Leitsatz (amtlich)

1. Zum Erwerb der Verwertungsbefugnis auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mit einem beurkundeten, für 24 Jahre bindenden Verkaufsangebot zu einem festen Kaufpreis, Auflassungsvormerkung, Darlehnsgewährung und sofortiger Nutzungsüberlassung mit der Befugnis zur Vermietung und Verpachtung.

2. Die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß dem Eigentümer Risiken oder mögliche Nachteile seines Eigentums verbleiben.

2. Zur nicht ermittelbaren Gegenleistung für die Überlassung der Verwertungsmöglichkeit im ganzen.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 1 Abs. 2, § 10 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, hatte sich am 18. April 1958 einer gemeinnützigen Baugenossenschaft gegenüber verpflichtet, dieser ein Darlehen in Höhe von 25 000 DM zu gewähren. Die Darlehnssumme hat die Genossenschaft erhalten.

Ebenfalls am 18. April 1958 hat die Genossenschaft unter notarieller Beurkundung der Klägerin ein mit drei Hypotheken im Gesamtbetrag von 138 000 DM vorbelastetes, mit einem öffentlich geförderten Wohngebäude bebautes Grundstück gegen Übernahme der Hypotheken und Hypothekenforderungen für den Preis von 163 000 DM zum Kauf angeboten. Zur Annahme dieses Antrags hat die Genossenschaft eine Frist bis zum 31. Dezember 1982 gesetzt. Das Recht der Klägerin sollte bei Gesamtvermögensübergang auf deren Rechtsnachfolger übergehen. Für den bedingten Auflassungsanspruch bewilligte die Genossenschaft eine Vormerkung; diese ist im Grundbuch eingetragen worden.

An dieser Beurkundung hat die persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin mitgewirkt. Die Klägerin übernahm die Kosten des Vertragsantrags und des grundbuchamtlichen Vollzugs der gestellten Anträge.

In dem an demselben Tag geschlossenen Darlehnsvertrag zwischen der Klägerin und der Genossenschaft war vereinbart, das Darlehen solle unverzinslich sein, solange die Klägerin oder ihr Rechtsnachfolger gemäß dem Verwaltungsvertrag von diesem Tage das erwähnte Grundstück verwalte; falle diese Voraussetzung fort, sei das Darlehen mit 6 % jährlich, bei Fälligkeit auf Verlangen der Klägerin mit 2 % über Bundesbankdiskont zu verzinsen. Das Darlehen werde rückzahlbar, sobald das Vertragsverhältnis aus dem Verwaltungsvertrag ende und einer der Vertragschließenden das Darlehen mit einer dreimonatigen Frist zum Ende eines Kalendermonats kündige; die Genossenschaft sei jedoch berechtigt, das Darlehen in gleichen Jahresraten bis 31. Dezember 1982 zu tilgen. Das Darlehen sollte durch eine Buchgrundschuld gesichert werden.

Der in dem Darlehnsvertrag erwähnte "Verwaltungsvertrag" besagt, daß die Klägerin mit dessen Unterzeichnung die Verwaltung des Grundstücks übernehme. Die Genossenschaft bevollmächtigte die Klägerin für die Dauer dieses Vertrags unwiderruflich, alle Maßnahmen zur Verwaltung dieses Grundstücks vorzunehmen, insbesondere das Grundstück zu nutzen und Miet- und Pachtverträge - jedoch nicht länger als für fünf Jahre und nicht über den 31. Dezember 1982 hinaus - abzuschließen. Die Klägerin sei verpflichtet, die Steuern und sonstigen öffentlichen Abgaben des Grundstücks sowie die Annuitäten der bestehenden Grundstückslasten zu tragen und unter Freistellung der Genossenschaft zu entrichten; sie sei verpflichtet, das Grundstück auf ihre Kosten in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Im vorstehenden Umfang dürfe die Klägerin die Genossenschaft vertreten, jedoch keine Verpflichtungen namens der Genossenschaft aufnehmen. Die Klägerin sei berechtigt, alle Vorteile aus dem Grundstück zu ziehen, insbesondere die Miet- und Pachtzinsen einzuheben; unübliche Nutzungen seien ihr nicht gestattet. Bei Beschädigung des Grundstücks stünden die Versicherungssumme, eine Schadenersatzforderung oder ein sonstiger Ausgleich der Genossenschaft, deren Verwaltung und Nutzung aber der Klägerin zu. Das Vertragsverhältnis ende spätestens am 31. Dezember 1982, im übrigen, wenn das Grundstück mit Zustimmung beider Vertragschließenden auf einen anderen Eigentümer übergehe, die Klägerin ein entsprechendes Vertragsangebot der Genossenschaft annehme, oder wenn feststehe, daß ein solches Angebot nicht mehr angenommen werde oder angenommen werden könne. Soweit die Klägerin hypothekarisch gesicherte Darlehen tilge, gehe der entsprechende Teilbetrag der Forderung auf sie über; Verzinsung und Rückzahlung könnten jedoch während der Laufzeit des Vertrags nicht geltend gemacht werden. Bei Beendigung des Vertrags seien die Tilgungsleistungen der Klägerin zu verrechnen und gegebenenfalls zu erstatten; etwa der Genossenschaft gewährte Darlehen könne die Klägerin, soweit nichts anderes vereinbart sei, zurückfordern. Die von der Klägerin gezogenen Nutzungen und die von ihr getragenen Lasten des Grundstücks seien nicht abzurechnen.

Das FA (Beklagter) hat gegen die Klägerin wegen Erwerbs der Verwertungsmöglichkeit am Grundstück 11 410 DM Grunderwerbsteuer festgesetzt. Dem liegt die Annahme zugrunde, der in dem Vertragsantrag genannte Kaufpreis von 163 000 DM sei "bei wirtschaftlicher Betrachtung der getroffenen Vereinbarungen bereits in voller Höhe geleistet"; dafür benannt sind mit 138 000 DM "Hypotheken (Zinsendienst)" und mit 25 000 DM "Darlehen (zinslos!)".

Das FG hat Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet.

I.

1. Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem andern rechtlich oder Wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Ersatztatbestand dient zwar unter anderem dazu, Umgehungen der in den Grundtatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG normierten Steuerpflicht zu verhindern. Er ist aber - abweichend von § 6 StAnpG - kein Hilfstatbestand, der speziell darauf zielen würde, Steuerumgehungen zu verhindern, sondern ein selbständiger - wenn auch den Tatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG gegenüber subsidiärer - Tatbestand, der seinerseits durch den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG ergänzt wird (vgl. Urteil des BFH vom 16. März 1966 II 70/63, BFHE 86, 158 [160], BStBl III 1966, 378). Ebensowenig wie bei diesem (Urteil des BFH vom 22. Juni 1966 II 165/62, BFHE 86, 520 [521], BStBl III 1966, 554) kommt es daher bei § 1 Abs. 2 GrEStG auf die Beweggründe und die Absicht der Beteiligten an.

Die Steuerschuld entsteht schon dann (und nur dann), wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1, AO, § 3 Abs. 1 StAnpG). Ob die zur Erfüllung des Tatbestandes führende "Vertragsgestaltung beiden Seiten den idealen Weg, ihre Wünsche zu verwirklichen", geboten hatte oder nicht, ist dafür ebenso unerheblich wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG.

Die vom FG eingehend gewürdigte Vorgeschichte wäre daher nur dann von Belang, wenn sich aus ihr ergeben würde, daß die schriftlich niedergelegten Willenserklärungen von den Vertragschließenden übereinstimmend nicht so gemeint waren, wie sie ihrer objektiven Aussage nach zu verstehen wären (§ 133 BGB; vgl. Urteil des BFH vom 21. Dezember 1966 II 149/63, BFHE 87, 458 [460], BStBl III 1967, 189), oder daß einzelne Erklärungen nach Treu und Glauben nicht so ausgelegt werden dürfen, wie sie allein dem Wortlaut nach ausgelegt werden müßten (§ 157 BGB). Weder das eine noch das andere trifft zu. Die Vorgeschichte bestätigt lediglich, daß die Genossenschaft und die Klägerin den Inhalt dessen, was sie vereinbarten, auch gewollt haben. Die Beantwortung der Rechtsfrage, ob der so geschaffene Sachverhalt der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglichte, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, ist von der "Vorstellung" der Vertragschließenden unabhängig. Daher kommt es nicht darauf an, daß die Genossenschaft nicht den Eindruck hatte, das Grundstück sei "ihrer Verfügungsmacht entglitten".

2. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG stellt darauf ab, ob die maßgebenden Rechtsvorgänge es einem andern als dem Eigentümer rechtlich oder wirtschaftlich "ermöglicht" haben, "das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten". Da diese Möglichkeit durch "Rechtsvorgänge" verwirklicht sein muß, setzt § 1 Abs. 2 GrEStG eine Rechtsmacht des Erwerbers voraus, auch wenn deren bürgerlich-rechtlicher Inhalt im Unterschied zu den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 nicht enumerativ beschrieben ist; die Unterscheidung zwischen "rechtlich oder wirtschaftlich" trifft allein die Art und Weise möglicher Verwertung. Diese Rechtsmacht (als eine auf einem Rechtsvorgang beruhende rechtliche oder wirtschaftliche Macht) kann nicht dahin gehen, den Anspruch auf Übereignung zu begründen; diesfalls griffe nicht § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein. Folglich kann eine Verwertungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht schon mit der Begründung verneint werden, daß ein Kaufantrag trotz befristeter Bindung (§ 148 BGB) nicht den "nämlichen Zustand" schaffe wie ein Kaufvertrag mit gestundeter Auflassungsverpflichtung.

Unterliegt auch ein Kaufangebot (Urteil des BFH vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51 [54, 56], BStBl III 1965, 265) - ja selbst ein einseitig oder zweiseitig bindender Vorvertrag (Urteil des BFH vom 26. Mai 1970 II R 184/66, BFHE 99, 410 [412], BStBl II 1970, 673), sofern er nicht bereits einen Auflassungsanspruch begründet (Urteil des BFH vom 27. Januar 1972 II 73/65, BFHE 105, 168, BStBl II 1972, 496) -, als solcher nicht der Grunderwerbsteuer (Urteil des BFH vom 13. Februar 1968 II R 134/66, BFHE 91, 447), so kann er doch - ebenso wie ein noch nicht wirksamer Kaufvertrag (Beschluß des BFH vom 12. Dezember 1968 II B 42/68, BFHE 94, 359) - im Zusammenhang mit anderen Abreden dazu beitragen, daß der Tatbestand erfüllt wird, an den das GrEStG in § 1 Abs. 2 die Steuerpflicht knüpft (Urteile des BFH vom 1. September 1965 II 85/62, HFR 1966, 15 und vom 28. April 1970 II 144/64, BFHE 99, 320 [322], BStBl II 1970, 674). Die Möglichkeit, durch Annahme des Kaufanstrags (§§ 152, 313 BGB) die Übereignungspflicht herbeizuführen (§ 433 BGB), schließt nicht aus, daß die langfristige Bindung des Antrags (§ 148 BGB) in Verbindung mit anderen Umständen schon zuvor dem Erwerber ermöglicht hat, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ Abs. 2 GrEStG; vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG).

3. Die Gesamtheit der von der Klägerin mit der Genossenschaft geschlossenen Verträge hat dieser eine Rechtsmacht verschafft, die es ihr im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglichte, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

Zu diesen Verträgen zählt auch das Kaufangebot, obwohl es inhaltlich nur eine einseitige Verpflichtung darstellt. Denn diese einseitige Bindung der Genossenschaft war im Zusammenhang mit dem Darlehnsvertrag und dem sog. Verwaltungsvertrag als deren Leistung gewollt; die Klägerin hat durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin bei der Beurkundung dieses Angebots mitgewirkt und die Kosten der Beurkundung übernommen. Von den üblichen Verkaufsangeboten unterscheidet es sich nicht nur durch die lange Bindungsfrist (§ 148 BGB) von mehr als 24 Jahren (vgl. dagegen § 147 BGB und grunderwerbsteuerrechtlich § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), sondern auch durch die zusätzliche Bewilligung (vgl. § 873 Abs. 2 BGB) einer Auflassungsvormerkung (§ 883 Abs. 1 BGB). Mit deren Eintragung erlangte die Klägerin eine dinglich wirksame Sicherung am Grundstück selbst (§ 883 Abs. 2 BGB), wenn auch im Rang nach den bereits eingetragenen Hypotheken (§ 883 Abs. 3 BGB). Eine solche Sicherung lag nicht - wie das FG annimmt - "im Wesen derartiger - für sich übrigens nicht grunderwerbsteuerbarer - Angebote"; für die "Hingabe weiterer Mittel ... außerhalb der banküblichen Beleihungsgrenze" bot sie indessen keine weitergehende Sicherung als ein Grundpfandrecht dieses Ranges (§§ 91, 52, 44 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -).

Gleichzeitig oder bereits zuvor war der Klägerin das Grundstück zur vollen Nutzung übergeben worden. Das wäre für sich allein grunderwerbsteuerrechtlich ebenso unerheblich wie ein Pachtverhältnis, dem die Gebrauchsüberlassung wegen ihres obligatorischen Charakters ähnelt, und ein Nießbrauch, dessen gesetzlicher Regelung die Modalitäten der Gebrauchsüberlassung weitgehend angeglichen sind (vgl. §§ 1030, 1031, 1036, 1037 Abs. 1, §§ 1041, 1046, 1047, 1050 BGB) mit der Maßgabe, daß der Klägerin auch die Tilgung der Hypotheken (gegen Erstattung bei Auflösung des Vertragsverhältnisses) oblag und die fehlende dingliche Berechtigung durch die Befugnis ersetzt war, Verwaltungsmaßnahmen unmittelbar mit Wirkung gegen die Genossenschaft vorzunehmen (§§ 167, 164 Abs. 1 BGB). Diese Befugnis war für die Dauer des Vertrags unwiderruflich.

Sämtliche drei Verträge bilden in ihrer von den Vertragschließenden gewollten und im Wortlaut der Verträge zum Ausdruck kommenden Verflechtung ein einheitliches Vertragswerk, materiell-rechtlich gesehen also - unbeschadet der nur einseitigen Bindung der Genossenschaft (§§ 145, 148 BGB) an ihr Verkaufsangebot - einen einzigen Vertrag (vgl. § 155 BGB). Dem steht nicht entgegen, daß der Verkaufsantrag (§ 145 BGB) der Beurkundung bedurfte (§§ 313, 152 BGB) und nur dieser, nicht aber das ganze Vertragswerk beurkundet worden ist. Denn trotz der vorbeschriebenen Verflechtung der Verpflichtungen für die Übergangszeit war das Verkaufsangebot, das allein das Beurkundungserfordernis auslöste (§ 313 BGB), insofern selbständig, als dessen Annahme zur Auflösung der beiden anderen Verträge geführt hätte. Ein etwa gegebener Formmangel (§ 139 BGB) wäre unerheblich, nachdem die Vertragschließenden das gewollte wirtschaftliche Ergebnis der Vereinbarungen eintreten und bestehen ließen (§ 5 Abs. 3 StAnpG).

Mit dieser Maßgabe führte die Gesamtheit der Verträge zu den gleichen (nahezu denselben) rechtlichen Konsequenzen, wie wenn die Genossenschaft der Klägerin das Grundstück bei im übrigen gleichen Abreden unter Übernahme der Hypotheken und Stundung einerseits des Restkaufpreises, andererseits der Auflassungsverpflichtung (vgl. § 452 BGB) und unter (verzichtbarem) Vorbehalt des Rücktritts (§ 346 BGB) mit Ausschluß der §§ 347, 351, 352 BGB verkauft und überlassen hätte. Ebenso wie ein solcher Käufer (§ 446 Abs. 1 Satz 2 BGB) konnte die Klägerin von der Übergabe an die Nutzungen des Grundstücks ziehen (und hatte dessen Lasten zu tragen); ebensowenig wie jener war sie - von der Vormerkung (§§ 885, 888 BGB) abgesehen - an dem Grundstück dinglich berechtigt.

Der Unterschied beider Positionen besteht vor allem darin, daß der rücktrittsberechtigte Käufer zunächst einen Anspruch auf Übereignung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) erlangt (und ihn erst mit dem Rücktritt wieder verloren) hätte, während die Klägerin einen solchen Anspruch nicht hatte, sich ihn aber jederzeit durch förmliche (§ 313 BGB) einseitige Erklärung (§§ 128, 152 BGB) hätte verschaffen können. Für die "Möglichkeit", das Grundstück auf eigene Rechung zu verwerten, ist dieser formelle Unterschied aber unerheblich. § 1 Abs. 2 GrEStG stellt, indem er die rechtliche und die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit gleichsetzt, abweichend von § 1 Abs. 1 GrEStG nicht auf bestimmte (enumerierte) rechtliche Strukturen, sondern auf die in beliebiger Rechtsform herbeigeführten Befugnisse ab.

4. Demgegenüber vermißt das FG eine Beteiligung der Klägerin an der "Substanz" des Grundstücks; es glaubt, sich dazu auf die Urteile des BFH vom 10. Juni 1964 II 30/61 U (BFHE 80, 33 [40], BStBl III 1964, 486) und vom 27. Januar 1965 II 60/60 U (BFHE 82, 51 [56], BStBl III 1965, 265) berufen zu können. Indessen zeigt gerade das zweitgenannte Urteil in den Gründen, aus denen heraus es eine "Beteiligung an der Substanz" ablehnte, daß sie im vorliegenden Fall zu bejahen ist.

Die volle Substanz eines Grundstücks steht nur dem unbeschränkten Eigentümer zu. Nur er ist befugt, "mit der Sache nach Belieben zu verfahren" (§ 903 BGB), soweit nicht öffentlich-rechtliche Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) oder individuelle Rechte entgegenstehen. Er kann das Grundstück seiner rechtlichen Substanz nach durch Veräußerung, seiner realen Substanz nach durch Nutzung "verwerten"; Früchte seines Eigentums sind auch die Erträge, welche ihm das Grundstück vermöge eines Miet- oder Pachtverhältnisses gewährt (§ 99 Abs. 3 BGB). Die Gesamtheit dieser Verwertungsmöglichkeiten kann einem andern als dem Eigentümer nicht zustehen; hat ein anderer - vom Eigentümer abgeleitete - Veräußerungs- und Nutzungsbefugnisse, so bleibt dem Eigentümer doch bis zur Übertragung des Eigentums die Grundsubstanz seines Eigentumsrechts. Folglich kann § 1 Abs. 2 GrEStG unter der (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Möglichkeit, ein Grundstück "auf eigene Rechnung zu verwerten", nur eine Rechtsmacht verstehen, welche schwächer ist als die des unbeschränkten Eigentümers (so schon Ott - GrEStG § 6 Anm. 7 - zu § 6 GrEStG 1919/1927).

Dabei ergeben sich - ebenso wie beim Eigentümer - zwei Möglichkeiten der Verwertung, nämlich die Nutzung und die Veräußerung. Da mit der Veräußerung das Grundstückseigentum der Substanz nach preisgegeben wird, kommt es auf die Nutzungsbefugnis für die Zwischenzeit nicht an, wenn und soweit (vgl. dazu Beschluß des BFH vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, BStBl II 1969, 170) in der "Ermächtigung, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu veräußern" (§ 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919/1927), im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 die Verschaffung der Möglichkeit zu sehen ist, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (Urteil des BFH vom 2. Dezember 1971 II 136/65, BFHE 105, 165 [168], BStBl II 1972, 495). Umgekehrt kann wegen § 313 BGB in der anderweit begründeten Möglichkeit, das Grundstück durch Nutzung und Beteiligung an einem etwaigen Verkaufserlös - oder bei Personengesellschaften an dem Auseinandersetzungswert - zu verwerten (Urteile des BFH vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51 [56], BStBl III 1965, 265; vom 8. Dezember 1965 II 148/62, BFHE 84, 411 [413 f.], BStBl III 1966, 148; vom 10. März 1970 II R 135/68, BFHE 99, 68 [73 f.], BStBl II 1970, 522), nicht die Befugnis enthalten sein, das Grundstück zu veräußern (Urteil des BFH vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126 [129], BStBl II 1971, 278).

Diese Gegenüberstellung einer (vorwiegend rechtlichen) Verwertungsmöglichkeit durch Veräußerung und einer (vorwiegend wirtschaftlichen) Verwertungsmöglichkeit durch Nutzung und Substanzbeteiligung schließt aber - angesichts der Vertragsfreiheit des Schuldrechts - nicht aus, daß die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG), durch Umstände begründet wird, die teils dem einen, teils dem andern Bereich zugehören (vgl. zu § 6 GrEStG 1919 Urteile des RFH vom 7. November 1921 II A 498/21, RFHE 7, 181; vom 2. Dezember 1921 II A 311/21, RFHE 7, 248; vom 14. Juli 1923 II A 90/23, RFHE 12, 298).

5. Daher steht der Besteuerung des vorliegenden Falles nicht entgegen (sondern ist vielmehr charakteristisch für eine solche Fallgestaltung), daß die einzelnen Elemente der Rechtsmacht der Klägerin je für sich allein die Besteuerung nicht auslösen würden. Zwar unterliegen weder Miete, Pacht oder Nießbrauch noch ein Kaufangebot der Grunderwerbsteuer (Urteil des BFH vom 13. Februar 1968 II R 134/66, BFHE 91, 447); darüber hinaus unterliegen ihr - soweit nicht zusätzliche Momente hinzukommen - nicht einmal zweiseitige Vorverträge über einen Grundstückserwerb (Urteil des BFH vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367 [371], BStBl II 1972, 828). Bei einer Rechtsmacht dieser Art ist es hier aber nicht geblieben. Vielmehr fiel bereits das Kaufangebot mit der ungewöhnlich langen Bindungsfrist von mehr als 24 Jahren aus dem Rahmen normaler Bindungsfristen (§§ 145 ff. BGB); das Grunderwerbsteuergesetz stellt in § 17 für die Rückgängigmachung und die Herabsetzung des Kaufpreises auf zweijährige Fristen ab. Zusätzlich hat die Klägerin durch den Verwaltungsvertrag hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks eine Stellung erlangt, die sich dem Maximum der Rechtsmacht, die ein Nichteigentümer haben kann, nähert.

Für die Zwischenzeit standen der Klägerin in einer - wenn auch nur obligatorischen - nießbrauchsähnlichen Stellung die Nutzungen des Grundstücks zu. So wenig wie ein Nießbraucher war sie allerdings zu wesentlichen baulichen Änderungen befugt. Dem kann aber aus zwei Gründen kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Zum einen kann auch in den vom FG erwähnten Fällen des sog. wirtschaftlichen Einbringens unter Substanzbeteiligung (bei Auseinandersetzung) die Befugnis zu solchen Änderungen nicht enthalten oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen sein. Zum andern war eine solche Befugnis von den Zielen der Klägerin her überflüssig; sie wollte das Grundstück gerade in dem Zustand und in der Verwendungsart nutzen, in dem es sich bei Abschluß der Verträge befand. Bei Änderung ihrer Ziele war sie auf die Dauer von 24 Jahren in der Lage, diese Änderungsbefugnis durch Annahme des Kaufangebots herbeizuführen; diese Möglichkeit gab ihr auch eine günstige Position für Verhandlungen darüber, ob - falls das Kaufangebot nicht angenommen werden sollte - die Genossenschaft in solche Änderungen einwilligt.

Die Klägerin war, sofern sie den Kaufantrag nicht annahm, nur scheinbar an einem etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks nicht beteiligt. Sie hatte jederzeit - und ohne zusätzliche Bedingungen - die Möglichkeit, das Kaufangebot anzunehmen und sich damit den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks zu verschaffen. Insofern stand sie sogar günstiger als in den Fällen des sog. wirtschaftlichen Einbringens (auf die das FG abstellt), als sie einen etwaigen Wertverlust des Grundstücks nicht zu tragen brauchte, ihr aber ein etwaiger Wertzuwachs auf die Dauer von 24 Jahren gesichert war. Dieser Vorteil blieb der Klägerin selbst dann, wenn sie im weiteren Verlauf geneigt sein sollte, das Grundstück der Genossenschaft zurückzugeben.

6. Daß die Klägerin "etwaige Wertsteigerungen durch Annahme des Angebots realisieren" kann, hat das FG nicht verkannt. Dem stellt es aber gegenüber, daß bis zur Annahme des Vertragsantrags "Wertverluste ... sie nie belasten" könnten. Darauf kommt es indessen nicht an. Denn § 1 Abs. 2 GrEStG unterwirft den dort beschriebenen Vorgang der Steuer, weil es dem Erwerber den rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil einer als Verwertungsmöglichkeit qualifizierten Herrschaft über das Grundstück bringt. Versteuert wird also der Erwerb einer Machtstellung, die das Recht des Eigentümers aushöhlt. Diese Machtstellung wird nicht geringer, wenn dem Eigentümer noch ein kleinerer oder größerer Teil der Risiken oder möglichen Nachteile seines Eigentums verbleibt (vgl. Beschluß des BFH vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352 [355], BStBl II 1969, 170).

7. Die Gesamtheit der abgeschlossenen Verträge erweist sich typisch für eine Fallgestaltung, wie sie bereits den vorerwähnten Urteilen des RFH zugrunde lag. In diesen war die Möglichkeit, "über das Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen (§ 6 GrEStG 1919) jeweils aus einer Erwerbs- oder Veräußerungsmöglichkeit in Verbindung mit weitgehenden Nutzungsbefugnissen geschlossen worden. § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 hat ausweislich der amtlichen Begründung (RStBl 1940, 387 [391]) diese Fälle einbeziehen wollen (vgl. zu § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919/1927 Beschluß vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352 [354], BStBl II 1969, 170). Er ist insofern exakter gefaßt als § 6 GrEStG 1919/1927, als er die - vom bürgerlichen Recht abweichende - Verwendung des Wortes "verfügen" ebenso vermeidet wie die Zweideutigkeit des Zusatzes "wie ein Eigentümer" und sie durch die Tatbestandsbeschreibung ersetzt, daß dem Erwerber ermöglicht werde, das Grundstück "auf eigene Rechnung zu verwerten". Diese Verwertungsmöglichkeit hatte die Klägerin, wie zuvor dargelegt, erlangt.

II.

Erweist sich demnach der angefochtene Steuerbescheid dem Grunde nach als berechtigt, so kann doch die Höhe der Steuerfestsetzung nicht aufrechterhalten werden.

1. Das FA hatte als Gegenleistung den Betrag angesetzt, der - möglicherweise mit gewissen Maßgaben - beim Kauf des Grundstücks hätte angesetzt werden müssen, und das apodiktisch damit begründet, daß "bei wirtschaftlicher Betrachtung" der Kaufpreis "bereits in voller Höhe geleistet" sei. Indessen trifft das - auch "wirtschaftlich" betrachtet - nicht zu. Denn durch die Übernahme des "Zinsendienstes" für die Hypotheken hat die Klägerin diese weder übernommen noch getilgt; die Gewährung eines zinslosen Darlehens ist rechtlich (§ 607 Abs. 1 BGB) und wirtschaftlich etwas anderes als eine Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB).

Die Gegenleistung für den Erwerb der Verwertungsmöglichkeit (§ 1 Abs. 2 GrEStG) ist nicht identisch mit dem Preis, der bei Annahme des Kaufantrags von der Klägerin (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) als Kaufpreis (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) zu zahlen wäre (zum Verhältnis beider vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG). Sie kann nur aus dem Wert dessen errechnet werden, was die Klägerin dafür aufgewendet hat, daß ihr im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht wurde, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

2. Eine solche Gegenleistung ist nicht zu ermitteln.

In einem gewissen Sinne könnten zwar die Gewährung des zinslosen Darlehens (die Zinslosigkeit des Darlehens) und die Übernahme des Zinsendienstes für die Hypotheken (genauer: der Tilgung der Zinsen einer Hypothek und der laufenden sog. "Verwaltungskosten" bei zwei anderen) sowie die Tragung der - insbesondere öffentlich-rechtlichen - Grundstückslasten als Gegenleistung angesehen werden. Diese Leistungen korrespondieren aber ersichtlich nicht der Verwertungsmöglichkeit im ganzen; sie reichen dem Betrag nach nicht oder nicht wesentlich über das hinaus, was in einem langfristigen Mietverhältnis als Miete zu vereinbaren gewesen wäre. Damit erfassen sie nur einen - für sich allein unerheblichen - Teil dessen, was erst in seiner Gesamtheit die Verwertungsmöglichkeit der Klägerin ergibt. Diese Leistungen gelten also nicht die erworbene Verwertungsmöglichkeit als solche ab. Eine Gegenleistung für diese ist, sofern vorhanden, nicht zu ermitteln.

3. Dabei geht es nicht darum, daß eine dem Grunde oder dem Umriß nach bekannte Gegenleistung nicht genau ermittelt werden könnte, sondern darum, daß nach Art und Inhalt der getroffenen Vereinbarungen eine Gegenleistung für das, was als Erwerb im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG der Besteuerung unterliegt, schlechthin nicht ermittelbar ist (vgl. zur nicht vorhandenen Gegenleistung im Fall des § 1 Abs. 2 Nr. 6 Urteil des BFH vom 6. Mai 1969 II 131/64, BFHE 96, 201 [204], BStBl II 1969, 595). Die - sofern vorhanden - nicht erkennbare Gegenleistung entzieht sich daher einer Schätzung (§ 217 AO). Die Steuer ist demzufolge gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vom Wert des Grundstücks zu berechnen. Dabei ist - da einer der Fälle des § 12 Abs. 2 bis 4 GrEStG nicht vorliegt - als Wert des Grundstücks zufolge § 12 Abs. 1 GrEStG dessen Einheitswert anzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70793

BStBl II 1974, 251

BFHE 1974, 360

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