihres Inhalts willen erwerben und bezahlt im Kaufpreis auch die Kosten der Nachrichtenbeschaffung, soweit es sich um Sprachwerke im Rechtssinne, z. B. Zeitungsromane, handelt (vgl. Ulmer a. a. O.), auch die Kosten des Erwerbs von Urheberrechten. Gleichwohl werden Zeitungen aber geliefert.

Hat die Steuerpflichtige mithin Matern von einem fremden Unternehmer auf Grund eines Werklieferungsvertrags erworben und an die Genossen weitergeliefert, so bleibt zu prüfen, ob die Steuerpflichtige eine steuerlich schädliche Bearbeitung durch ihre Mitwirkung bei der Herstellung der Matern vorgenommen hat. Diese Frage ist zu verneinen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ist festgestellt worden, daß die Steuerpflichtige durch ihre Angestellten die Korrekturen lesen ließ und durch einen Redakteur in den Räumen der Druckerei den Setzern unmittelbar soweit Seitenmatern geliefert wurden, Anweisungen für den Umbruch erteilte. Nach Auffassung des Senats ist sie hierbei im Aufgabenbereich eines Zeitungsverlegers geblieben, während der Drucker der Matern die ihm obliegenden Aufgaben selbständig bewirkt hat. Bei der Vervielfältigung geistiger Erzeugnisse ebenso wie bei der Herstellung der zum Druck erforderlichen Zeitungsmatern entspricht eine selbst wesentliche Einflußnahme des Verlegers (Bestellers) auf die Gestaltung des Erzeugnisses und damit auf die Werklieferung der Druckerei der durch die Umstände gebotenen Aufgabenverteilung und der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung (vgl. das oben angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. September 1955).

Der Vorentscheidung ist somit im Ergebnis beizutreten. Hiernach rechtfertigt sich die Zurückweisung der Rb.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409829

BStBl III 1961, 26

BFHE 1961, 69

BFHE 72, 69

StRK, UStG:1/1 R 151

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