Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines nachträglich ergangenen Grundlagenbescheids im gerichtlichen Verfahren gegen den Folgebescheid

 

Leitsatz (NV)

Hat die Finanzbehörde zunächst einen Einkommensteuerbescheid erlassen und ergeht während des den Einkommensteuerbescheid betreffenden Klageverfahrens ein für die Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindender Gewinnfeststellungsbescheid, so hat das FG in seiner Entscheidung den Einkommensteuerbescheid dem Feststellungsergebnis anzupassen.

 

Normenkette

AO 1977 § 155 Abs. 2, § 182 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1979 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Sie betreiben gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb und ermitteln den Gewinn daraus nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Am 21. Januar 1980 übertrugen die Kläger durch notariellen Vertrag mehrere Grundstücke, darunter einen Bauplatz, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Tochter, die die landwirtschaftlichen Flächen weiter bewirtschaftete. Die Grundstücke standen z. T. im Eigentum des Klägers und im übrigen im Eigentum der Klägerin. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah diese Grundstücksübertragungen als Entnahmen an, ermittelte einen Entnahmegewinn von 113 093,34 DM und erließ einen entsprechenden Einkommersteuerbescheid, der den Klägern bekanntgegeben wurde.

Der dagegen erhobene Einspruch des Klägers hatte teilweise Erfolg. Das FA zog die Klägerin zum Verfahren hinzu, erhöhte den Entnahmegewinn auf 115 428 DM und gewährte darauf einen Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG von 60 000 DM.

Dagegen richtete sich die Klage, die zur Aufhebung der Bescheide aus verfahrensrechtlichen Gründen führte. Während des Klageverfahrens wurde der Einkommensteuerbescheid abermals geändert und die Steuer unter Gewährung eines weiteren Freibetrags von 15 925 DM ermäßigt. Durch weiteren Bescheid vom 10. August 1982 stellte das FA ebenfalls während des Klageverfahrens schließlich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr gesondert fest; das Einspruchsverfahren gegen diesen Feststellungsbescheid führte nach Einlegung der Revision zu einer Änderung der Feststellung, der die Kläger zugestimmt haben. Der Einkommensteuerbescheid ist dem Feststellungsergebnis bisher nicht angepaßt worden.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 155 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache mit der Maßgabe zurückzuverweisen, das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluß des Feststellungsverfahrens auszusetzen.

Die Kläger sind der Revision mit dem Hinweis entgegengetreten, die Höhe der für das Streitjahr festzusetzenden Einkommensteuer sei nicht mehr streitig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. a) Das FG hat die angefochtenen Einkommensteuerbescheide aufgehoben und der Klage mit der Begründung stattgegeben, das FA habe über gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen nicht in dem dafür erforderlichen Gewinnfeststellungsbescheid, sondern endgültig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung entschieden. Nach § 155 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545) sei es zwar zulässig, einen Folgebescheid auch vor Bekanntgabe eines Grundlagenbescheides zu erlassen; dies sei jedoch nur in der Weise möglich, daß die gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen entweder außer Ansatz blieben, nach Steuererklärung übernommen würden oder schließlich gemäß § 162 Abs. 3 AO 1977 n. F. im Wege der Schätzung zu erfassen wären. Eine endgültige Entscheidung über solche Besteuerungsgrundlagen verstoße auch dann gegen die ,,Grundordnung des Verfahrens", wenn die einheitliche Gewinnfeststellung nachgeholt würde.

b) Dem kann der Senat nicht folgen. Im Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 13/84 (BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3) hat der Senat aus der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides für die Einkommensteuerveranlagung (§ 182 Abs. 1 AO 1977) gefolgert, daß das Ergebnis des Feststellungsverfahrens abzuwarten ist; denn der Steuerbescheid ist entsprechend den getroffenen Feststellungen zu erlassen oder zu ändern, wenn ein Feststellungsbescheid erlassen oder geändert wird (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977).

Dies alles gilt ungeachtet der Neuregelung des § 155 Abs. 2 AO 1977 auch, wenn die Finanzbehörde zunächst einen Steuerbescheid erlassen hat und in der Folge den Feststellungsbescheid nachholt (Urteil in BFHE 142, 96, BStBl II 1985, 3 m. w. N.).

2. Hieran hält der Senat auch im Streitfall fest, in dem nachträglich ein Feststellungsbescheid ergangen ist, geändert wurde und schließlich unanfechtbar geworden ist. Einwendungen gegen die Höhe der festgestellten Einkünfte können unter diesen Umständen weder im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid (§ 351 Abs. 2 AO 1977) noch gegenüber dem Steuerbescheid erhoben werden. Die vom FG ausgesprochene Aufhebung des Steuerbescheids hätte danach zur Folge, daß im Hinblick auf das inzwischen durchgeführte Feststellungsverfahren eine Anpassung des Folgebescheids erfolgen müßte, die unter Umständen ein neues Rechtsbehelfs- und Klageverfahren auslösen würde, soweit andere nicht vom Feststellungsverfahren erfaßte Besteuerungsgrundlagen streitig sein sollten. Sinn eines geordneten Rechtschutzverfahrens muß es jedoch sein, den Streitfall einer abschließenden und endgültigen Entscheidung zuzuführen.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da dem Senat der geänderte Feststellungsbescheid nicht vorliegt. Nach Vorlage des Feststellungsbescheids wird das FG daher den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1979 entsprechend anpassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414307

BFH/NV 1987, 549

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