Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen für die Annahme einer Unternehmereinheit (dieselben Gesellschafter, gleiche Beteiligungsverhältnisse, einheitliche Willensbildung) stehen gleichrangig nebeneinander.

Unternehmereinheit scheidet aus, wenn im Einzelfall ein tatsächliches Unterordnungsverhältnis im Sinne der Organschaft einer Gesellschaft gegenüber einer übergeordneten Gesellschaft festzustellen ist.

Ein solches Unterordnungsverhältnis kann auch bei einer Betriebsaufspaltung in eine Besitz-Personengesellschaft und in eine Betriebs-Kapitalgesellschaft vorliegen.

 

Normenkette

UStG § 2/2/2, § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zwischen der Steuerpflichtigen (Stpfl.), einer KG, und der Firma X.-GmbH (künftig GmbH) eine Unternehmereinheit besteht und ob deshalb die Entgelte, die die Stpfl. für ihre Leistungen an die GmbH vereinnahmt hat, nicht zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind.

Die GmbH wurde von der Stpfl. zusammen mit einem ihrer Komplementäre gegründet. Unmittelbar nach der Gründung veräußerte der Komplementär seine Anteile an die Stpfl., die dadurch alleinige Gesellschafterin der GmbH wurde. Die Stpfl. übertrug ihr gesamtes Umlaufvermögen (Warenvorräte, Forderungen usw.) an die GmbH und behielt nur das Anlagevermögen in ihrem Eigentum. Dieses verpachtete sie der GmbH. Das Finanzamt zog die von der GmbH an die Stpfl. entrichteten Pachtzinsen mit Ausnahme der auf den Grundbesitz entfallenden Teile zur Umsatzsteuer für 1955 heran.

Auf die Berufung der Stpfl. setzte das Finanzgericht die Umsatzsteuer für das Jahr 1955 auf 0 DM fest. Das Finanzgericht nahm zwischen der Stpfl. und der GmbH Unternehmereinheit an. Diese sei nicht nur bei einer unmittelbaren Beteiligung der gleichen Personen an mehreren Gesellschaften (hier: KG und GmbH) möglich, sondern auch dann, wenn die Anteile der einen Gesellschaft (GmbH) den Gesellschaftern der anderen Gesellschaft (KG) nicht unmittelbar, sondern mittelbar über die Gesellschaft (KG) gehörten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der der Vorsteher des Finanzamts bemängelt, daß das Finanzgericht das Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses zwischen der Stpfl. und der GmbH nicht geprüft habe, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Der Senat stimmt mit dem Finanzgericht im Ergebnis darin überein, daß die bloß mittelbare Beteiligung der Gesellschafter an der GmbH eine Unternehmereinheit zwischen ihr und der Stpfl. nicht ausschließt. Er vermag allerdings die Begründung des Finanzgerichts, daß es entscheidend nur auf die einheitliche Willensbildung ankomme, daß die Nämlichkeit der Gesellschafter und die Gleichheit der Beteiligungen nicht in jedem Falle Voraussetzungen für die Anerkennung der Unternehmereinheit seien, daß die Beteiligungsverhältnisse vielmehr nur als Nachweis für die einheitliche Willensbildung Bedeutung hätten, nicht zu billigen. Die Voraussetzungen für die Unternehmereinheit stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander (Urteil des Bundesfinanzhofs V 293/55 U vom 12. März 1959, BStBl 1959 III S. 226, Slg. Bd. 68 S. 594). Richtig ist dagegen, daß bei gleicher Beteiligung der Gesellschafter und bei klaren und übersichtlichen Beteiligungsverhältnissen - wie sie im Streitfalle vorliegen - es wirtschaftlich keinen Unterschied ausmachen kann, ob sich die Anteile der in Betracht kommenden Gesellschaften im unmittelbaren Besitz der Gesellschafter oder über eine Gesellschaft in ihrem mittelbaren Besitz befinden. "Denn auch dann sind die gleichen, genau bestimmbaren Personen, wenn auch teilweise in Form eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses, an den Gesellschaften beteiligt" (Urteil des Bundesfinanzhofs V 176/55 U vom 23. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 376, Slg. Bd. 69 S. 307).

Ein wesentlicher Mangel der Vorentscheidung ist darin zu erblicken, daß sich das Finanzgericht auf die Prüfung dieses Streitpunktes beschränkt und nicht untersucht hat, ob alle Voraussetzungen für eine Unternehmereinheit vorliegen. Das Finanzgericht durfte sich nicht mit der Bemerkung begnügen, die Voraussetzungen für eine Organschaft seien unstreitig nicht gegeben, sondern hätte an Hand des unstreitigen Sachverhalts diese Rechtsfrage von Amts wegen prüfen müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist Unternehmereinheit - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen - nur anzunehmen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles das Verhältnis der Nebenordnung der mehreren Gesellschaften zueinander aufweisen. Unternehmereinheit kann deshalb nicht vorliegen, wenn im Einzelfalle ein tatsächliches Unterordnungsverhältnis im Sinne der Organschaft einer Gesellschaft gegenüber einer übergeordneten Gesellschaft festzustellen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294; V 66/57 U vom 23. April 1959, BStBl 1959 III S. 256, Slg. Bd. 68 S. 677). Auch wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Unternehmereinheit dem Anschein nach vorliegen (gleiche Beteiligung, im gleichen Verhältnis, einheitliche Willensbildung), kann hiernach Unternehmereinheit nicht angenommen werden, wenn sich bei Prüfung der bestehenden Verhältnisse ergibt, daß ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Organschaft gegeben ist.

Ein solches Abhängigkeitsverhältnis kann - entgegen der Ansicht der Stpfl. - auch bei einer Betriebsaufspaltung in eine Besitz- Personengesellschaft und in eine Betriebs-Kapitalgesellschaft vorliegen. Es mag richtig sein, auf anderen Steuerrechtsgebieten, insbesondere bei der Gewerbesteuer, für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses zu verlangen, daß die Obergesellschaft einen nach außen in Erscheinung tretenden Gewerbebetrieb unterhält, in den die Untergesellschaft nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung (angestelltenähnlich, dienend) eingeordnet ist, und anzunehmen, daß die den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit einer Obergesellschaft für die Anerkennung der Organeigenschaft der Untergesellschaft nicht genüge (so Urteil des Bundesfinanzhofs I 119/56 U vom 25. Juni 1957, BStBl 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 S. 181). Für das Gebiet der Umsatzsteuer ist eine solche Einengung des Organschaftsbegriffs nicht gerechtfertigt. "Bei den unterschiedlichen Zielsetzungen der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer und der Gewerbesteuer als Ertrag- (Real-) Steuer ist eine Gleichsetzung des Organschaftsbegriffs in vollem Umfange für beide Steuerarten nicht möglich. Während die Gewerbesteuer grundsätzlich auf den Betrieb abstellt, kommt es bei der Umsatzsteuer nur auf die Lieferungen und Leistungen an, gleichviel von welchem Gebilde diese ausgehen" (Urteil des Bundesfinanzhofs V 209/56 U vom 26. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 204, Slg. Bd. 68 S. 538). Nach der Aktenlage ist ein Abhängigkeitsverhältnis der GmbH von der Stpfl. im Sinne der Organschaft anzunehmen, weil die GmbH nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in die Stpfl. eingegliedert ist (§ 17 UStDB).

Die finanzielle Eingliederung der GmbH in die Stpfl. tritt dadurch klar zutage, daß letztere sämtliche Anteile der GmbH besitzt. Ihre organisatorische Eingliederung zeigt sich darin, daß die persönlich haftenden Gesellschafter der Stpfl. gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH sind. Für die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung kommt es darauf an, ob das beherrschende Unternehmen und die Organgesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bilden. In dieser Hinsicht ist festzustellen, daß die Stpfl. der GmbH alle zur Fortführung ihres Betriebs erforderlichen Anlagegegenstände (Grundstücke, Fabrikations- und Büroräume, Maschinen, Einrichtungsgegenstände) pachtweise zur Verfügung gestellt hat. Die GmbH erhält also von der Stpfl. die notwendigen wirtschaftlichen Grundlagen, die ihr durch Auflösung des Pachtverhältnisses wieder entzogen werden können. Die Stpfl. hat auch - wie in dem Zusatzbericht der Betriebsprüfungsstelle ohne Widerspruch der Stpfl. ausgeführt wird - Maschinen angeschafft und Fabrikgebäude errichtet und auch hierdurch auf die Tätigkeit der GmbH maßgeblich eingewirkt. Auch ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der GmbH, daß diese aus dem von der Stpfl. geführten Unternehmen hervorgegangen ist und deren Betrieb nach dem Willen der Gesellschafter fortführt. Diese engen Beziehungen lassen die beiden Unternehmen als wirtschaftliche Einheit erscheinen, so daß auch die wirtschaftliche Eingliederung der GmbH in die Stpfl. als gegeben anzusehen ist.

Nach dem für die Beurteilung maßgebenden Gesamtbild des zwischen den beiden Gesellschaften bestehenden Verhältnisses bedient sich somit die Stpfl. der GmbH als ihres Organs, um den Betrieb in alter Weise fortzusetzen. Erfahrungsgemäß wird gerade für die Eingliederung eines Unternehmens in das Gefüge eines anderen Unternehmens die Rechtsform der Verpachtung gewählt (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 835/32 vom 13. Oktober 1933, RStBl 1934 S. 556, Slg. Bd. 34 S. 176; V A 432/32 vom 6. Juli 1934, RStBl 1934 S. 1145). Es besteht daher zwischen der Stpfl. und der von ihr gegründeten GmbH ein Organschaftsverhältnis, das die Unternehmereinheit ausschließt. Da durch Art. II des Kontrollratsgesetzes Nr. 15 für das Jahr 1955 die umsatzsteuerlichen Folgen eines Organschaftsverhältnisses bei Gesellschaften aufgehoben sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 17/52 S vom 17. Juli 1952, BStBl 1952 III S. 234, Slg. Bd. 56 S. 604), ist davon auszugehen, daß die Stpfl. und die OHG zwei selbständige Rechtssubjekte sind, die mit ihrem gegenseitigen Leistungsaustausch der Umsatzsteuer unterliegen. Hieraus folgt die Umsatzsteuerpflicht der Pachtentgelte, soweit sie nicht auf die Verpachtung von Grundstücken entfallen.

Der Einwand der Stpfl., das Finanzamt habe im Rechtsbeschwerdeverfahren neue Tatsachen vorgetragen, die nach § 288 Ziff. 1, § 296 Abs. 1 AO vom Bundesfinanzhof nicht mehr berücksichtigt werden dürften, trifft nicht zu. Das tatsächliche Vorbringen hat sich gegenüber den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom 3. Juni 1957 nicht geändert. Das Finanzamt hat im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eine andere Rechtsansicht vorgetragen.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung war daher die Sprungberufung der Stpfl. gegen den Steuerbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410057

BStBl III 1961, 343

BFHE 1962, 209

BFHE 73, 209

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