Entscheidungsstichwort (Thema)

Subjektive Gewerbesteuerpflicht bei der atypischen stillen Gesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Eine atypische stille Gesellschaft kommt nicht als ,,Steuerschuldner" i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1965 in Betracht. Die atypische stille Gesellschaft kann auch nicht Beteiligte eines Steuerprozesses sein, in dem es um die Rechtmäßigkeit eines Gewerbesteuer- oder Gewerbesteuermeßbescheides geht.

 

Normenkette

FGO § 57; GewStG 1965 § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, an deren Stammkapital die Gesellschafter A und B beteiligt sind. A und B sind zugleich Geschäftsführer der Klägerin; außerdem sind sie am Vermögen der Klägerin mit Vermögenseinlagen von 150 000 DM (A) und 50 000 DM (B) als stille Gesellschafter beteiligt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat das stille Gesellschaftsverhältnis im Einvernehmen mit der Klägerin und den Gesellschaftern A und B als Mitunternehmerschaft (atypische stille Gesellschaft) behandelt.

A und B sind ferner alleinige Gesellschafter der A & B OHG. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, daß zwischen der Klägerin und der OHG in den Streitjahren eine Betriebsaufspaltung bestand. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der atypischen stillen Gesellschaft kam das FA zu der Auffassung, daß bei der Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals Hinzurechnungen vorzunehmen seien.

Den zusammengefaßten einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid für die Jahre 1972 bis 1976 richtete das FA an die X-GmbH (atyp. stille Bet.) ,,z. Hd. der Geschäftsleitung".

Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auch die Klage blieb im wesentlichen erfolglos.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und die Gewerbesteuermeßbescheide 1972 bis 1976 aufzuheben, hilfsweise, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide in der Weise zu ändern, daß die strittigen Hinzurechnungen beim Gewerbeertrag und Gewerbekapital unterbleiben. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Der Senat legt die Klageschrift und die Revision dahin aus, daß sie namens der X-GmbH eingereicht worden sind.

Die atypische stille Gesellschaft, gegen die sich die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide und die Einspruchsentscheidung richteten (s. unten unter 3.) und die vom FG als Klägerin angesehen worden ist, kann nicht Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein, in dem es um die Rechtmäßigkeit eines Gewerbesteuer- oder Gewerbesteuermeßbescheides geht. Wegen der Begründung nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil in der Sache VIII R 364/83 vom heutigen Tage (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311).

Der Senat hat keine Bedenken, als Klägerin und Revisionsklägerin allein die GmbH als Inhaberin des Handelsgeschäfts anzusehen. Dafür spricht auch der Umstand, daß die im Revisionsverfahren vorgelegte Vollmacht auf einem Briefbogen der GmbH ausgestellt und von dem Geschäftsführer der GmbH mit dem Zusatz ,,X-GmbH" unterzeichnet worden ist.

2. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide. Die angefochtenen Bescheide können keinen Bestand haben, weil sie gegen ein Rechtsgebilde erlassen wurden, das nicht als Adressat eines Gewerbesteuer- oder Gewerbesteuermeßbescheids in Betracht kommt. Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Urteilsgründe in der Sache VIII R 364/83 (s. dort unter IV.).

3. Im vorliegenden Fall wollte das FA durch den zusammengefaßten Gewerbesteuermeßbescheid erkennbar die atypische stille Gesellschaft als solche als Schuldnerin der Gewerbesteuer in Anspruch nehmen. Das ergibt sich nicht nur aus der Adressierung des Bescheids, sondern auch aus der Angabe der Steuernummer der Mitunternehmerschaft und aus der Bezugnahme auf den Bericht über die Betriebsprüfung bei der atypischen stillen Gesellschaft. Auch die Einspruchsentscheidung, die gegen die ,,X-GmbH & atypische stille Gesellschaft" ergangen ist, läßt erkennen, daß das FA die Mitunternehmergemeinschaft als Steuerschuldnerin ansah.

Die Adressierung des Gewerbesteuermeßbescheids kann nicht dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden, daß das FA die Klägerin persönlich als Schuldnerin der Gewerbesteuer in Anspruch nehmen wollte. Zu einer solchen Auslegung berechtigt nicht schon der Umstand, daß der Name der Klägerin in der Anschrift genannt und daß ihr der Bescheid bekanntgegeben worden ist. Vielmehr ist nach den gesamten Umständen davon auszugehen, daß dadurch lediglich die Mitunternehmergemeinschaft näher bestimmt werden sollte.

Auch wenn nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, daß das FA die Klägerin persönlich zur Gewerbesteuer heranziehen wollte, ist diese Absicht im angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zum Ausdruck gekommen. Wird jedoch der Steuerschuldner im Bescheid falsch oder so ungenau bezeichnet, daß Verwechslungen nicht auszuschließen sind, so ist der Steuerbescheid unwirksam (BFH-Urteil vom 22. Juni 1983 I R 55/80, BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414245

BFH/NV 1987, 393

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