Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Einheitswertfeststellung des einer freien Berufstätigkeit dienenden Vermögens sind auch Honoraransprüche anzusetzen, die am Bewertungsstichtage entstanden sind, und zwar unabhängig davon, ob der Gewinn aus der freien Berufstätigkeit nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG ermittelt wird.

Der III. Senat schließt sich der Auffassung des IV. Senats im Urteil IV 226/58 S vom 28. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 291, Slg. Bd. 71 S. 111) an, daß für das Entstehen eines Honoraranspruchs allein der Zeitpunkt entscheidend ist, in dem der freiberuflich Tätige die von ihm zu erbringende Leistung vollendet hat. Weder der Rechnungsstellung noch der Abnahme durch den Auftraggeber kommt für das Entstehen des Honoraranspruchs eine Bedeutung zu. Honoraransprüche für Teilleistungen sind insoweit entstanden, als auf ihre Vergütung nach einer Gebührenordnung oder auf Grund von Sonderabmachungen zwischen den Beteiligten ein Anspruch besteht.

 

Normenkette

BewG § 54 Abs. 1, § 55

 

Tatbestand

Die Bfin. ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter drei Diplomingenieure, beratende Ingenieure VBI und Prüfingenieure für Baustatik sind. Sie ist freiberuflich auf dem Gebiete des Bauwesens tätig. Für das der freien Berufstätigkeit dienende Vermögen der Bfin. waren auf den 1. Januar 1953 ein Einheitswert von 30.000 DM, auf den 1. Januar 1954 ein Einheitswert von 57.000 DM und auf den 1. Januar 1957 ein Einheitswert von 71.000 DM festgestellt. Diese Einheitswertbescheide waren unanfechtbar geworden. Auf Grund einer im Oktober 1958 durchgeführten Betriebsprüfung berichtigte das Finanzamt nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO die Einheitswertfeststellungen zum 1. Januar 1953 auf 60.000 DM, zum 1. Januar 1954 auf 96.000 DM und zum 1. Januar 1957 auf 256.000 DM und stellte zum 1. Januar 1955 einen Einheitswert von 150.000 DM und zum 1. Januar 1956 einen Einheitswert von 212.000 DM fest. Dabei setzte es als Vermögenswerte Forderungen aus

im abgelaufenen Kalenderjahr erfüllten und liquidierten Leistungen,

im abgelaufenen Kalenderjahr erfüllten und später liquidierten Leistungen,

im abgelaufenen Kalenderjahr teilweise erfüllten Leistungen

an, und zwar jeweils in der Höhe, in der sie vom Betriebsprüfer ermittelt worden waren.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 226/58 S vom 28. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 291, Slg. Bd. 71 S. 111) auch bei Angehörigen der freien Berufe Forderungen grundsätzlich zu aktivieren seien, sobald sie als Wirtschaftsgüter entstanden seien. Das sei bei Honoraransprüchen des freien Berufstätigen dann der Fall, sobald er seine Verpflichtungen aus dem Werkvertrag in vollem Umfang erfüllt habe. Zweifel über den Zeitpunkt der Entstehung eines aktivierungspflichtigen Honoraranspruchs könnten in den Fällen auftreten, in denen der freiberuflich Tätige bisher nur Teilleistungen erbracht habe. Diese Teilleistungen könnten dann aktiviert werden, wenn auf ihre Vergütung ein Honoraranspruch nach einer Gebührenordnung oder auf Grund von Sonderabmachungen zwischen den Beteiligten bestehe. Nach diesen Grundsätzen sei der Betriebsprüfer verfahren. Die Wertansätze zu a) und b) seien von ihm nach dem Rechnungsdatum und dem auf den Rechnungen angegebenen Bearbeitungszeitraum genau ermittelt worden. Auch die Honoraransprüche auf Teilleistungen seien zu Recht angesetzt worden, weil nach der Gebühren-Ordnung für Ingenieure (GOI) eine abschnittsweise Liquidation (Teilabrechnung) vorgesehen sei. Die Höhe dieser Teilleistungen sei vom Betriebsprüfer nach den Rechnungsdurchschriften ermittelt worden. Er habe dabei die Hälfte als im abgelaufenen Kalenderjahr geleistet angenommen. Davon habe er den mutmaßlichen Wert der eigenen Leistungen entsprechend einem Reingewinnsatz von rund 50 v. H. ausgesondert. Die Bfin. habe zwar die Höhe der angesetzten Forderungen zu b) und c) bestritten, habe es aber abgelehnt, gegenüber der fundierten Schätzung des Betriebsprüfers eine Gegenüberstellung im einzelnen zu machen. Sie berufe sich darauf, daß der Betriebsprüfer ihr erklärt habe, er werde erst ab 1. Januar 1956 Zurechnungen zum Betriebsvermögen vornehmen, und zwar in Höhe von nicht mehr als 60.000 DM jährlich. Dafür ergebe sich aber aus dem Betriebsprüfungsbericht und dem Protokoll über die Schlußbesprechung kein Anhaltspunkt. Die Bfin. könne auch mit ihrer Auffassung, es seien die später vom Gewinn bei ihren Gesellschaftern zu erhebenden Ertragsteuern bereits als Schuld gegenüber dem Ansatz der Forderungen im Betriebsvermögen abzusetzen, nicht durchdringen.

Mit der Rb. wendet sich die Bfin. erneut gegen die Höhe der angesetzten Honorarforderungen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß die dafür von ihren Gesellschaftern zu zahlenden Einkommen- und Kirchensteuern berücksichtigt werden müßten. Auch sei die Schätzung des Betriebsprüfers unrichtig, weil sich ihre Arbeit nicht auf die in den Rechnungen angegebene Zeit gleichmäßig verteile. Ihre Gebühren richteten sich nach der Bausumme. Bei diesen Gebühren handle es sich nicht um die Bezahlung einer bestimmten Arbeitsleistung, etwa nach dem Zeitaufwand. Man könne sie daher nicht ein Jahr später nach der Zeit vom Eingang bis zum Abschluß der Prüfung aufteilen. Auf diesen Einwand sei das Finanzgericht überhaupt nicht eingegangen. Schließlich habe das Finanzgericht auch den Streitwert zu hoch festgestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I.Das Vermögen, das der Ausübung eines freien Berufes dient, steht nach § 55 BewG dem Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs gleich. Zu diesem Vermögen gehören in sinngemäßer Anwendung des § 54 Abs. 1 BewG alle Wirtschaftsgüter, die der Ausübung des freien Berufes dienen. Es ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen, daß auch Honoraransprüche dazu gehören. Der Ansatz dieser Forderungen hängt davon ab, daß sie am Bewertungsstichtag bereits entstanden und noch nicht erloschen sind. Der IV. Senat hat in dem Urteil IV 226/58 S vom 28. Januar 1960 (a. a. O.) für das Gebiet der Ertragsteuern entschieden, daß für das Entstehen eines Honoraranspruchs allein der Zeitpunkt entscheidend ist, in dem der freiberuflich Tätige die von ihm zu erbringende Leistung vollendet hat. Weder der Rechnungstellung noch der Abnahme durch den Auftraggeber kommt nach der Auffassung des IV. Senats für die Entstehung des Honoraranspruchs eine Bedeutung zu. Honoraransprüche für Teilleistungen sind nach der Auffassung des IV. Senats insoweit entstanden, als auf ihre Vergütung ein Honoraranspruch nach einer Gebührenordnung oder auf Grund von Sonderabmachungen zwischen den Beteiligten besteht. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung des IV. Senats auch für das Bewertungsrecht mit der Maßgabe bei, daß sie für alle Angehörigen der freien Berufe gilt, gleichgültig, ob diese ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG ermitteln. Denn die Art der Gewinnermittlung ist für das Bewertungsrecht ohne Bedeutung. Danach sind Honoraransprüche aus allen Verträgen der Bfin. anzusetzen, für die sie zu erbringende Leistungen an dem jeweiligen Stichtag vollendet hat. Nach § 3 Abs. III Satz 2 des Anhanges zu der für die Bfin. maßgebenden Gebühren- Ordnung (GOI) vom 3. April 1956 ist der Ingenieur berechtigt, Teilzahlungen seiner Gebühren entsprechend dem jeweiligen Stand seiner Leistungen zu verlangen. Deshalb sind auch Honoraransprüche für Teilleistungen anzusetzen, die die Bfin. am Stichtag bereits erbracht hat.

II.Honorarforderungen sind als Kapitalforderungen nach § 14 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert zu bewerten, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Als ein besonderer Umstand im Sinne dieser Vorschrift, die eine Bewertung unter dem Nennwert rechtfertigen könnte, kann entgegen der Auffassung der Bfin. nicht die künftige Belastung der Kapitalforderung mit Einkommen- und Kirchensteuern angesehen werden. Der erkennende Senat hat dies für Darlehen nach § 7c und 7d EStG mehrfach entschieden (vgl. Urteile III 133, 134/55 S vom 26. August 1955, BStBl 1955 III S. 278, Slg. Bd. 61 S. 207; III 196/58 U vom 17. April 1959, BStBl 1959 III S. 287, Slg. Bd. 69 S. 68, und III 390/58 U vom 22. April 1960, BStBl 1960 III S. 288, Slg. Bd. 71 S. 103). Er hat dort ausgeführt, daß die künftige Einkommensteuer auch nicht durch Ansatz eines besonderen Schuldpostens berücksichtigt werden kann. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzuweichen. Sie gilt nicht nur für Darlehnsforderungen nach § 7c oder § 7d EStG, sondern für alle Kapitalforderungen.

III.Im Streitfall sind innerhalb des Hauptfeststellungszeitraums 1953 auf jeden Fortschreibungszeitpunkt Wertfortschreibungen durchgeführt worden. Das steuerliche Interesse an diesen umstrittenen Einheitswerten erstreckt sich infolgedessen nur auf ein Jahr. In diesen Fällen ist nicht der volle Pauschsatz von 20 v. T. anzusetzen, sondern nur 1/2 dieses Pauschsatzes. Das entspricht der Berechnung des Streitwertes bei einer Neuveranlagung der Vermögensteuer, die nur für ein Jahr Wirkung hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 109/57 U vom 20. März 1959, BStBl 1959 III S. 262, Slg. Bd. 69 S. 1).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411185

BStBl III 1964, 297

BFHE 1964, 179

BFHE 79, 179

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