Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer Genossenschaft ihre Verpflichtung, die Nutzung der Kühlfächer in ihrem Kalthaus zu dulden, als Betriebsschuld abgezogen, so ist damit auch für das Gewerbesteuermeßbetragsverfahren das Bestehen einer Last bindend festgestellt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 2, § 12 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die Bgin. ist eine landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaft, die zum Zweck der Gefrierkonservierung von Lebensmitteln eine eigene Gemeinschaftsgefrieranlage (Kalthaus) betreibt. Die Herstellungskosten dieser Anlage sind im wesentlichen aus Baukostenzuschüssen der Mitglieder gedeckt worden. Die Zuschüsse brauchen nicht zurückgezahlt werden. Dafür ist die Genossenschaft verpflichtet, den Zuschußgebern Kühlfächer gegen Erstattung lediglich der Betriebskosten zu überlassen.

Die Bgin. hat in ihren Bilanzen die Herstellungskosten um die Zuschüsse vermindert und die Verpflichtung zur Duldung der Nutzung nicht ausgewiesen. Bei der Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen setzte das Finanzamt die Gefrieranlage mit dem Grundstücks-Einheitswert und dem Teilwert der Betriebseinrichtung an und zog für die Verpflichtung zur Nutzungsduldung einen Betrag in Höhe der Baukostenzuschüsse vom Rohvermögen ab. Die Einheitswertbescheide sind rechtskräftig. Bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge rechnete das Finanzamt den Betrag der Duldungsverpflichtung als Dauerschuld nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG dem Einheitswert wieder hinzu. Es vertritt die Auffassung, die Baukostenzuschüsse stellten vorausgezahltes Entgelt für die dauernde Nutzung der Kühlfächer (Ertragszuschüsse im Sinne des Abschn. 49 Abs. 2 der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1960) dar; die sich hieraus ergebende Duldungsverpflichtung hänge mit der Gründung des Betriebs zusammen.

Die Bgin. machte hiergegen geltend, die Zuschüsse seien Kapitalzuschüsse, nicht Ertragszuschüsse; denn die Mitglieder hätten die vollen Kosten für die Herstellung der Kühlanlage übernommen, nicht nur Beiträge geleistet. Der für die Duldungsverpflichtung bei der Einheitswertfeststellung abgezogene Betrag habe den Charakter einer Wertberichtigung zum Besitzposten Kalthaus und sei deshalb keine Dauerschuld.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Die Vorinstanz hat im wesentlichen ausgeführt: Die Duldungspflicht sei aus der Entgegennahme der Baukostenzuschüsse entstanden. Sie führe bewertungsrechtlich zu einer Minderung des Einheitswerts des Betriebsvermögens. Gewerbesteuerrechtlich könne sie aber nicht als eine Verbindlichkeit angesehen werden, der auf der Ertragsseite eine dauernde Last im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG entspreche. Lasten dieser Art pflegten sich stets ertragsmindernd auszuwirken, was hier nicht zutreffe. Die Koppelung von Verbindlichkeit und Ertragsminderung könne nur für den Fall des offensichtlichen Bestehens einer unverzinslichen Verbindlichkeit außer acht gelassen werden. Auch die bewertungsrechtliche Berücksichtigung der Duldungspflicht als eine Art Wertberichtigung des Teilwerts der Kühlanlage mache sie noch nicht zu einer dauernden Last im Sinne der Gewerbesteuervorschriften.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat Erfolg.

Nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG werden u. a. Verbindlichkeiten, die den dauernden Lasten im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG entsprechen, dem Einheitswert des Gewerbebetriebs wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind. Nach § 8 Ziff. 2 GewStG kommen nur solche dauernden Lasten in Betracht, die wirtschaftlich mit der Gründung des Betriebs zusammenhängen.

Unbestritten hängt die Duldungspflicht der Bgin. eng mit den Baukostenzuschüssen der Genossen zusammen. Das Finanzgericht hat aber nicht festgestellt, in welcher Weise die Duldungspflicht rechtlich begründet worden ist und welchen Inhalt das Rechtsverhältnis im einzelnen hat. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob solche Feststellungen, von der Rechtsauffassung des Finanzgerichts aus gesehen, nötig gewesen wären. Denn für die hier zu entscheidende gewerbesteuerliche Frage der Hinzurechnung kommt es darauf nicht an. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts ist nämlich die Tatsache, daß die Duldungsverpflichtung bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Bgin. den Gesamtbetrag des Rohvermögens vermindert hat, von entscheidender Bedeutung.

Der Bundesfinanzhof hat in der Grundsatzentscheidung IV 385/62 S vom 13. März 1964 (BStBl 1964 III S. 344, Slg. Bd. 79 S. 311) dargelegt, daß im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren bei der Frage, ob zu Dauerschulden geeignete Verbindlichkeiten vorlagen, eine Bindung an die Feststellungen im Verfahren betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens besteht (§§ 212 a Abs. 2, 213 Abs. 2, 214 Ziff. 1 und 218 Abs. 2 AO). Das gelte auch dann, wenn die Feststellungen unrichtig sind; denn über den Wert und den Umfang der wirtschaftlichen Einheiten, für die ein Einheitswert festzustellen ist, werde in dem Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts abschließend entschieden (Urteil des Bundesfinanzhofs III 406/58 S vom 17. Mai 1963, BStBl 1963 III S. 530, Slg. Bd. 77 S. 571). Im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren bleibe nur darüber zu befinden, ob die als Betriebsschulden abgezogenen und damit als Verbindlichkeiten behandelten Rückstellungen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 104/64 U vom 5. November 1964 (BStBl 1965 III S. 97, Slg. Bd. 81 S. 267) hat diese Grundsätze auch auf eine nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG hinzugerechnete private Rentenverpflichtung angewendet, die bei der Einheitsbewertung irrtümlich als betriebliche Schuld behandelt worden war. Es müsse bei der Beurteilung einer Verbindlichkeit im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren der Sachverhalt zugrunde gelegt werden, der bei der Einheitsbewertung zu ihrem Abzug als Betriebsschuld geführt habe.

Der Senat hält diese Rechtsprechung auch für den Fall der dauernden Last für zutreffend.

Im Streitfall ist, was das Finanzgericht richtig erkannt hat, die Verpflichtung zur Duldung der Kühlfächernutzung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Betriebsschuld abgezogen worden. Der Ansicht der Bgin., der Schuldposten sei sachlich lediglich eine Berichtigung des Werts der Gefrieranlage, kann nicht zugestimmt werden. Die Duldungsverpflichtung hat bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens den Wert der Gefrieranlage unberührt gelassen. Sie hat nicht den Wert eines einzelnen Wirtschaftsguts beeinflußt, sondern das betriebliche Rohvermögen als Ganzes belastet. Für das Gewerbesteuermeßbetragsverfahren muß deshalb von der bindenden Feststellung ausgegangen werden, daß es sich bei der Duldungsverpflichtung um eine betriebliche Last handelt, die den Einheitswert des Betriebsvermögens gemindert hat, ob die Duldungsverpflichtung bei der Einheitsbewertung zu Unrecht als betriebliche Last angesehen wurde, ist im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Der abgesetzte Betrag ist nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 Ziff. 2 GewStG zur Ermittlung des Gewerbekapitals wieder hinzuzurechnen, wenn die Duldungsverpflichtung von Dauer ist und mit der Gründung der Bgin. zusammenhängt. Diese beiden gesetzlichen Merkmale sind erfüllt. Ihr Vorliegen ergibt sich eindeutig daraus, daß die Bgin. eigens zu dem Zweck gegründet worden ist, ihren Genossen die dauernde Nutzung der Kühlfächer zu ermöglichen.

Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen; sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung ist als unbegründet zurückzuweisen. Das Finanzamt hat mit Recht den bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für die Duldungsverpflichtung abgezogenen Betrag bei der Ermittlung des Gewerbekapitals wieder hinzugerechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411613

BStBl III 1965, 592

BFHE 1966, 253

BFHE 83, 253

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