Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung des innerhalb des Begünstigungszeitraums begonnenen Bauvorhabens

 

Leitsatz (NV)

Die Umplanung des ursprünglichen Bauvorhabens nach Ablauf des Begünstigungszeitraums ist für die Gewährung der Inves titionszulage unschädlich, wenn sie aus Gründen notwendig wird, die im öffentlichen Interesse liegen und die der Investor nicht zu vertreten hat.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 S. 3

 

Tatbestand

Der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer OHG, war von der Stadt X zunächst ein Grundstück A zum Erwerb und zur Bebauung mit einem Firmengebäude angeboten worden, bezüglich dessen die Klägerin auch am 29. Dezember 1982 einen Bauantrag stellte. Ende 1982/Anfang 1983 wurden die notwendigen, bereits am 21. Mai 1982 von der Stadt X genehmigten Abbrucharbeiten auf diesem Grundstück, das der Klägerin noch nicht gehörte, mit einem Aufwand von rund 44 000 DM durchgeführt. Im Jahre 1982 fielen auch schon Vermessungskosten in Höhe von 4 241,79 DM an, und es wurden die notwendigen Bauzeichnungen erstellt. Zu einer Durchführung des Grundstücksgeschäfts und der Bauerrichtung kam es aber nicht, weil die Stadt X 1983 (Streitjahr) die Verfügungsmacht über ein anderes Grundstück (B) erlangte und dieses an die Klägerin zur Errichtung eines Firmengebäudes verkaufte. Die Stadt X war aus städtebaulichen Gründen mit dem Verlangen des Standortwechsels an die Klägerin herangetreten.

Einen Investitionszulagenantrag der Klägerin betreffend Anzahlungen und Teilherstellungskosten für die tatsächlich durchgeführte Baumaßnahme lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) mit Bescheid vom 3. Oktober 1984 u. a. mit der Begründung ab, daß der maßgebliche Bau antrag nicht innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellt worden sei. Die Aufwendungen sind im übrigen der Höhe nach unstreitig.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt und setzte die Investitionszulage antragsgemäß fest. Zur Begründung führte es im wesent lichen aus, daß das FA zu Recht den 1983 gestellten Bauantrag bezüglich des Grundstückes B als den nach § 4b Abs. 2 Satz 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 maßgeblichen Antrag angesehen habe. Gleichwohl sei der Ablehnungsbescheid vom 3. Oktober 1984 rechtswidrig, denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (Hinweis auf Urteil vom 22. April 1982 III R 113/78, BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571) sei eine Ausnahme vom Erfordernis der Identität von bestelltem und geliefertem (beweglichen) Wirtschaftsgut denkbar, wenn eine Umbestellung aus Gründen notwendig werde, die außerhalb des Einflußbereichs des Investors lägen und von ihm nicht zu vertreten seien. Diese zu beweglichen Wirtschaftsgütern ergangene Rechtsprechung gelte in Fällen der Umplanung eines Bauvorhabens entsprechend (Hinweis auf Urteile des FG Köln vom 23. Februar 1989 12 K 301/86, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1989, 423, und des Niedersächsischen FG vom 12. Dezember 1986 II 73/85, EFG 1987, 320).

Im Streitfall liege eine derartige erzwungene Änderung des Ursprungsplans vor. Nach Auffassung des FG, die seit einer entsprechenden Klärung in einem Erörterungstermin des Berichterstatters auch vom FA geteilt werde, beruhe die Aufgabe des ursprünglich geplanten Bauvorhabens auf Gründen, die außerhalb der Einflußsphäre der Klä gerin gelegen hätten und von ihr nicht zu vertreten gewesen seien. Denn wie die Klägerin überzeugend dargelegt und durch die Vorlage verschiedener Unterlagen nachgewiesen habe, sei die Stadt X mit dem Verlangen des Standortwechsels an die Klägerin herangetreten, da die Ansiedlung des Betriebes der Klägerin in einem reinen Industriegebiet nicht so günstig gewesen wäre und überdies städtebauliche Gründe für eine Bebauung des Grundstücks B gesprochen hätten. Auf die zwischen den Beteiligten erörterte Frage, in welchem Umfang das verwirklichte von dem ursprünglich geplanten Bauvorhaben abweiche, komme es somit nicht an.

Das FG äußerte die Überzeugung, daß die Übereignung des Grundstücks A an die Klägerin von beiden Beteiligten ernsthaft geplant und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch realisiert worden wäre, wenn im Folgejahr die Stadt X nicht die Verfügungsgewalt über das Grundstück B erlangt hätte oder der dieses Grundstück betreffende Kaufvertrag aus anderen Gründen nicht zustandegekommen wäre. Dafür sprächen nicht zuletzt die erheblichen Aufwendungen der Klägerin schon im Verlauf des Jahres 1982 (Abbrucharbeiten etc.). Das FG ging aufgrund der Gesamtumstände des Falles davon aus, daß die Klägerin vor Ablauf des Jahres 1982, mit Stellung des ersten Bauantrages, ihre Investitionsentscheidung getroffen habe.

Mit seiner Revision rügt das FG die Verletzung des § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982. Die vom FG vertretene Abweichung vom Wortlaut der Vorschrift widerspreche Sinn und Zweck des Gesetzes, welches aus Praktikabilitätsgründen klare Fristen enthalte. Überdies sei der eindeutige Wortlaut eine zu beachtende Grenze für die Gesetzesauslegung. Die vom FG vertretene Auffassung sei im Steuerrecht mit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) vergleichbar: Diese Vorschrift finde jedoch aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 5 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1982 auf Investitionszulagen keine Anwendung.

Selbst wenn man Ausnahmen von der Einhaltung der Bauantragsfrist bei einer vom Investor nicht zu vertretenden Auswechslung des Investitionsobjekts zulasse, seien diese nach der BFH-Rechtsprechung zumindest sehr eng begrenzt, so daß der Streitfall nicht darunter falle. Eine im wesentlichen gleiche Investition liege schon deshalb nicht vor, weil das verwirklichte Bauvorhaben wegen seiner für den Betrieb der Klägerin günstigeren Lage eine andere Bedeutung habe. Außerdem fehle es an einer unwiderruflichen Investitionsentscheidung der Klägerin schon im Jahr 1982, die damals noch gar nicht habe getroffen werden kö nnen, weil die Klägerin noch keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem der beiden Grundstücke gehabt habe.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982 zu Recht bejaht.

1. Voraussetzung für die Gewährung der sog. Beschäftigungszulage ist neben anderen -- hier nicht streitigen -- Erfordernissen nach § 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982, da ß der Steuerpflichtige nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. Januar 1983 mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes begonnen hat. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf die Baugenehmigung gestellt worden ist (§ 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982).

Im Streitfall hat die Klägerin am 29. Dezember 1982 den Bauantrag für die Bebauung des Grundstücks A gestellt. Sie hat damit innerhalb des Begünstigungszeitraums mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes begonnen.

2. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Senats der innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellte Bauantrag in der Regel nur dann für die Gewährung der Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 maßgebend, wenn das Gebäude auf der Grundlage dieses Bauantrages und der dazu erteilten Baugenehmigung errichtet worden ist (vgl. u. a. Senatsurteile vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454 zur Parallelvorschrift des § 4b InvZulG 1975, und vom 30. September 1988 III R 34/87, BFH/NV 1989, 457 zur hier anzuwendenden Vorschrift des § 4b InvZulG 1982). Dabei ist der Bauantrag grundsätzlich als grundstücksbezogen anzusehen. Wird daher das Gebäude, wie im Streitfall, auf einem anderen Grundstück errichtet, als es in dem im Begünstigungszeitraum gestellten Bauantrag vorgesehen war, ist dieser Bauantrag im Regelfall für den rechtzeitigen Beginn der Herstellung des Wirtschaftsgutes nicht mehr maßgebend (Senatsurteile vom 28. September 1982 III R 12/80, BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146, und vom 8. Februar 1991 III R 92/87, BFH/NV 1991, 560). Diese Senatsrechtsprechung betrifft aber nur Regelfälle. Ein solcher Regelfall liegt im Streitfall nicht vor.

3. Nach Auffassung des Senats ist nämlich eine fehlende Identität zwischen dem im Bauantrag geplanten und dem tatsächlich errichteten Gebäude für die Gewährung der Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 ausnahmsweise dann unschädlich, wenn die Umplanung aus Gründen notwendig geworden ist, die ausschließlich außerhalb des Einflußbereichs des Investors lagen und von ihm nicht zu vertreten waren (vgl. Senatsurteile vom 14. März 1980 III R 78/78, BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476, und in BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571). Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 137, 134, BStBl II 1983, 146 zwar noch offengelassen, ob diese zu beweglichen Wirtschaftsgütern entwickelte Rechtsprechung auch auf unbewegliche Wirtschaftsgüter zu übertragen ist. Er ist aber bereits in seinen Urteilen in BFH/NV 1991, 560 und vom 22. April 1994 III R 65/92 (BFH/NV 1994, 904) von einer solchen Übertragung ausgegangen. Entgegen der Auffassung des FA kann die Rechtslage insoweit bei beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern nicht unterschiedlich sein, denn es ist kein Grund für eine solche unterschiedliche Behandlung ersichtlich.

Die Ausnahme von dem Erfordernis der Identität des tatsächlich errichteten Gebäudes mit dem im Bauantrag geplanten Gebäude ist jedoch eng zu begrenzen. Der Senat hat schon in seiner zu beweglichen Wirtschaftsgütern ergangenen Entscheidung in BFHE 136, 166, BStBl II 1982, 571 auf den eng begrenzten Umfang der Ausnahme hingewiesen. Es kann daher bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern nicht darum gehen, die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 auch in Fällen zu gewähren, in denen der Steuerpflichtige noch innerhalb des Begünstigungszeitraums einen unvollständigen oder in den wesentlichen baurechtlichen Merkmalen noch nicht genehmigungsfähigen Bauantrag gestellt hat und dann später aufgrund der baurechtlichen Einwendungen der Baugenehmigungsbehörde ein anderes Gebäude planen mußte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Steuerpflichtige durch die Stellung seines Bauantrages im Begünstigungszeitraum seine Investitionsentscheidung unwiderruflich sowohl hinsichtlich der Frage getroffen hat, ob er überhaupt investieren will, als auch hinsichtlich der Frage, wie die Investition aussehen soll. Der Steuerpflichtige muß also innerhalb des Begünstigungszeitraums einen Bauantrag für ein Gebäude gestellt haben, mit dessen im wesentlichen unveränderter Verwirklichung er rechnen konnte. Wenn dann aufgrund von Umständen, die außerhalb des Einflußbereichs des Steuerpflichtigen lagen und die er weder vorhersehen konnte noch zu vertreten hatte, eine wesentliche Umplanung erforderlich geworden ist, so ist es gerechtfertigt, den innerhalb des Begünstigungszeitraums gestellten Bauantrag als maßgebend i. S. von § 4b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1982 anzusehen.

4. Ein solcher Ausnahmefall ist im Streitfall gegeben. Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin durch den im Begünstigungszeitraum gestellten Bauantrag für das Grundstück A unwiderruflich ihre Investitionsentscheidung für die Errichtung eines Gebäudes auf diesem Grundstück getroffen. Sie konnte auch damit rechnen, daß sie das Grundstück von der Stadt X kaufen konnte und die Errichtung des Gebäudes genehmigt wurde. Diese Feststellungen des FG sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für sie spricht schon die Tatsache, daß die Klägerin mit Genehmigung der Stadt X unter Aufwendung erheblicher Kosten Abbrucharbeiten auf dem Grundstück vorgenommen hat. Die Notwendigkeit zur Umplanung ergab sich für die Klägerin erst dadurch, daß die Stadt X später die Ver fügungsmacht über das Grundstück B erlangte und dieses für das Bauvorhaben der Klägerin aus städtebaulichen Gründen günstiger war. Diese Umstände lagen außerhalb des Einflußbereichs der Klägerin und waren von ihr nicht zu vertreten.

Dabei kann offenbleiben, ob sich die Klägerin dem Anliegen der Stadt X auf Errichtung des Gebäudes auf dem Grundstück B noch hätte widersetzen und bei energischem Widerstand die Bebauung des Grundstücks A weiterhin hätte durchsetzen können. Es kann der Klägerin nicht zum Nachteil angerechnet werden, daß sie im öffentlichen Interesse auf die von der Stadt X vertretenen städtebaulichen Belange Rücksicht genommen hat. Andernfalls hätte man von ihr verlangen müssen, dem öffentlichen Interesse zuwider zu handeln, nur um sich den Anspruch auf die Investitionszulage zu erhalten, obwohl hinter dieser Investitionszulage ebenfalls das öffentliche Interesse steht.

Zu berücksichtigen ist auch, daß die Stadt X der Klägerin nicht nur als Baugenehmigungsbehörde gegenüberstand. Die Stadt X war vielmehr noch Eigentümerin sowohl des Grundstücks A als auch des Grundstücks B. Die Klägerin hätte bezüglich des Grundstücks A also gegenüber der Stadt X nicht nur die Baugenehmigung, sondern auch den Kauf durchsetzen müssen. Falls dies überhaupt möglich gewesen wäre, hätte es angesichts der Interessenlage der Stadt X jedenfalls solche Schwierigkeiten gemacht, daß der Klägerin im Hinblick auf die Erhaltung des Anspruchs auf die Investitionszulage ein Beharren auf ihren ursprünglichen Bauplänen nicht zumutbar war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421566

BFH/NV 1997, 201

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