Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs von einem selbständigen Gewerbebetrieb: Direktvermarktung von selbst hergestellten Schinken und Wurstwaren durch einen Landwirt, Ablehnung des BMF-Schreibens in BStBl I 1995, 703, Umsatzgrenze als Vereinfachungsregelung, Bearbeitungsbetriebe und Verarbeitungsbetriebe

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Annahme eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs bei der Direktvermarktung von selbst hergestellten Schinken und Wurstwaren.

 

Orientierungssatz

1. Die Annahme eines land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs setzt voraus, daß der fragliche Betrieb dienende Funktion gegenüber einem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb hat, diesem aber untergeordnet ist und daß sich die gesamte Betätigung noch als ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellt. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine für sich gesehen gewerbliche Tätigkeit ein Nebenbetrieb sein. In diesem Fall muß sich die gesamte Betätigung als Betrieb der Landwirtschaft darstellen.

2. Be- und Verarbeitungsbetrieb als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb: Das BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 703 schränkt den Begriff des Be- und Verarbeitungsbetriebs auf den Fall ein, daß die durch die Be- und Verarbeitung gewonnenen Erzeugnisse im Rahmen der sog. ersten Stufe der Be- und Verarbeitung hergestellt werden. Darüberhinaus nimmt es aus Vereinfachungsgründen einen land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb an, wenn Produkte der zweiten (gewerblichen) Verarbeitungsstufe zur Angebotsabrundung im Rahmen der Direktvermarktung eigener land- und forstwirtschaftlicher Produkte abgegeben werden und der daraus erzielte Umsatz nicht mehr als 20 000 DM im Wirtschaftsjahr beträgt. Der Senat vermag sich dieser Unterscheidung nicht anzuschließen.

3. Für die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Gewerbebetrieb und einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ist in erster Linie auf den Umfang der Veränderung abzustellen, den die landwirtschaftlichen Produkte im zu beurteilenden Betrieb erfahren. Ein Nebenbetrieb liegt vor, wenn ein Landwirt einen Teil seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse in einem Ladengeschäft absetzt oder nur geringfügig bearbeitete land- und forstwirtschaftliche Urerzeugnisse vermarktet, z.B. wenn Milch haltbar gemacht, in Flaschen gefüllt und verkauft wird oder zu Butter, Quark oder Käse verarbeitet wird und erst diese Produkte verkauft werden.

4. Abgrenzung zwischen landwirtschaftlichem Nebenbetrieb und selbständigem Gewerbebetrieb: Unterscheidet sich die --nicht nur geringfügige-- Weiterverarbeitung eigener land- und forstwirtschaftlicher Urerzeugnisse nicht wesentlich von der üblicher Handwerksbetriebe und Gewerbebetriebe und vollzieht sich die Wertschöpfung für das Produkt außerhalb des durch das traditionelle Bild gegebenen Rahmens der Land- und Forstwirtschaft, so muß ein selbständiger gewerblicher Betrieb angenommen werden. Die Ausübung eines Handwerks (im Streitfall: Metzgerei) gehört herkömmlicherweise nicht mehr zur Land- und Forstwirtschaft. Aus Vereinfachungsgründen kann aber ein an sich gewerblicher Be- und Verarbeitungsbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet werden, wenn der in ihm erzielte Umsatz nicht mehr als 10% des Umsatzes im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausmacht und außerdem auch der für die Besteuerung der Kleinunternehmer in § 19 Abs.1 UStG festgelegte Betrag nicht überschritten wird; dagegen kann auf die Gewinnverhältnisse in beiden Betrieben nicht abgestellt werden.

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 2, § 15 Abs. 2; UStG 1980 § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betreiben in Gütergemeinschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sie ermitteln ihren Gewinn nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger zeigte im Jahr 1992 an, selbsterzeugte landwirtschaftliche Produkte zu bearbeiten und auf dem Bauernmarkt zu vertreiben. Bei der daraufhin durchgeführten Betriebsbesichtigung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) u.a. fest, daß der landwirtschaftliche Betrieb der Kläger ca. 20 ha landwirtschaftliche Nutzfläche umfaßte und durchschnittlich 80 Mastschweine gehalten wurden. Im Streitjahr (1992) wurden jede Woche ein bis zwei Schweine auf der Hofstelle geschlachtet und zu Schinken, Blut-, Leber- und Dosenwurst verarbeitet. Für die Verarbeitung stehen ein Schlachtraum von 4 x 4 qm, ein kleiner Verarbeitungsraum sowie ein Kühlraum zur Verfügung. Auf dem Bauernmarkt werden nur die aus den eigenen Schweinen hergestellten Schinken und Wurstwaren verkauft; der Verkauf von Frischfleisch ist dort nicht gestattet. Ein Zukauf von Schweinen oder Fleisch für die weitere Verarbeitung erfolgte nicht.

Die Kläger führten im Streitjahr keine Aufzeichnungen über die Verkaufserlöse. In ihrer Einkommensteuererklärung gaben sie hinsichtlich der Verkäufe auf dem Bauernmarkt Betriebseinnahmen von 41 400 DM an, die sie als mit dem Grundbetrag abgegolten ansahen. Das FA nahm dagegen einen selbständigen gewerblichen Betrieb der Kläger an, weil die Erzeugnisse nicht zur sog. ersten Bearbeitungsstufe gehörten. Nach der Verkehrsauffassung läge daher eine gewerbliche Betätigung vor. Das FA schätzte den Gewinn auf 20 000 DM und rechnete diesen den Klägern je zur Hälfte zu. Es erließ für 1992 einen entsprechenden gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid.

Mit der Sprungklage machten die Kläger u.a. geltend, die Direktvermarktung der selbst aus den eigenen Mastschweinen hergestellten Schinken und Wurstwaren stelle einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb i.S. von § 13 Abs.2 Nr.1 EStG dar. Die Direktvermarktung diene dem landwirtschaftlichen (Haupt-)Betrieb, weil ausschließlich die dort gewonnenen Produkte, nämlich die Mastschweine, verarbeitet und dann veräußert würden.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, daß die Kläger mit der Herstellung und dem Verkauf der eigenerzeugten Schinken und Wurstwaren keinen selbständigen Gewerbebetrieb unterhalten hätten. Mit dem Gewinn von rd. 20 000 DM (Umsatz rd. 40 000 DM) werde die sog. Bagatellgrenze zum Gewerbebetrieb noch nicht überschritten.

Das wäre erst der Fall, wenn ein Landwirt Wurst- und Fleischwaren in erheblichem Umfang handwerksmäßig herstelle, insbesondere zukaufe und mit seinen Produkten der "zweiten Bearbeitungsstufe" über einen Laden oder Marktstand mit dem Metzgereihandwerk konkurriere.

Zu der in § 13 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG genannten landwirtschaftlichen Tierzucht und -haltung gehöre auch das Schlachten und Verkaufen der zerlegten Tiere. Die Land- und Forstwirtschaft umfasse ferner die Be- und Verarbeitung (Veredelung) von land- und forstwirtschaftlichen Eigenerzeugnissen, sofern das veredelte Produkt nach der Verkehrsauffassung noch als land- und forstwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen ist. Bei der sog. ersten Bearbeitungsstufe sei das im allgemeinen nicht zweifelhaft. Je weiter sich aber das Produkt von der sog. Urerzeugung entferne, um so mehr trage es gewerblichen Charakter. Unerheblich sei, ob die Be- und Verarbeitung im Haupt- oder im Nebenbetrieb erfolge.

Während das Schlachten und Zerlegen von Mastschweinen der ersten Bearbeitungsstufe zugerechnet werde (z.B. Erlaß des Finanzministeriums --FinMin-- Baden-Württemberg vom 12. Mai 1977 -S 3123 A 2-75, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe B 1977, 204), werde die Herstellung und Vermarktung von Wurst und Schinken der zweiten Bearbeitungsstufe zugeordnet, weil sie üblicherweise gewerblich betrieben werde (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2.Aufl., Anm.277).

Bei durchschnittlich zwei Schlachtungen auf der Hofstelle pro Woche und einem Umsatz von rd. 40 000 DM sei die Grenze zum Gewerbebetrieb noch nicht überschritten. Hinzu komme, daß im Streitjahr 60 % der Einnahmen auf die Landwirtschaft und 40 % auf die Vermarktung der Schweine entfielen.

Mit der vom FG --auf die Beschwerde des FA hin nachträglich-- zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 13 Abs.2 Nr.1 und § 15 EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Direktvermarktung der aus den eigenen Mastschweinen hergestellten Schinken und Wurstwaren auf dem Bauernmarkt als Nebenbetrieb zum landwirtschaftlichen Betrieb gehöre.

1. Nach § 13 Abs.1 Nr.1 Satz 1 EStG sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die Einkünfte aus dem Betrieb von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, Obstbau, Baumschulen und aus allen Betrieben, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen. Zu diesen Einkünften gehören auch die Einkünfte aus der Tierzucht und Tierhaltung, wenn die je Hektar regelmäßig landwirtschaftlich genutzter Fläche erzeugten oder gehaltenen Vieheinheiten die in § 13 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG bestimmten Grenzen nicht überschreiten.

Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft rechnen ferner die Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichem Nebenbetrieb; dabei gilt als Nebenbetrieb ein Betrieb, der dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt ist (§ 13 Abs.2 Nr.1 Sätze 1 und 2 EStG). § 24 Abs.2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) definiert den Begriff der Land- und Forstwirtschaft in vergleichbarer Weise und zählt zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind. Nach § 42 des Bewertungsgesetzes sind Nebenbetriebe Betriebe, die dem Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sind und nicht einen selbständigen gewerblichen Betrieb darstellen.

2. Die einkommensteuerrechtliche Zuordnung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben zu den Einkünften i.S. von § 13 EStG ist im EStG 1934 erfolgt. Mit dem damals neu eingeführten § 13 Abs.2 EStG wollte man eine scharfe Trennung zwischen land- und forstwirtschaftlichen Einkünften einerseits und den gewerblichen Einkünften andererseits erreichen (Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934, RStBl 1934, 1261; in RStBl 1935, 33 ff., 41). Durch die Zuordnung der an sich als gewerblich angesehenen Nebenbetriebe zum land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb wurde der Umfang des landwirtschaftlichen Vermögens erweitert. Dies setzt jedoch voraus, daß der fragliche Betrieb dienende Funktion gegenüber einem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb hat, diesem aber untergeordnet ist und daß sich die gesamte Betätigung noch als ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1970 III R 25/69, BFHE 101, 261, BStBl II 1971, 287).

Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine für sich gesehen gewerbliche Betätigung ein land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb sein (BFH-Urteile vom 16. August 1979 I R 165/77, nicht veröffentlicht --NV--; vom 12. Januar 1989 V R 129/84, BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15.Aufl., § 15 Rz.111; Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.293; Martens in Littmann/ Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 13 EStG Anm.54; Blümich/ Fischer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15.Aufl., § 13 EStG Anm.194; Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 13 Anm.C 1; vgl. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl., A 321). In diesem Fall muß sich die gesamte Betätigung als Betrieb der Landwirtschaft darstellen (BFH-Urteil in BFHE 101, 261, BStBl II 1971, 287).

3. a) Als Nebenbetriebe kamen insbesondere Be- und Verarbeitungsbetriebe in Betracht. Nach H 135 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 1995 ist ein Be- oder Verarbeitungsbetrieb als land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb anzusehen, wenn die eingesetzte Rohstoffmenge überwiegend im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb erzeugt wird und die be- und verarbeiteten Produkte überwiegend für den Verkauf bestimmt sind. Da die Kläger die vermarkteten Fleischerzeugnisse aus selbstgemästeten Schweinen hergestellt haben, wäre danach ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb gegeben.

b) Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Oktober 1995 (BStBl I 1995, 703, Abs.3 Satz 1) schränkt jedoch den Begriff des Be- und Verarbeitungsbetriebs auf den Fall ein, daß die durch die Be- und Verarbeitung gewonnenen Erzeugnisse im Rahmen der sog. ersten Stufe der Be- und Verarbeitung hergestellt werden. Darüber hinaus nimmt es aus Vereinfachungsgründen land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe für Produkte der zweiten (gewerblichen) Verarbeitungsstufe an, wenn diese zur Angebotsabrundung im Rahmen der Direktvermarktung eigener land- und forstwirtschaftlicher Produkte abgegeben werden und der daraus erzielte Umsatz nicht mehr als 20 000 DM im Wirtschaftsjahr beträgt (BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 703, Abs.3 Satz 2).

c) Der Senat vermag sich dieser Unterscheidung nicht anzuschließen. Sie findet im Gesetz keine Stütze. Tatsächlich lassen sich die vorkommenden Bearbeitungen häufig nicht eindeutig bestimmten Bearbeitungsstufen zuordnen. So ist für die von Landwirten oder Winzern selbst hergestellten Produkte Butter, Quark, Käse, Forellenfilets, Sekt und Branntwein ungewiß, ob sie auf der sog. ersten oder der zweiten Bearbeitungsstufe gewonnen werden. Demgegenüber hatte man früher unter Bezug auf das BFH-Urteil vom 23. Januar 1958 V 113/56 U (BFHE 66, 359, BStBl III 1958, 137) geprüft, ob die Produkte nach der Verkehrsanschauung noch als land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse anzusehen seien. Daran anknüpfend nimmt die Finanzverwaltung noch gegenwärtig an, daß das Schlachten und Zerlegen von Mastschweinen und anderem selbsterzeugtem Vieh in Hälften (vgl. Erlaß des FinMin vom 8. Juli 1975, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Bewertungsgesetz 1965, § 34, Nr.29) und bei Rindern in Viertel (vgl. Erlaß des FinMin vom 30. Dezember 1977, StEK, Bewertungsgesetz 1965, § 34, Nr.31) noch dem landwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, dagegen die weitergehende Verarbeitung zu Wurst und Schinken gewerblich sei.

d) Ob ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb vorliegt, kann jedoch auch nicht allein danach entschieden werden, ob es sich bei den hergestellten Erzeugnissen nach der Verkehrsauffassung noch um landwirtschaftliche Produkte handelt (so jedoch Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.272; Giere in Felsmann, a.a.O., A 331; Märkle/ Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6.Aufl., Rdnr.177 und 182; Blümich/Fischer, a.a.O., § 13 EStG Rz.197; a.A. Schmidt, a.a.O., 15.Aufl., § 15 Rz.116; Martens in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 13 EStG Anm.56). Der Inhalt der Verkehrsauffassung ist zwangsläufig ungewiß. Zudem hat der BFH in der Vergangenheit entschieden, daß auch die Herstellung eines Produktes (Sauerkraut), das nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als ein land- oder forstwirtschaftliches Erzeugnis einzustufen sei, dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sein könne (BFH-Urteil vom 16. August 1979 I R 165/77, NV). Auch die Produkte der sog. Substanzbetriebe, die als land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe anerkannt werden, sind keine land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse. Die abweichende Auffassung in der Literatur ist offenbar darauf zurückzuführen, daß umsatzsteuerrechtlich ursprünglich der ermäßigte Steuersatz für Lieferungen aus einem forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb voraussetzte, daß der gelieferte Gegenstand nach der Verkehrsauffassung als ein forstwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen war (§ 55 Abs.5 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz a.F.; BFH-Urteile vom 20. Januar 1955 V 120/54 U, BFHE 60, 239, BStBl III 1955, 93; in BFHE 66, 359, BStBl III 1958, 137; vom 18. Januar 1962 V 200/58 S, BFHE 75, 83, BStBl III 1962, 298, und vom 29. Juli 1971 V R 55/67, BFHE 103, 266). Diese Regelung ist aufgehoben.

4. Für die Abgrenzung zwischen einem selbständigen Gewerbebetrieb und einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ist in erster Linie auf den Umfang der Veränderung abzustellen, den die landwirtschaftlichen Produkte im zu beurteilenden Betrieb erfahren. Demgemäß ist von einem Nebenbetrieb zu sprechen, wenn ein Landwirt einen Teil seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse in einem Ladengeschäft absetzt (BFH-Urteil vom 30. August 1960 I 108/59 U, BFHE 71, 561, BStBl III 1960, 460). Das trifft auch für die Vermarktung nur geringfügig bearbeiteter land- und forstwirtschaftlicher Urerzeugnisse zu, so z.B. wenn Milch haltbar gemacht, in Flaschen gefüllt und selbst vermarktet wird. Gleiches gilt, wenn Milch zu Butter, Quark oder Käse verarbeitet wird und erst diese Produkte verkauft werden (vgl. Engel in Hartmann/ Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Rz.29c).

Für eine mehr als geringfügige Weiterverarbeitung spricht dagegen, wenn sich die Wertschöpfung für das Produkt außerhalb des durch das traditionelle Bild gegebenen Rahmens der Land- und Forstwirtschaft vollzieht und in einer für Gewerbe- und Handwerksbetriebe üblichen Produktionsweise erfolgt und daher mit diesen in Konkurrenz tritt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 103, 266). Unterscheidet sich die Weiterverarbeitung der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Urerzeugnisse durch einen Land- und Forstwirt nicht wesentlich von der üblicher Handwerks- und Gewerbebetriebe, so muß ein selbständiger gewerblicher Betrieb angenommen werden.

5. Im Streitfall geht die Herstellung der Schinken und Wurstwaren sowie deren Absatz auf dem Bauernmarkt über eine geringfügige Bearbeitung landwirtschaftlicher Urerzeugnisse weit hinaus. Mit der Herstellung von Schinken und Wurstwaren zum Verkauf treten die Kläger in Konkurrenz zum Metzgereihandwerk. Die Ausübung eines Handwerks ist aber herkömmlicherweise nicht mehr dem land- oder forstwirtschaftlichen Bereich zugeordnet worden (Giere in Felsmann, a.a.O., A 332; Hiller in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Anm.167 d). Hiervon kann aus Vereinfachungsgründen nur eine Ausnahme gemacht werden, wenn die an sich gewerbliche Betätigung gegenüber dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb umfangmäßig nicht ins Gewicht fällt; in diesem Fall erscheint es gerechtfertigt, von einer eigenen Gewinnermittlung für den Verarbeitungsbetrieb abzusehen. Für diese Beurteilung spricht, daß auch die Handwerksordnung (HwO) Bagatellbetriebe von ihrem Regelungsbereich ausnimmt (vgl. § 2 Nr.3, § 3 Nr.1 und 2 HwO; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 6. August 1984 3 OB OWi 43/84, Gewerbe-Archiv 1984, 383) und gewerbesteuerliche Vorteile im Hinblick auf die Freibeträge in § 11 und § 13 des Gewerbesteuergesetzes aus einer solchen Handhabung nicht entstehen, so daß sich die Besserstellung der land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe auf die Fälle des § 13a Abs.3 und Abs.8 Nr.1 EStG und des § 24 Abs.2 Satz 2 UStG beschränkt. Nach der Auffassung des Senats kann daher ein an sich gewerblicher Be- oder Verarbeitungsbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet werden, wenn der in ihm erzielte Umsatz nicht mehr als 10 v.H. des Umsatzes im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ausmacht und außerdem auch der für die Besteuerung der Kleinunternehmer in § 19 Abs.1 UStG festgelegte Betrag nicht überschritten wird; dagegen kann auf die Gewinnverhältnisse in beiden Betrieben nicht abgestellt werden.

6. Danach handelte es sich bei der im Streitfall betriebenen Direktvermarktung der aus den eigenen Schweinen hergestellten Schinken und Wurstwaren nicht mehr um einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Nach den Feststellungen des FG machte der Umsatz im Verarbeitungsbetrieb im Streitjahr rd. 40 000 DM aus, während in § 19 Abs.1 UStG 1980 nur ein Betrag von 20 000 DM festgelegt war. Der erzielte Umsatz überschritt auch den jetzt in § 19 Abs.1 UStG 1993 festgelegten Betrag von 32 500 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66140

BFH/NV 1997, 259

BStBl II 1997, 427

BFHE 182, 155

BFHE 1997, 155

BB 1997, 1079-1081 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 1496 (Leitsatz)

DStR 1997, 775-777 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 448 (Leitsatz)

DStZ 1998, 171 (Leitsatz)

HFR 1997, 569-570 (Leitsatz)

StE 1997, 300 (Kurzwiedergabe)

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