Leitsatz (amtlich)

1. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich regelt nur die Gewinnermittlung und fingiert zu diesem Zweck die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Betriebstätte vom ausländischen Hauptunternehmen. Die Vorschrift enthält dagegen nicht die Fiktion einer selbständigen Kapitalgesellschaft im Inland.

2. Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich (Diskriminierungsverbot auf Grund der Staatsangehörigkeit) steht der Besteuerung der inländischen Betriebstättengewinne einer französischen AG nach Maßgabe der inländischen beschränkten Steuerpflicht nicht entgegen.

3. Die Gestaltung des Steuersatzes in § 19 KStG widerspricht nicht dem Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich.

 

Normenkette

DBA FRA Art. 4 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1, 4; KStG § 19

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine AG französischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich. Sie unterhält im Saarland eine in das Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung. Der Revisionsbeklagte (FA) hielt die Steuerpflichtige für beschränkt steuerpflichtig und veranlagte sie gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 KStG für den Veranlagungszeitraum 1961 (Streitjahr) auf der Grundlage des erklärten Betriebstättengewinns von 258 243 DM zu einer Körperschaftsteuer von 126 538 DM (49 v. H.).

Mit der Sprungberufung begehrte die Steuerpflichtige die Berechnung der Körperschaftsteuer nach den Vorschriften des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 KStG (15 v. H. auf die ausgeschütteten Gewinne). Zur Begründung trug sie vor:

1. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, einer französischen AG den Ausschüttungssteuersatz von 15 v. H. deshalb zu versagen, weil sie ihren Sitz nicht im Inland habe. Französische Aktiengesellschaften seien in Fällen der vorliegenden Art so zu besteuern wie inländische unbeschränkt steuerpflichtige juristische Personen.

2. Art. 4 Abs. 2 des DBA-Frankreich - vom 21. Juli 1959 BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343 - enthalte eine Fiktion, die eine im Inland belegene Betriebstätte einer französischen juristischen Person einer im Inland belegegenen AG mit Geschäftsleitung im Inland gleichstelle. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich ändere daher insoweit § 1 Abs. 1 KStG ab.

3. Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich verbiete die Diskriminierung französischer Staatsangehöriger.

4. Nach Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich dürfe die Betriebstätte eines Unternehmens eines Vertragsstaates in dem anderen Vertragsstaat nicht ungünstiger besteuert werden als ein Unternehmen dieses Staates, das die gleiche Tätigkeit ausübe. Durch diese Vorschrift werde das innerstaatliche deutsche Recht insoweit verändert, als es ihr entgegenstehe.

5. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Anlage 4 zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage vom 27. Oktober 1956 (Saarvertrag) - BGBl II 1956, 1589 [1649] - verbiete die Schlechterstellung einer im Saarland befindlichen Betriebstätte eines französischen Unternehmens im Verhältnis zu einem dort befindlichen deutschen Betrieb.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Zu den einzelnen von der Steuerpflichtigen vorgetragenen Gesichtspunkten führte das FG in seiner in EFG 1965, 241 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus:

zu 1. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Insbesondere könne der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nach Art. 19 Abs. 3 GG nur von inländischen juristischen Personen, nicht aber von der Steuerpflichtigen, deren Sitz im Ausland liege, in Anspruch genommen werden.

zu 2. Art. 4 DBA-Frankreich enthalte eine Kollisionsnorm, die ausschließlich die Aufteilung des Betriebsergebnisses des Gesamtunternehmens zwischen Betriebsstaat und Sitzstaat regele. Die Fiktion einer inländischen Geschäftsleitung ergebe sich aus dieser Vorschrift nicht. Hätten die Vertragspartner eine solche gesetzliche Fiktion schaffen wollen, so hätte dieser bedeutsame Gedanke im Wortlaut des Abkommens zum Ausdruck kommen müssen.

zu 3. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich zwinge nicht dazu, Unternehmen, die nur eine Betriebstätte im Inland unterhalten, solchen Unternehmen gleichzustellen, die hier Sitz oder Geschäftsleitung haben. Es handle sich insoweit um ungleiche Sachverhalte.

Mit der gemäß § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt die Steuerpflichtige die Nichtanerkennung der Ausschüttungsbegünstigung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 KStG für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und hebt besonders hervor, daß die in Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich enthaltene Fiktion eines unabhängigen Unternehmens begrifflich die Fiktion eines Sitzes bzw. einer Geschäftsleitung einschließe. Eine Beschränkung dieser Fiktion auf bestimmte Rechtsgebiete oder einzelne Rechtsfolgen sei nicht statthaft. Wenn Art. 2 Abs. 1 Nr. 4c DBA-Frankreich bestimme, daß eine juristische Person, die in beiden Vertragsstaaten ansässig sei, nur in dem Vertragsstaat als ansässig gelte, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befinde, so sei daraus nicht etwa der Schluß zu ziehen, einer im Inland tätigen Zweigniederlassung einer französischen Kapitalgesellschaft fehle grundsätzlich das notwendige Tatbestandsmerkmal für die unbeschränkte Steuerpflicht. Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich gehe dem Art. 2 DBA-Frankreich vor.

Durch die Nichtanwendung des Ausschüttungssteuersatzes auf in Frankreich ansässige juristische Personen würden sowohl das in Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich enthaltene Diskriminierungsverbot wie auch der in Art. 3 GG normierte Gleichheitsgrundsatz verletzt. Die Anwendung des Art. 3 GG sei nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Steuerpflichtige eine ausländische juristische Person sei. Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, daß es hier um die Besteuerung einer inländischen Betriebstätte der ausländischen Gesellschaft gehe. Diese Betriebstätte besitze zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie sei aber doch den deutschen Gesetzen unterworfen und insbesondere nach deutschem Recht Steuersubjekt. Zumindest auf steuerlicher Ebene müsse ihr daher eine Gleichbehandlung im Sinne von Art. 3 GG zuerkannt werden.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 1961 insoweit zu berichtigen, als die Ausschüttungsbegünstigung versagt geblieben ist. Hilfsweise beantragt sie, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Versagung der Ausschüttungsbegünstigung für beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige im geltenden KStG einzuholen. Die Steuerpflichtige beantragt ferner hilfsweise, gemäß Art. 100 Abs. 2 GG zu verfahren, nachdem Zweifel bestehen, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der BdF, der dem Verfahren gemäß § 122 FGO beigetreten ist, führte im wesentlichen folgendes aus:

Die Steuerpflichtige könne sich als AG französischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich nicht auf eine Verletzung des Art. 3 GG berufen. Auch allgemeine Grundsätze des Völkerrechts könnten das Begehren der Steuerpflichtigen nicht rechtfertigen. Insbesondere bestehe in der Völkerrechtswissenschaft keine Einigkeit über den Inhalt des Begriffs der Diskriminierung. Es sei schon fraglich, ob die unterschiedliche Besteuerung gebietsansässiger und gebietsfremder Personen überhaupt eine Diskriminierung sein könne, da die ungleiche Behandlung von Ungleichem nach allgemeiner Rechtsüberzeugung nicht unerlaubt sei. Nach völkerrechtlicher Lehre und Praxis sei kein Staat verpflichtet, die seinen Angehörigen gewährten Vorteile in gleichem Umfang auch Fremden zukommen zu lassen. Die differenzierende Ausgestaltung der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht sei eine grundlegende Struktureigentümlichkeit des Einkommensteuerrechts der hochentwickelten Staaten der kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsfamilie, ohne daß jemals ernstlich angezweifelt worden wäre, daß diese legislative Ausschöpfung der nationalen Steuerhoheiten die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht verletze. Man werde sogar sagen können, daß allgemeines internationales Steuerrecht - wenn nicht schlechthin, so doch mindestens in dem hier interessierenden Bereich - eigentlich noch nicht bestehe, so daß die Besteuerungsrechte der Staaten insoweit grundsätzlich unumschränkt seien.

Das DBA-Frankreich könne die von der Steuerpflichtigen gewünschte Beurteilung ebenfalls nicht rechtfertigen. Art. 4 Abs. 2 des Abkommens sei nach Fassung und Zweckbestimmung eine reine Zurechnungsvorschrift für die Abgrenzung der Besteuerungsgrundlage Gewinn und daher nicht einschlägig. Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich verbiete nur die Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit. Eine solche liege hier nicht vor, weil die Steuerpflichtige auf Grund ihres Sitzes und ihrer Geschäftsleitung im Ausland, nicht aber auf Grund der ausländischen Staatsangehörigkeit anders besteuert werde als eine inländische Kapitalgesellschaft. Schließlich sei auch Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich nicht anwendbar.

Zur Erwiderung auf die Stellungnahme des BdF legte die Steuerpflichtige ein privates Gutachten über den Grundsatz der Gleichbehandlung im DBA-Frankreich vor, das zu folgenden Ergebnissen gelangt:

Art. 21 DBA-Frankreich verbiete es, die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates steuerlich zu benachteiligen, wenn - und soweit - diese steuerliche Benachteiligung lediglich an die Tatsache ihrer Staatsangehörigkeit anknüpfe. Die Staatsangehörigkeit der juristischen Personen bestimme sich nach Art. 21 Abs. 2 Nr. 3 DBA-Frankreich nach dem Recht, nach dem sie errichtet worden seien (ihrem "Gründungsstatut"). Eine steuerliche Benachteiligung juristischer Personen, die lediglich an deren Gründungsstatut anknüpfe, sei nach Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich also unzulässig. Im Verhältnis zwischen der BRD und Frankreich seien für juristische Personen die Kriterien "Sitz", "Ort der Geschäftsleitung" und "Gründungsstatut" identisch. Es sei im Verhältnis zwischen diesen beiden Staaten kein Sachverhalt denkbar, in dem nicht eine juristische Person mit dem Geschäftssitz in einem der beiden Staaten auch nach dessen Recht "errichtet" worden sei, also seine "Staatsangehörigkeit" besitze. Eine Benachteiligung der juristischen Personen, die an deren "Sitz" oder "Ort der Geschäftsleitung" anknüpfe, sei also immer zugleich auch eine Benachteiligung nach Maßgabe ihrer Staatsangehörigkeit.

Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich verbiete es, gewerbliche Unternehmen, die in dem anderen Vertragsstaate ansässig seien, aber im Inland eine Betriebstätte unterhielten, im Hinblick auf ihre Einkünfte aus dieser Betriebstätte gegenüber inländischen gewerblichen Unternehmern steuerlich zu benachteiligen. Unter diesen Umständen sei, zumindest nach dem Wortlaut des DBA-Frankreich, der in Frankreich ansässige körperschaftsteuerpflichtige Unternehmer auch nach Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich berechtigt, die Anwendung des "gespalteten" Körperschaftsteuertarifs, soweit er günstiger sei, zu verlangen. Diesem Ergebnis könne nicht mit Grund entgegengehalten werden, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich gar nicht gegeben seien (etwa mit der stereotypen Formel, Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich gebiete zwar Gleichbehandlung, aber nur "unter gleichen Verhältnissen"). Welche Verhältnisse gleichzubehandeln seien, könne nur dem Vertragswortlaut selbst entnommen werden; seine Voraussetzungen seien hier gegeben. Alle Versuche, zusätzliche Voraussetzungen aufzustellen, führten im Grunde nur auf einem Umweg das Kriterium des "Geschäftssitzes" wieder ein. Eben das solle nach Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich nicht zulässig sein. Auch die Rechtsfolge des Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich (der "Umfang", in dem Gleichbehandlung geboten sei), lasse sich nicht im Wege der Vertragsauslegung beschränken. Teils seien solche Versuche schon systematisch unzulänglich, teils scheiterten sie daran, daß für die Auslegung eines internationalen Vertrags nach Völkerrecht der Vertragstext und allenfalls seine Materialien im Vordergrund zu stehen hätten. Vertragstext und Materialien gäben aber keinen Anhalt dafür, den Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich in der Frage des Körperschaftsteuersatzes nicht anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG ermäßigt sich die Körperschaftsteuer für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf 15 v. H. des Einkommens. Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind die bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, deren Ergebnisse bei der Veranlagung berücksichtigt sind (§ 19 Abs. 3 KStG). Die Steuerpflichtige kann sich auf diese Vorschriften nicht berufen; denn sie ist in der BRD nicht unbeschränkt, sondern nur beschränkt körperschaftsteuerpflichtig, da sie weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Die von der Revision hervorgehobenen Vorschriften des GG, des DBA-Frankreich und des Saarvertrages rechtfertigen es nicht, die Steuerpflichtige entgegen der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG getroffenen Regelung als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Für die im Streit befindlichen Fragenkreise im einzelnen gilt folgendes:

zu 1. Die Steuerpflichtige kann sich nicht auf die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG berufen, denn dieser Grundsatz findet auf ausländische juristische Personen keine Anwendung (vgl. Beschluß des BVerfG 1 BvR 46/66 vom 1. März 1967, BVerfGE 21, 207 [209]).

zu 2. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG davon ausgehen, daß Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich nur die Gewinnermittlung regelt. Dies ergibt sich sowohl aus der Wortfassung wie auch aus dem Sinn dieser Vorschrift. Die Durchführung des in Art. 4 Abs. 1 DBA-Frankreich niedergelegten Betriebstättenprinzips zwingt zur Feststellung des wirtschaftlichen Ergebnisses der Betriebstätte. Im Gegensatz zum wirtschaftlichen Erfolg einer im Inland befindlichen Betriebstätte eines ebenfalls im Inland befindlichen Hauptunternehmens - der einer besonderen Feststellung aus steuerlichen Gründen nicht bedarf - muß das Ergebnis einer im Inland befindlichen Betriebstätte eines ausländischen Hauptunternehmens, nach welcher Methode auch immer, ermittelt werden. Nur um die Höhe dieses der Betriebstätte "zuzurechnenden Gewinns" bestimmen zu können, fingiert Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Betriebstätte von dem im Ausland befindlichen Hauptunternehmen. Eine darüber hinausgehende Fiktion enthält die Bestimmung nicht.

zu 3. Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich verbietet, daß die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates in dem anderen Vertragsstaat einer anderen oder belastenderen Besteuerung unterworfen werden als die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates. Der Begriff "Staatsangehörige" bedeutet u. a. alle juristischen Personen, die nach dem in einem Vertragsstaat geltenden Recht errichtet worden sind (Art. 21 Abs. 2 Nr. 3 DBA-Frankreich). Entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen kann diese Bestimmung nicht zur Folge haben, daß die Betriebstätte einer gemäß § 2 KStG in der BRD beschränkt steuerpflichtigen französischen Kapitalgesellschaft wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Sinne § 1 KStG zu besteuern ist.

Die in den meisten internationalen Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen, am OECD-Musterabkommen orientierten Diskriminierungsverbote können nicht dahin verstanden werden, daß den Vertragsstaaten die Möglichkeit genommen wird, im Rahmen ihres nationalen Rechts, je nachdem ob der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt einer natürlichen Person oder der Sitz oder der Ort der Geschäftsleitung einer juristischen Person sich im Inland oder im Ausland befinden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit unterschiedliche steuerrechtliche Folgerungen zu ziehen. Zu diesen Rechtsfolgen gehören insbesondere die beschränkte und die unbeschränkte Steuerpflicht mit allen ihren für den Steuerpflichtigen teils günstigen, teils ungünstigen Auswirkungen. Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich besagt demnach nur, daß deutsche und französische Staatsangehörige, die beide beschränkt steuerpflichtig sind, im Rahmen dieser beschränkten Steuerpflicht gleichbehandelt werden müssen, ebenso wie deutsche und französische Staatsangehörige, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, im Rahmen dieser unbeschränkten Steuerpflicht gleichzubehandeln sind. Die Vorschrift kann dagegen nicht dahin verstanden werden, daß ein französischer Staatsangehöriger, der die Voraussetzungen der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht nicht erfüllt, gleichwohl auf Grund seiner Staatsangehörigkeit in der BRD als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden muß. Dies folgt daraus, daß Diskriminierungsverbote nur zu einer Gleichbehandlung der ausländischen Staatsangehörigen mit den eigenen Staatsangehörigen, nicht aber zu einer Begünstigung der Ausländer gegenüber den Inländern führen sollen (vgl. Urteil des BFH II 289/59 U vom 26. Februar 1964, BFH 79, 119, BStBl III 1964, 275).

Für die französischen juristischen Personen, deren unbeschränkte Steuerpflicht in der BRD an die Voraussetzungen Sitz oder Geschäftsleitung im Inland geknüpft ist, ergibt sich keine andere Beurteilung dadurch, daß sich ihre Staatsangehörigkeit zwangsläufig nach ihrem Sitz bestimmt. Dies wird deutlich am Fall einer französischen AG mit Sitz in Frankreich, deren Geschäftsleitung sich in der BRD befindet. Diese - entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen - steuerrechtlich denkbare Gestaltung (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4c DBA-Frankreich) zieht die unbeschränkte Steuerpflicht der französischen AG auf Grund deren inländischer Geschäftsleitung (§ 1 Abs. 1 KStG) nach sich und zeigt damit, daß die französische Staatsangehörigkeit einer juristischen Person keineswegs zwingend zu deren beschränkter Steuerpflicht im Inland führen muß, sondern die Möglichkeit der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht durch Verlegung der Geschäftsleitung offen läßt. Es kann somit auf sich beruhen, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn - wie die Steuerpflichtige irrtümlich annimmt - die französische Staatsangehörigkeit juristischer Personen zwangsläufig einer unbeschränkten Steuerpflicht in der BRD entgegenstehen würde.

zu 4. Auch auf Grund Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich kann die Steuerpflichtige nicht verlangen, daß die Gewinne ihrer inländischen Zweigniederlassung in jeder Hinsicht wie Gewinne der Betriebstätte einer inländischen AG besteuert werden. Im vorliegenden Falle handelt es sich nicht um die ungleiche Behandlung betriebsbezogener, im Bereich der Gewinnermittlung liegender Besteuerungsmerkmale, die grundsätzlich zur Anwendung des Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich führen würde (vgl. das zum DBA-Schweiz ergangene BFH-Urteil I 158/64 vom 8. Januar 1969, BFH 95, 378, BStBl II 1969, 466). Es kann dahinstehen, ob nicht noch in anderen Fällen insbesondere bei Vorliegen erheblicher willkürlicher und sachlich nicht zu begründender Verschiedenheiten der Steuersätze, eine Diskriminierung anzunehmen ist, denn jedenfalls sind diese Voraussetzungen für die Steuersätze in § 19 KStG nicht gegeben. Sie beruhen vielmehr auf verschiedenartigen wirtschaftspolitischen, insbesondere kapitalmarktpolitischen Erwägungen. Dabei ist für den vorliegenden Fall von Interesse, daß der von der Steuerpflichtigen angestrebte Steuersatz von 15 v. H. für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG) - im Gegensatz zu dem vom FA angewandten Steuersatz von 49 v. H. - nur in Verbindung mit der anschließenden Besteuerung der Dividenden bei den Anteilsinhabern (§ 20 des Einkommensteuergesetzes) bzw. in Verbindung mit der sogenannten Nachsteuer (§ 19 Abs. 5, § 9 Abs. 3 KStG) verstanden werden kann. Diese Umstände liegen durchweg im außerbetrieblichen Bereich, sie zeigen darüber hinaus, daß die inländische Betriebstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft einerseits und die inländische Betriebstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft andererseits wegen der unterschiedlichen Besteuerung der Kapitalerträge (Dividenden) bei den Anteilsinhabern nur schwer vergleichbare Sachverhaltsgruppen darstellen, deren Gleichbehandlung auch durch Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich kaum sichergestellt werden könnte.

zu 5. Die Steuerpflichtige kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf Art. 4 Anlage 4 des Saarvertrages berufen, denn diese Bestimmung wurde - wie die Vorinstanz zutreffend begründet hat - durch das zeitlich nachfolgende DBA-Frankreich außer Kraft gesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69142

BStBl II 1970, 790

BFHE 1970, 334

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