Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des sog. neuen Wohnungsbegriffs bei nachträglichem Dachgeschoßausbau

 

Leitsatz (NV)

1. Nach §75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus und Zweifamilienhaus entscheidend, ob in dem betroffenen Wohngrundstück eine Wohnung oder zwei Wohnungen enthalten sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Annahme einer Wohnung für Stichtage ab 1. Januar 1974 u.a. wesentlich, daß die Räume eine von anderen Räumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene Einheit bilden und einen eigenen Zugang aufweisen. Außerdem ist erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume vorhanden sind (s. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten die Voraussetzungen des Wohnungsbegriffs erfüllen.

2. Zum zeitlichen Anwendungsbereich dieser Rechtsgrundsätze hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die enger gefaßten Voraussetzungen des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs erstmalig bei der Bewertung von Wohngrundstücken anzuwenden sind, die im Laufe des Jahres 1973 bezugsfertig errichtet oder im Laufe des Jahres 1973 aus- oder umgebaut wurden (s. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1996 II B 107/95, BFH/NV 1996, 459, m.w.N.). Der sog. neue Wohnungsbegriff gilt (damit) auch dann, wenn nach dem 1. Januar 1973 in einem bestehenden Haus eine weitere Wohneinheit mit den erforderlichen Nebenräumen geschaffen wird.

3. Gemeinsame Verkehrsflächen stehen der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i.S. des §75 Abs. 5 und 6 BewG entgegen. Bei einem aus Erd-, Ober- und Dachgeschoß bestehenden Gebäude, das einen Hauptwohnbereich im Erd- und Obergeschoß -- wobei die beiden Geschosse nur zusammengenommen die für eine Wohnung erforderlichen Nebenräume aufweisen -- sowie eine vollständige Wohneinheit im Dachgeschoß enthält, beeinträchtigt das gemeinsame Treppenhaus den funktionalen Zusammenhang der Räume im Erd- und Obergeschoß.

 

Normenkette

BewG § 75 Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines Wohngebäudes, das in den Jahren 1968/1969 errichtet und vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) auf den 1. Januar 1974 als Einfamilienhaus mit einem Einheitswert von 40 500 DM bewertet wurde. Das Gebäude besteht aus Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß, die durch ein gemeinsames Treppenhaus erschlossen werden. Das Erdgeschoß enthält eine Küche, eine Toilette und mehrere Wohnräume; im Obergeschoß befinden sich weitere Wohnräume und ein Bad. Im Jahr 1994 wurde das Dachgeschoß zu Wohnzwecken ausgebaut und in einen Wohnraum mit Eßecke und Kochnische, einen Schlafraum und ein Duschbad mit Toilette aufgeteilt. Das FA stellte daraufhin den Einheitswert durch Bescheid vom 18. Juli 1995 auf den 1. Januar 1995 im Wege der Wertfortschreibung auf 48 800 DM fest. Zugleich wurde den Klägern mitgeteilt, daß das Grundstück wie bisher als Einfamilienhaus bewertet werde. Einspruch und Klage, die auf die Bewertung des Wohngebäudes als Zweifamilienhaus gerichtet waren, blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 908 veröffentlicht.

Mit der Revision machen die Kläger Verletzung des §75 des Bewertungsgesetzes (BewG) geltend. Sie beantragen sinngemäß, das Urteil des FG und den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, das Grundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das Wohngebäude der Kläger auf den 1. Januar 1995 als Einfamilienhaus zu bewerten ist.

Nach §75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Einfamilienhaus und Zweifamilienhaus entscheidend, ob in dem betreffenden Wohngrundstück eine Wohnung oder zwei Wohnungen enthalten sind. Das BewG selbst enthält keine Legaldefinition des Wohnungsbegriffs. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist für die Annahme einer Wohnung für Stichtage ab 1. Januar 1974 u.a. wesentlich, daß die Räume eine von anderen Räumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene Einheit bilden und einen eigenen Zugang aufweisen. Außerdem ist erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume vorhanden sind (s. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151). Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen. Gemeinsame Verkehrsflächen stehen der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i.S. des §75 Abs. 5 und 6 BewG dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind (vgl. BFH-Urteile vom 26. März 1985 III R 124/84, BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496; vom 16. September 1987 II R 43/85, BFH/NV 1988, 770, und vom 24. April 1991 II R 106/89, BFH/NV 1992, 370, m.w.N.). Zum zeitlichen Anwendungsbereich dieser Rechtsgrundsätze hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die enger gefaßten Voraussetzungen des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs erstmalig bei der Bewertung von Wohngrundstücken anzuwenden sind, die im Laufe des Jahres 1973 bezugsfertig errichtet oder im Laufe des Jahres 1973 aus- oder umgebaut wurden (s. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1996 II B 107/95, BFH/NV 1996, 459, m.w.N.). Der sog. neue Wohnungsbegriff gilt auch dann, wenn nach dem 1. Januar 1973 in einem bestehenden Haus eine weitere Wohneinheit mit den erforderlichen Nebenräumen geschaffen wird.

Nach diesen Grundsätzen war das Wohngrundstück der Kläger auch nach dem Ausbau des Dachgeschosses als Einfamilienhaus zu bewerten, da es am Stichtag keine zwei Wohnungen im Sinne des Bewertungsrechts enthielt. Erd- und Obergeschoß stellen, jeweils für sich gesehen, keine selbständigen Wohnungen dar, weil die beiden Stockwerke nur zusammengenommen die für eine Wohnung erforderlichen Nebenräume (Küche, Bad, Toilette) aufweisen.

Der Hauptwohnbereich im Erd- und Obergeschoß sowie die Wohneinheit im Dachgeschoß sind nicht als selbständige Wohnungen anzusehen; die beiden Wohneinheiten sind nicht eindeutig baulich getrennt und voneinander abgeschlossen. Eine bauliche Trennung des Hauptwohnbereichs und der Wohneinheit im Dachgeschoß liegt nicht schon deshalb vor, weil -- wie die Kläger vortragen -- alle auf den jeweiligen Etagen befindlichen Räumlichkeiten durch eine einzige Abschlußtür gegenüber dem Treppenhaus abgeschlossen sind. Das gemeinsame Treppenhaus beeinträchtigt vielmehr den funktionalen Zusammenhang der Räume im Erd- und Obergeschoß und steht deren Anerkennung als selbständige Wohnung entgegen. Das zeigt sich daran, worauf das FA mit Recht hingewiesen hat, daß die Bewohner des Erd- und Obergeschosses damit rechnen müssen, den Bewohnern des Dachgeschosses zu begegnen, wenn sie sich z.B. von den Räumen des Erdgeschosses ins Bad im Obergeschoß begeben. Das Treppenhaus dient beiden in Frage stehenden Wohneinheiten als gemeinsame Verkehrsfläche, der gegenüber die Räume im Erd- und Obergeschoß nicht zusammengefaßt abgeschlossen sind (s. BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 770).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67499

BFH/NV 1998, 1337

DStRE 1998, 807

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