Leitsatz (amtlich)

Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen auch dann vor, wenn sie aus der Unterhaltung einer Betriebstätte (begründet durch Bestellung eines ständigen Vertreters im Inland) auf einem in einem Inländischen Schiffsregister eingetragenen, unter deutscher Flagge fahrenden See-(Kauffahrtei-)Schiff auf hoher See erzielt werden.

 

Normenkette

KStG § 2 Abs. 1; EStG 1963 § 49 Abs. 1 Nr. 2; DBA DNK Art. 2, 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft dänischen Rechts, die die Bordrestauration auf Fährschiffen verschiedener Nationalität im Bereich der Nord- und Ostsee betreibt, darunter auch auf Schiffen unter deutscher Flagge, von denen eines im Eigentum einer deutschen Reederei stand und eines in deren Charter fuhr. Die Leitung ihrer Geschälte auf diesen Schiffen hatte die Klägerin einem dänischen Restaurantchef übertragen, der in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) einen Wohnsitz nicht unterhielt.

Die Klägerin, die ihren Sitz in Kopenhagen hat und die auch nicht mit einer Zweigstelle in einem deutschen Handelsregister eingetragen ist, war zunächst davon ausgegangen, daß sie mit den Einkünften aus ihrer Tätigkeit auf Schiffen unter deutscher Flagge in der BRD beschränkt steuerpflichtig sei, vertrat jedoch später dem Beklagten und Revisionskläger (dem Finanzamt – FA –) gegenüber die Auffassung, daß sich ihre Geschäftstätigkeit außerhalb des deutschen Staatsgebiets vollziehe und ihre Besteuerung deshalb nur in Dänemark zu erfolgen habe. Eine Erörterung der Frage der Steuerpflicht durch die obersten zuständigen Bundes- und Landesfinanzbehörden und das dänische Finanzministerium ergab, daß das Besteuerungsrecht gemäß Art. 4 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer und der Grundsteuern (DBA-Dänemark) vom 30. Januar 1962 (BStBl I 1963, 757) der BRD zustehe. Demgemäß setzte das FA die Steuer für die Streitjahre (1963 und 1964), in denen die Klägerin jeweils einen Verlust zu verzeichnen gehabt hatte, auf 0 DM fest.

Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab, wandte sich die Klägerin erneut gegen die Bejahung ihrer beschränkten Steuerpflicht. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1971 S. 578 (EFG 1971, 578) veröffentlicht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte, vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Das FG habe den Begriff des Inlandes verkannt. Bei richtiger Auslegung dieses Begriffes sei die Klägerin nach den vom FG genannten Vorschriften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig, da sie durch ihren ständigen Vertreter im Inland über eine Betriebstätte im Inland verfügt habe.

Der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetretene Bundesminister der Finanzen (BdF) hat ausgeführt:

Der Inlandsbegriff EStG und KStG sei gesetzlich nicht geregelt; er schließe jedoch an den Staats- und völkerrechtlich identischen Begriff des Staatsgebiets als Inland an. Die Besteuerungsbefugnis des Staates wiederum sei an die Zuordnung zu einem Herrschaftsgebiet im staatsrechtlichen Sinne gebunden. Kauffahrtei- und Seeschiffe seien auch auf hoher See als zum Staatsgebiet gehörend anzusehen, wenn sie – ihrer rechtlichen Verpflichtung gemäß – in das Schiffsregister eingetragen seien und unter inländischer Flagge führen (§ 1 des Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschilfe und die Flaggenführung der Binnenschiffe – Flaggenrechtsgesetz – vom 8. Februar 1951, BGBl I 1951, 79; §§ 3 und 10 der Schiffsregisterordnung vom 19. Dezember 1940, Reichsgesetzblatt I 1940 S. 1591 – RGBl I 1940, 1591 –). Für Seeschiffe, die nicht der Verpflichtung zur Eintragung in das Schiffsregister unterlägen, gelte dies nicht.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Umstand, daß das Steuerrecht an den Staats- und völkerrechtlich identischen Begriff des Inlands anknüpfe, gebe dem Gesetzgeber zwar die Möglichkeit, an diesen Begriff steuerrechtliche Folgen anzuknüpfen, setze dies aber für den Fall der Geltendmachung von Steueransprüchen auch voraus.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Wie das FG unter Bezugnahme auf Literatur und Rechtsprechung dargelegt hat, sind die Auffassungen darüber, ob Schiffe auf hoher See ipso jure als Gebietsteil desjenigen Staates zu gelten haben, dessen Flagge sie führen, geteilt.

Der Begriff des Staatsgebiets – als des Gebietes, auf dem ein Staat seine Gebietshoheit entfaltet (vgl. Art. 23 GG) – ist für die BRD mit dem des Bundesgebiets gleichzusetzen. Der Begriff des Bundesgebiets – als des Gebietes, auf dem das Grundgesetz Geltung hat – steht dem des Inlands gleich (vgl. auch Abschn. 1 Abs. 1 EStR 1969).

Schiffe auf hoher See unterliegen nach den Regeln des Völkerrechts, wie sie nach vorherrschender Meinung verstanden werden, den Rechtsvorschriften des Staates, dessen Flagge sie führen. Dieses Recht zur Flaggenführung ist in den einzelnen Staaten an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. Nach § 10 der Schiffsregisterordnung ist der Eigentümer eines Kauffahrteischiffs von mehr als 50 cbm Bruttoraumgehalt verpflichtet, sein Schiff zur Eintragung in das Schiffsregister anzumelden; bei anderen Seefahrzeugen (Seeschiffen) steht die Anmeldung zur Eintragung dem Eigentümer frei. Nach § 1 des Flaggenrechtsgesetzes haben alle Kauffahrtei- und Seeschiffe, deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, die Bundesflagge zu führen.

Danach sind in ein inländisches Schiffsregister eingetragene Kauffahrtei- und Seeschiffe unter deutscher Flagge auf hoher See als Inland anzusehen.

Dieser Auffassung steht es nicht entgegen, wenn der Begriff des Inlandes für einzelne Steuerarten einschränkend definiert wird (vgl. § 1 Abs. 2 UStG 1967; demgemäß hat der Reichsfinanzhof – RFH – im Urteil vom 28. Februar 1930 V A 448/29, RStBl 1930, 321 verneint, daß sich das Anwendungsgebiet des Umsatzsteuergesetzes auf deutsche Schiffe auf hoher See erstrecke).

Andererseits werden in § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG Gewerbebetriebe im Inland betrieben, soweit „auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebstätte unterhalten wird”, und werden in § 40 Abs. 2 Satz 3 LStDV die „Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vom Schiffspersonal auf deutschen Schiffen” der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, soweit nicht unbeschränkte Steuerpflicht gegeben ist (vgl. auch RFH-Urteil vom 24. Februar 1937 VI A 657/36, RStBl 1937, 899).

2. Demgemäß hatte bereits zu den Vorschriften des § 3 Abs. 2 Nr. 5 und des § 36 EStG 1925, die die beschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen mit ihren inländischen Einkünften aus nichtselbständiger, im Inland ausgeführter Arbeit betreffen, der RFH im Urteil vom 26. Februar 1930 VI A 274/30 (Steuer und Wirtschaft – StuW – II 1930 Nr. 772 S. 1175) ausgeführt, daß „den völkerrechtlichen Grundsätzen entsprechend” ein unter deutscher Flagge fahrendes Handelsschiff nicht nur während seines Aufenthalts in inländischen Gewässern, sondern auch während des Aufenthalts auf hoher See dem Inland gleichgestellt werden müsse; nur soweit es sich in ausländischen Gewässern oder Häfen befinde, sei es nicht als Inland zu betrachten. Der RFH, der eine nähere Begründung dieser seiner Auffassung zwar nicht gegeben hat, hat sich dabei auf die Kommentare zum Einkommensteuergesetz von Kuhn (5. Aufl., S. 113, Anm. 5 zu § 2), der seine Auffassung auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen und auf Strafrechtsliteratur gründet, von Strutz (II. Bd. S. 1080, Anm. 21 zu § 69 über den Steuerabzug vom Arbeitslohn) und Pissel-Koppe (5. Aufl., S. 66) bezogen, die keine nähere Begründung ihrer gleichlautenden Auffassung geben.

3. Angesichts der die Steuerpflicht nur beschränkt steuerpflichtiger Personen auf ihre Inlandstätigkeit abstellenden Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG bedarf es einer besonderen Vorschrift nicht, nach der auch Einkünfte aus der Unterhaltung einer Betriebstätte auf einem Kauffahrtei- oder Seeschiff unter deutscher Flagge für die Frage der beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Unternehmers nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG als inländische Einkünfte anzusehen seien. Ein die beschränkte Steuerpflicht der Klägerin begründender gesetzlicher Tatbestand (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BStBl I 1962, 506) ist daher gegeben.

Es kommt somit für die Bejahung der Steuerpflicht der Klägerin allein darauf an, ob die Klägerin in den Streitjahren Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb erzielt hat, für den im Inland eine Betriebstätte unterhalten wurde oder ein ständiger Vertreter bestellt war.

a) Der Begriff der Betriebstätte, wie er in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG in § 16 Abs. 1 StAnpG und in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Dänemark verwendet worden ist, ist der gleiche.

Bereits nach dem zu § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Bremischen Firmen- und Gewerbesteuergesetzes vom 2. April 1924 ergangenen Urteil des RFH vom 6. März 1935 IV A 210/34 (RStBl 1935, 605) ist wesentliches Merkmal einer Betriebstätte „das Vorhandensein einer festen örtlichen Anlage oder Einrichtung. Das setzt aber, wie auch die vom Gesetz aufgeführten Beispiele erkennen lassen, eine unmittelbare Beziehung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche voraus, mit dem die Anlage oder Einrichtung in einer festen, d. h. dauernden Verbindung stehen muß. Durch ein Schiff, das bestimmungsgemäß Waren oder Personen von einem Ort zu einem anderen befördert, wird eine solche dauernde feste Verbindung nicht hergestellt. Was für das Schiff selbst gilt, muß naturgemäß auch für den Teil eines solchen Schiffes gelten, der wie hier der Ausübung des Gewerbebetriebs eines anderen Unternehmers dienstbar gemacht wird.” Diese Definition der Betriebstätte durch den RFH hat in § 16 StAnpG seinen gesetzlich fixierten Niederschlag gefunden.

b) Der Begriff der Betriebstätte in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Dänemark ist als eine feste Geschäftseinrichtung definiert, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Für ihn gilt nach Korn-Dietz-Debatin (Doppelbesteuerung, Dänemark, Anm. 4, 5 zu Art. 2; Vorbemerkungen IV D – S. 84 f. –) nach wie vor die Tendenz, die Betriebstätte „als wirtschaftliche Einheit dem Umfang nach eher zu begrenzen als auszudehnen”; dessenungeachtet sei der Betriebstättenbegriff des Doppelbesteuerungsrechts enger als der des § 16 StAnpG, die betriebseigene ständige feste Geschäftseinrichtung durch den Begriff „fest” räumlich begrenzt und örtlich fixiert.

Zur Auslegung einer Vorschrift oder einer Bestimmung eines Doppelbesteuerungsabkommens ist neben ihrem Wortlaut auch der Sinnzusammenhang zu beachten, in den sie gestellt ist, „unter angemessener Berücksichtigung dessen, was … die Vertragschließenden eines Doppelbesteuerungsabkommens offenbar gewollt haben” (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. Januar 1959 I 112/57 S, BFHE 68, 340, BStBl III 1959, 133, 135). Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten den im DBA-Dänemark enthaltenen Begriff der Betriebstätte, so ist er allein festlandbezogen zu verstehen, da er auf eine „feste” Geschäftseinrichtung abstellt, ohne daß dieser Begriff durch Vorschriften des innerdeutschen Rechts (wie z. B. die des § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG) partiell oder für eine bestimmte Steuerart außer Kraft gesetzt werden kann.

c) Dagegen hatte die Klägerin für ihren Gewerbebetrieb im Inland einen ständigen Vertreter in der Person ihres Restaurantchefs bestellt, der gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Dänemark als eine in der BRD belegene Betriebstätte gilt, wenn er zum Abschluß von Verkaufsgeschäften im Namen der Klägerin bevollmächtigt war. Daß diese Voraussetzung im Streitfalle erfüllt ist, hat das FG in tatsächlicher Hinsicht auf Seite 20–21 seines Urteils festgestellt.

d) Nach Art. 28 Abs. 3 DBA-Dänemark sind die Vorschriften des Abkommens vom 30. Januar 1962 in der BRD nach seinem (am 5. März 1964 erfolgten Inkrafttreten – BGBl II 1964, 216 –) auf diejenigen Steuern anzuwenden, die für die Zeit nach dem 31. Dezember 1957 erhoben werden. Die Frage der Rückwirkung spielt jedoch im Streitfall keine Rolle, weil nach Art. 6 DBA-Dänemark vom 11. März 1939 (RStBl I 1939, 444) ebenso zu entscheiden ist (gewesen wäre).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514579

BFHE 1974, 416

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