Entscheidungsstichwort (Thema)

Rinderhaltung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb

 

Leitsatz (NV)

1. Hält ein Stpfl. 5 bis 8 Rinder auf 2,86 ha Weideland, so kann diese Tätigkeit selbst dann einen selbständigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bilden, wenn er zwar sämtliche land- und forstwirtschaftlichen Produkte in seiner Metzgerei verwertet, die Erlöse daraus aber nicht mehr als 3 v. H. der Gesamterlöse der Metzgerei ausmachen.

2. Zur Frage, ob eine Rinderhaltung von geringem Umfang Liebhaberei ist.

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 15 (Abs. 1) Nr. 1, § 15 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb bis Ende 1971 als Alleininhaber eine Metzgerei in A. Er erwarb in den Jahren 1958 bis 1967 in B insgesamt 2,86 ha Weideland. Auf diesem ließ er in den Jahren 1968 bis 1971 jeweils vom Frühjahr bis zum Winteranfang zwischen fünf und acht Rinder weiden, die er für Preise zwischen 2 685 DM und 7 150 DM eingekauft hatte. Der Kläger verwertete die Rinder in seiner Metzgerei und erzielte für sie Erlöse zwischen 3 600 DM und 8 500 DM. Die Umsätze der Metzgerei bewegten sich in den Jahren 1968 bis 1971 zwischen 242 000 DM und 293 000 DM. Ende 1971 übertrug der Kläger das Weideland auf seine Tochter.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1971 behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) das Weideland als notwendiges Betriebsvermögen des Metzgereibetriebs. Dementsprechend sah das FA die Übertragung des Weidelandes auf die Tochter des Klägers als Entnahme an. Im Einkommensteuerbescheid 1971 setzte das FA einen Entnahmegewinn in Höhe von 45 260 DM an. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus:

Die Weideflächen seien kein notwendiges Betriebsvermögen des Metzgereibetriebs. Sie seien nicht planmäßig mit diesem Betrieb verbunden worden und hätten ohne Nachteile von ihm getrennt werden können. Der Anteil der Erlöse für das selbstgeweidete Vieh an den Gesamtumsätzen der Metzgerei habe nur 1,5 v. H. bis 3 v. H. betragen; sie seien daher so gering, daß aus der Viehhaltung keine Vorteile für die Metzgerei entstanden seien. Auch seien Kostenvorteile angesichts der unbedeutenden Überschüsse, bei denen die Grundstückskosten noch nicht berücksichtigt seien, nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen könnten die der Viehhaltung dienenden Grundstücke auch nicht als Betriebsvermögen eines dem Hauptbetrieb in Solingen dienenden Nebenbetriebs angesehen werden. Schließlich sei die Rinderhaltung auch kein selbständiger land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewesen, weil auf Dauer betrachet ein Gewinnstreben nicht habe angenommen werden können.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils sind die Weideflächen zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu rechnen.

1. Die Tierhaltung stellt einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 13 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar, sofern die für sie benötigte pflanzliche Futtermenge durch Bodenbewirtschaftung mit Hilfe der Naturkräfte gewonnen wird. Einkünfte aus einer Tierhaltung gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn im Wirtschaftsjahr nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1969 für die ersten fünf ha (nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1971 für die ersten 20 ha) nicht mehr als zehn Vieheinheiten je ha der regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen gehalten werden. Die Tierbestände sind nach dem Futterbedarf in Vieheinheiten umzurechnen, wobei in den Fällen des EStG 1969 § 51 Abs. 2 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.d.F. vom 10. Dezember 1965 und in den Fällen des EStG 1971 § 51 Abs. 2 bis 5 BewG i.d.F. vom 10. Dezember 1965, geändert durch das Gesetz zur Änderung bewertungsrechtlicher und anderer steuerrechtlicher Vorschriften (BewÄndG) 1971 vom 27. Juli 1971, anzuwenden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1969 bzw. 1971). Nach § 51 Abs. 4 BewG und der dazu ergangenen Anlage 1 hat der Kläger, der zu keiner Zeit mehr als acht Rinder auf seinem Gelände hat weiden lassen, für die von ihm genutzten 2,86 ha Weideland weniger als 10 Vieheinheiten je ha gehalten. Damit sind im Streitfall hinsichtlich der Tierhaltung die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang Futter zugekauft worden ist (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rz. 63); deshalb ist auch die insoweit erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung unbegründet.

Die Rinderhaltung ist allerdings dann kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, wenn sie zusammen mit dem Metzgereibetrieb als ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen ist oder wenn sie eine Tätigkeit darstellt, die nicht auf die Erzielung positiver Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1971 gerichtet ist (Liebhaberei).

2. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen, die für den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich bindend sind, bilden im Streitfall der Metzgereibetrieb und die Rinderhaltung keinen einheitlichen Gewerbebetrieb. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den Fällen, in denen die durch eine landwirtschaftliche Betätigung gewonnenen Erzeugnisse in einem Be- oder Verarbeitungsbetrieb verwertet werden (z. B. Schafe aus einer Schäferei in einer Hammelschlächterei) für die Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb oder zwei einkommensteuerrechtlich selbständig zu beurteilende Betriebe vorliegen, stets darauf abgestellt, ob die Verbindung des landwirtschaftlichen und des gewerblichen Betriebs nur zufällig, vorübergehend und ohne Nachteil für das Gesamtunternehmen lösbar oder ob sie vielmehr planmäßig und im Interesse des Hauptbetriebs gewollt war (Urteile vom 16. Dezember 1965 IV 299/61 U, BFHE 84, 530, BStBl III 1966, 193, und vom 19. Mai 1971 IV R 156-157/67, BFHE 103, 320, BStBl II 1972, 8). Im Rahmen dieser Prüfung sind die Gesamtumstände des Falles zu berücksichtigen; dabei spielt auch das Ausmaß, in dem Erzeugnisse des landwirtschaftlichen Betriebs in den Be- oder Verarbeitungsbetrieb geliefert werden, eine bedeutsame Rolle. Jedoch sind auch Fälle denkbar, in denen ein einkommensteuerrechtlich selbständiger landwirtschaftlicher Betrieb erhalten bleibt, obwohl der Steuerpflichtige seine gesamten Erzeugnisse in einem eigenen gewerblichen Unternehmen absetzt (BFHE 103, 320, BStBl II 1972, 8). Nach Felsmann (Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., Abschn. A Rdnr. 321) sind - ähnlich der Regelung in Abschn. 134 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) beim Absatz landwirtschaftlicher Produkte in einem Handelsbetrieb - zwei einkommensteuerrechtlich selbständige Betriebe anzunehmen, wenn die vom landwirtschaftlichen Betrieb an den Be- oder Verarbeitungsbetrieb gelieferte Eigenerzeugung im Verhältnis zur gesamten be- oder verarbeiteten Rohstoffmenge von untergeordneter Bedeutung (z. B. weniger als 30 v. H.) ist; er begründet diese Auffassung damit, daß eine solche Verbindung beider Betriebe ohne Nachteile für das Gesamtunternehmen lösbar und in der Regel nicht planmäßig im Interesse des gewerblichen Hauptbetriebs gewollt ist.

Es kann dahinstehen, ob stets dann, wenn der Einsatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse im Be- oder Verarbeitungsbetrieb schon geringer als 30 v. H. der insgesamt in diesem Betrieb verwendeten Rohstoffmenge ist, die Einheit der beiden Betriebe zu verneinen ist. Jedenfalls kann in den Fällen, in denen - wie in der Streitsache - die Erlöse aus den an den Beoder Verarbeitungsbetrieb gelieferten Produkten nicht mehr als 3 v. H. der Gesamterlöse ausmachen, davon ausgegangen werden, daß die Verbindung der beiden Betriebe nicht planmäßig im Interesse des Hauptbetriebs gewollt ist und ohne Nachteil für das Gesamtunternehmen gelöst werden kann. Das Vorliegen dieser Tatsachen hat das FG im Streitfall festgestellt. Das Weideland kann damit nicht aus dem Grunde der Einheitlichkeit der Rinderhaltung und des Metzgereibetriebs gewerbliches Betriebsvermögen sein.

3. Die vom Kläger betriebene Rinderhaltung kann auch dann nicht als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen werden, wenn er insoweit außerhalb der Tatbestände der sieben Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1971 tätig geworden und deshalb Liebhaberei anzunehmen ist. Für die Abgrenzung zwischen einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG und einer Liebhaberei kommt es entscheidend darauf an, ob die Betätigung in Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wurde (BFH-Beschluß des Großen Senats vom 25. Juli 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 434 ff., BStBl II 1984, 751, 766 f.; Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205). Auf das Vorliegen oder Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht muß aus objektiven Umständen geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. Eine längere Verlustperiode läßt für sich allein nicht den Schluß auf die fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu (BFHE 141, 405, 435 f., BStBl II 1984, 751, 767).

Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß im Streitfall die Rinderhaltung als Liebhaberei zu beurteilen ist. Der Kläger hat seine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen. Denn nach den Tatsachenfeststellungen des FG hat er - von dem Ergebnis in einem Wirtschaftsjahr abgesehen - tatsächlich Gewinne (Periodengewinne) - wenn auch in geringer Höhe - erwirtschaftet; daran ändert sich auch dadurch nichts, daß diese Gewinne - wie das FG ausgeführt hat - noch um (geringfügige) Grundstückskosten zu mindern sind. Für die Annahme des Gewinnstrebens sprechen auch die Art und die Intensität der Nutzung des 2,86 ha großen Weidelandes durch jährlich fünf bis acht Rinder sowie ferner die Verwertung der Tiere im eigenen Gewerbebetrieb. Das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht kann deshalb im Streitfall auch nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, daß der Kläger die Rinder zu dem Zweck angeschafft habe, die Verunkrautung des Weidelands zu verhindern.

4. Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung zu prüfen haben, ob - wie der Kläger vorträgt - durch die Übertragung des Weidelands auf seine Tochter ein steuerpflichtiger Gewinn gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht entstanden ist oder ob und inwieweit er einen laufenden Gewinn oder einen (tarifbegünstigten) Aufgabegewinn nach § 14 EStG (§ 14a EStG) zu versteuern hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414132

BFH/NV 1986, 278

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