Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die sogenannte "gezahlte Führungsprovision" beim offenen Mitversicherungsgeschäft ist eine Schuld der mitversichernden Gesellschaft, nicht ihres Versicherungsvertreters. Sie unterliegt daher beim Vertreter der mitversichernden Gesellschaft nicht der Umsatzsteuer.

 

Normenkette

UStG § 5 Abs. 3, § 10/1

 

Tatbestand

In Streit befangen ist nur noch die Frage, ob die von der Bfin. im offenen (externen) Mitversicherungsgeschäft gezahlten sogenannten Führungsprovisionen der Umsatzsteuer unterliegen oder ob es sich insoweit um durchlaufende Posten handelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Sach- und Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar:

Unstreitig schuldet beim Mitversicherungsgeschäft, bei dem keine Versicherungsvertreter eingeschaltet sind (sogenanntes Direktgeschäft), die führende Versicherungsgesellschaft den mitbeteiligten Versicherungsgesellschaften die bei der Begründung und Abwicklung der Versicherungsverträge anfallenden Verwaltungsaufgaben (Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung der Sammelversicherungsscheine, Einziehung der Prämien, gegebenenfalls Regulierung von Schäden usw.), während die mitbeteiligten Gesellschaften der führenden Gesellschaft die vereinbarte oder handelsübliche Führungsprovision schulden. Während zwischen den Versicherern und den Versicherungsnehmern Versicherungsverträge abgeschlossen werden, kommt zwischen den beteiligten Versicherern kraft ausdrücklicher Vereinbarungen oder durch konkludente Handlungen ein Beteiligungs- und Führungsvertrag zustande. Bedienen sich die Versicherer zur Erledigung der im Versicherungsgeschäft anfallenden Arbeiten selbständiger Versicherungsvertreter, so schließen die Versicherer mit den Vertretern sogenannte Vertreter- (Agentur) verträge. Die Versicherungsvertreter erledigen als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB die ihnen übertragenen Arbeiten grundsätzlich im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber. Es ist nicht einzusehen, warum das anders sein soll, wenn die Versicherungsvertreter statt im Einzelversicherungsgeschäft im Mitversicherungsgeschäft tätig werden. Daß sie über einen anderen Versicherungsvertreter einen geeigneten Mitversicherer aussuchen und mit dem Berufskollegen die Führungsprovision aushandeln, ist nichts Ungewöhnliches und kann sich durchaus im Rahmen ihrer Vermittlertätigkeit, mithin im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber abspielen. Es wäre im Gegenteil ungewöhnlich, wenn die Versicherungsvertreter als geborene Vermittler beim Zustandebringen des Beteiligungs- und Führungsvertrages und bei der Vereinbarung der damit zusammenhängenden Führungsprovision aus ihrer Vermittlerrolle heraustreten und miteinander unter Ausschaltung ihrer Auftraggeber Eigengeschäfte abschließen würden. Um das annehmen zu können, müßten ganz besondere hierfür sprechende Beweisanzeichen festzustellen sein.

Als ein solches Beweisanzeichen käme in Betracht, daß die führende Versicherungsgesellschaft ihrem Vertreter die volle Führungsprovision überläßt und andererseits die mitbeteiligte Versicherungsgesellschaft die volle Führungsprovision auf ihren Vertreter abwälzt. Das kann aber zwanglos damit erklärt werden, daß der Vertreter der führenden Gesellschaft die mit der Führung zusammenhängende Mehrarbeit, die sonst sie zu leisten hätte, in vollem Umfange abnimmt und andererseits der Vertreter der mitbeteiligten Gesellschaft von Arbeit entlastet wird, die bei der Einzelversicherung ihm obliegt. Es ist nur natürlich, daß die Führungsprämie als Tätigkeitsvergütung (Arbeitsprovision) seitens der beteiligten Versicherungsgesellschaften demjenigen zugewendet wird, der die Mehrarbeit zu leisten hat, und demjenigen auf seine Provision angerechnet wird, auf den entsprechend weniger an Arbeit entfällt.

Die Annahme, die mitversichernde Gesellschaft zahle ihrem Versicherungsvertreter die ihm bei Einzelversicherungsverträgen zustehende volle Provision und dieser leite die ohne Beteiligung seiner Gesellschaft ausgehandelte Führungsprovision unmittelbar an den Vertreter der führenden Gesellschaft weiter, ist eine Konstruktion, die der Wirklichkeit nicht entspricht. Tatsächlich wird in aller Regel die Führungsprovision vom Vertreter der führenden Gesellschaft (sofern er Inkassoagent ist) im Aufrechnungswege schon bei der Abführung des Prämienanteils der mitbeteiligten Gesellschaft an deren Vertreter einbehalten, und dieser behält bei der Weiterleitung des gekürzten Prämienanteils an die mitbeteiligte Gesellschaft seinerseits seine um die Führungsprovision gekürzte Vertreterprovision ein. Dieser Vorgang spielt sich im Einvernehmen aller Beteiligten ab.

Eine gewisse Verwirrung ist durch die Buchungsweise der Bfin. ausgelöst worden. Obwohl bei ihr für die mitbeteiligten Versicherungsgesellschaften nur die um die Führungsprovisionen gekürzten Prämienanteile eingegangen waren, hat sie die vollen Prämienanteile verbucht und davon zu ihren Gunsten die vollen Vertreterprovisionen (nicht von den verminderten Prämienanteilen die verminderten Provisionen) abgesetzt. Der Einwand der Bfin., sie habe diese Art der Verbuchung lediglich mit Rücksicht auf die Vorschriften des Bundesaufsichtsamtes über die Rechnungslegungen gewählt, denen das Prinzip der Bruttoprämien zugrunde liege, erscheint glaubhaft. Eine besondere Buchungsart, die aus Gründen der Vereinfachung, des klareren überblicks oder einer besseren Beaufsichtigung angewandt wird, vermag die Rechtslage nicht zu beeinflussen.

Etwa noch bestehende Zweifel, ob der Vertreter der mitversichernden Gesellschaft - wie beim Einzelversicherungsgeschäft - grundsätzlich auch im Mitversicherungsgeschäft und beim Abschluß des Führungsvertrages im Namen und für Rechnung einer Auftraggeberin auftritt, werden behoben, wenn man die Rechtslage untersucht, die sich beim Ausscheiden des Versicherungsvertreters aus irgendeinem Grunde (z. B. infolge Todes oder Konkurses oder fristloser Kündigung) ergibt. In einem solchen Falle bleibt - wie die Bfin. unwidersprochen behauptet hat - der Mitversicherungs- und Führungsvertrag, so wie er zwischen den Versicherungsvertretern vereinbart worden ist, in vollem Umfange bestehen; der mitversichernden Gesellschaft wird von ihrem Prämienanteil nach wie vor die volle Führungsprovision abgezogen. Nicht anders dürfte es sein, wenn der Vertreter der führenden Gesellschaft ausscheidet und diese die Führungsaufgaben selbst übernimmt. Hier zeigt sich deutlich, daß die Führungsprovision eine Schuld bzw. Forderung der beteiligten Gesellschaften, nicht ihrer Versicherungsvertreter ist. Eine Schuld- oder Erfüllungsübernahme seitens der Bfin. hat nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Führungsaufgaben und der Führungsprovision sind nur zwischen den beteiligten Gesellschaften Rechtsbeziehungen zustande gekommen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411432

BStBl III 1965, 129

BFHE 1965, 361

BFHE 81, 361

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