Leitsatz (amtlich)

1. Verfaßt ein Schriftsteller einen Roman im Inland und vergibt er 13 Jahre später, nachdem er seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt hat, die Verfilmungsrechte an dem Roman an eine inländische Filmverlagsgesellschaft zur Verwertung im Inland, so unterliegen die Einkünfte aus dem Verfilmungsvertrag einer Quellensteuer gemäß § 50a Abs.4 Satz 3 EStG nur in Höhe von 15 v.H.

2. § 50a Abs.4 Satz 2 EStG (*= Quellensteuer in Höhe von 25 v.H.) fände Anwendung, wenn die schriftstellerische Tätigkeit nicht im Inland ausgeübt worden wäre.

 

Orientierungssatz

1. Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit sind nicht nur die aus einem konkreten Auftragsverhältnis herrührenden Vergütungen, sondern auch Einnahmen aus einer späteren Verwertung des hergestellten Werkes, die sich im Hinblick auf den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG bestehenden Schutz regelmäßig in der Verwertung des dem Autor zustehenden Urheberrechts durch Einräumung von Nutzungsrechten vollzieht und damit den Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit nicht überschreitet (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Eine selbständige Tätigkeit wird in erster Linie dort ausgeübt, wo sich die ausübende Person physisch aufhält und die Berufstätigkeit persönlich entfaltet. Für die Bestimmung des Ausübungsortes muß allerdings auch die Art der Tätigkeit berücksichtigt werden. Bei einem Schriftsteller ist der Ort maßgebend, an dem die schöpferische Leistung erbracht, d.h. die Texte verfaßt werden. Diese für die Auslegung des in den DBA verankerten Arbeitsortsprinzips entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Anwendung des Ausübungstatbestandes in § 49 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 EStG.

3. Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit knüpft die beschränkte Steuerpflicht in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG alternativ an die Merkmale der Ausübung und der Verwertung einer Tätigkeit im Inland an. Stammen die Einkünfte aus einer selbständigen Arbeit, die im Inland sowohl ausgeübt als auch verwertet wird oder worden ist, so bleibt für den Verwertungstatbestand kein Raum. Letzterer hat nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit durch eine zusätzliche Handlung im Inland verwertet wird (vgl. BFH-Rechtsprechung zur entsprechenden Auslegung des Verwertungstatbestands bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit).

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50a Abs. 4 Sätze 3, 2, § 49 Abs. 1 Nr. 4, § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 06.07.1983; Aktenzeichen I 337/79-E)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die als Filmverlagsgesellschaft die Herstellung von Kinofilmen betreibt, erwarb mit Vertrag vom 21.April 1975 nebst Nachtrag vom 23.April 1975 von dem S die Verfilmungsrechte an dem Roman "...........".

S, der bei Abschluß des Verfilmungsvertrages seinen Wohnsitz im Ausland hatte, hatte den Roman im Inland geschrieben, als er hier noch unbeschränkt steuerpflichtig war, und die Verlagsrechte am 26.November 1961 an den X-Verlag übertragen.

Für die Übertragung der Weltverfilmungsrechte war eine Vergütung von insgesamt 200 000 DM vereinbart, die die Klägerin in den Jahren 1975 bis 1977 in Teilbeträgen an S ausbezahlte, ohne die Abzugsteuer nach § 50a Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzubehalten.

Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte --das Finanzamt (FA)-- gegen die Klägerin einen auf § 50a Abs.5 EStG, § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) gestützten Haftungsbescheid, in dem er den Haftungsbetrag auf 50 000 DM (25 v.H. von 200 000 DM) festsetzte.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Herabsetzung der Haftungsschuld auf 30 000 DM unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 15 v.H. nach § 50a Abs.4 Satz 3 EStG begehrte, hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 126 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 50a Abs.4 Satz 3 EStG.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des FG München vom 6.Juli 1983 und des Haftungsbescheids vom 19.September 1978 sowie der Einspruchsentscheidung vom 14.August 1979 die Haftungsschuld auf 30 000 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des Haftungsbescheides (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die von der Klägerin an S gezahlte Vergütung unterliegt lediglich einer Abzugsteuer in Höhe von 15 v.H. gemäß § 50a Abs.4 Satz 3 EStG. Denn es handelt sich um Einkünfte aus einer Tätigkeit, die im Inland ausgeübt worden ist.

1. Der im Ausland wohnhafte S, der in den Jahren 1975 bis 1977 im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ist mit den aus der Einräumung der Verfilmungsrechte erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs.3, § 49 Abs.1 Nr.3 EStG. Inländische Einkünfte sind hiernach Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.

Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs.1 Nr.1 EStG die Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit. Einkünfte aus dieser Tätigkeit sind nicht nur die aus einem konkreten Auftragsverhältnis (Dienst-, Werk-, Verlagsvertrag o.ä.) herrührenden Vergütungen, sondern auch Einnahmen aus einer späteren Verwertung des hergestellten Werkes (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Februar 1966 IV 243/63, BFHE 85, 414, BStBl III 1966, 450 für GEMA-Zahlungen, und vom 9.Februar 1967 IV 291/64, BFHE 88, 166, BStBl III 1967, 310), die sich im Hinblick auf den nach § 2 Abs.1 Nr.1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) bestehenden Schutz regelmäßig in der Verwertung des dem Autor zustehenden Urheberrechts durch Einräumung von Nutzungsrechten vollzieht und damit den Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit nicht überschreitet (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11.Mai 1976 VIII R 111/71, BFHE 119, 253, BStBl II 1976, 641).

Auch die der Klägerin übertragenen Verfilmungsrechte sind Bestandteil des dem S als Werkschöpfer zustehenden Urheberrechts. S hat der Klägerin in dem Vertrag vom 21.April 1975 das Recht eingeräumt, den Roman unter Bearbeitung oder Umgestaltung zur Herstellung eines Filmwerkes zu benutzen (vgl. § 88 Abs.1 Nr.1 UrhG). Es handelt sich hierbei um eine Nutzungsrechtseinräumung an einem vorbestehenden Werk, die einer Verwertungsrechtsübertragung nach § 23 UrhG entspricht (vgl. v.Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 88 Anm.4).

Zwar liegt in der Übertragung der urheberrechtlichen Befugnisse zugleich eine zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten (schriftstellerischen Urheberrechten) i.S. des § 21 Abs.1 Nr.3 EStG. Die hierfür gezahlten Vergütungen rechnen jedoch nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil dieser Tatbestand durch § 18 EStG verdrängt wird (§ 21 Abs.3 EStG; vgl. auch Littmann/Grube, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 21 Anm.25).

2. Bei den Einkünften aus selbständiger wie auch aus nichtselbständiger Arbeit knüpft die beschränkte Steuerpflicht in § 49 Abs.1 Nr.3 und 4 EStG alternativ an die Merkmale der Ausübung und der Verwertung einer Tätigkeit im Inland an. Das Gesetz enthält weder eine nähere Erläuterung dieser Begriffe noch eine Abgrenzung der Tatbestandsalternativen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift macht jedoch deutlich, daß das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung den Grundtatbestand darstellt.

Nach der ursprünglichen Fassung der Vorgängervorschrift des § 3 Abs.2 Nr.4 EStG 1925 zählten zu den inländischen Einkünften eines beschränkt Steuerpflichtigen nur die Einkünfte aus einer im Inland ausgeübten selbständigen Berufstätigkeit. Durch die Notverordnung vom 8.Dezember 1931 (RGBl I 1931, 699, 736) wurde die Vorschrift auf Einkünfte erweitert, die im Inland verwertet werden. Der Verwertungstatbestand wurde für die nichtselbständige Arbeit erst durch das EStG 1934 eingeführt. In der Begründung zum EStG 1934 (RStBl 1935, 33, 59) ist hierzu ausgeführt, daß Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch dann steuerpflichtig sein sollen, wenn sie nicht im Inland ausgeübt, aber dort verwertet wird. In diesem Bereich hätten sich Unzulänglichkeiten dadurch ergeben, daß nach bisherigem Recht Einkünfte aus literarischer Arbeit, die in Deutschland lediglich verwertet worden sei, nur bei einem freien, nicht jedoch bei einem angestellten Schriftsteller steuerpflichtig seien.

Die Begründung zeigt, daß der Gesetzgeber den Verwertungstatbestand auf die Fälle beschränken wollte, in denen das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung im Inland nicht erfüllt ist. Beide Tatbestände stehen damit nur scheinbar gleichwertig nebeneinander. Stammen die Einkünfte aus einer selbständigen Arbeit, die im Inland sowohl ausgeübt als auch verwertet wird oder worden ist, so bleibt für den Verwertungstatbestand kein Raum. Letzterer hat nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit durch eine zusätzliche Handlung im Inland verwertet wird.

Diese Auslegung des Verwertungstatbestandes entspricht der Auffassung, die der Senat in den Urteilen vom 12.11.1986 I R 38/83 (BFHE 148, 289), I R 320/83 (BFHE 148, 299) und I R 69/83 (BFHE 148, 295) für die Verwertung nichtselbständiger Arbeit nach § 49 Abs.1 Nr.4 EStG vertreten hat.

3. Die streitigen Einkünfte rühren aus einer von der Klägerin im Inland ausgeübten Tätigkeit her. Nach den Feststellungen des FG hat S den zur Verfilmung vorgesehenen Roman in den Jahren 1960/1961 in der Bundesrepublik Deutschland verfaßt und damit seine schriftstellerische Tätigkeit im Inland ausgeübt. Denn eine selbständige Tätigkeit wird in erster Linie dort ausgeübt, wo sich die ausübende Person physisch aufhält und die Berufstätigkeit persönlich entfaltet (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 29.Januar 1935 I A 244/32, RStBl 1935, 759). Allerdings muß für die Bestimmung des Ausübungsortes auch die Art der Tätigkeit berücksichtigt werden (Beschluß des Großen Senates des BFH vom 15.November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68). Bei einem Schriftsteller hat der erkennende Senat den Ort für maßgebend erachtet, an dem die schöpferische Leistung erbracht, d.h. die Texte verfaßt werden (Urteil vom 28.Februar 1973 I R 145/70, BFHE 109, 224, BStBl II 1973, 660). Diese für die Auslegung des in den Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Arbeitsortsprinzips (vgl. Art.14 Abs.1 OECD-Musterabkommen) entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Anwendung des Ausübungstatbestandes in § 49 Abs.1 Nr.3 und 4 EStG.

4. Der Ausübungstatbestand des § 49 Abs.1 Nr.3 EStG kann im Streitfall auch nicht deshalb durch den Verwertungstatbestand verdrängt werden, weil zwischen Ausübung der Tätigkeit und Zahlung der Vergütung eine Zeitspanne von mehr als dreizehn Jahren besteht.

Zum einen liegt es in der Natur schriftstellerischer Tätigkeit, daß sich der Zeitraum von Beginn der Tätigkeit bis zu einer etwaigen wirtschaftlichen Nutzung über viele Jahre erstrecken kann (vgl. BFH-Urteil vom 14.März 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424 für den Fall des freien Erfinders). Zum anderen stellt § 49 Abs.1 Nr.3 EStG lediglich darauf ab, daß im Inland eine selbständige Arbeit ausgeübt wird oder worden ist. Die Vorschrift setzt entgegen der Ansicht des FG nicht voraus, daß die Vergütung unmittelbar als wirtschaftliche Gegenleistung für die Ausübung der Tätigkeit gezahlt wird.

Unerheblich ist schließlich, ob die Art der "Verwertung" im Zeitpunkt der Ausübung bereits vorhersehbar war. Es kommt lediglich darauf an, ob sich die wirtschaftliche Nutzung im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit vollzieht, was im Streitfall zu bejahen ist (vgl. unter 1.).

5. Der Steuerabzug für die im Inland ausgeübte Tätigkeit beträgt nach § 50a Abs.4 Satz 3 EStG 15 v.H. Die Anwendung dieses ermäßigten Steuersatzes scheitert nicht daran, daß S bei Schaffung des Romans unbeschränkt steuerpflichtig war und die durch seine schriftstellerische Tätigkeit veranlaßten Ausgaben bei den damaligen Veranlagungen zur Einkommensteuer in vollem Umfang geltend machen konnte. Eine mögliche Begünstigung des S ist Folge des Systemwechsels von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht. Im übrigen würde auch bei Anwendung des Steuersatzes des § 50a Abs.4 Satz 2 EStG die mehrfache Berücksichtigung von Betriebsausgaben nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.

6. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

Die im Haftungsbescheid vom 19.September 1978 festgesetzte Haftungsschuld ist unter Zugrundelegung eines Abzugsteuersatzes von 15 v.H. auf 30 000 DM herabzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61428

BStBl II 1987, 372

BFHE 148, 453

BFHE 1987, 453

BB 1987, 533

BB 1987, 533-533 (ST)

DB 1987, 720-721 (ST)

DStR 1987, 232-232 (S)

HFR 1987, 245-246 (ST)

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