Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Haushaltsführung bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Ein eigener Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird; eine Wohnung wird auch dann aus abgeleitetem Recht genutzt, wenn diese zwar allein vom Lebenspartner des Steuerpflichtigen angemietet wurde, der Steuerpflichtige sich aber mit Duldung seines Partners dauerhaft dort aufhält und sich finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, dass daraus auf eine gemeinsame Haushaltsführung geschlossen werden kann (Fortführung der Rechtsprechung im Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung gegeben sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in der Zeit von 1972 bis Januar 1978 in X als Montagetechniker im Außendienst an ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigt. Er lebt seit November 1974 mit seiner Lebensgefährtin (L), einer Österreicherin, in Y/Tirol zusammen. Weil der Kläger kein österreichischer Staatsbürger ist, wurde der Mietvertrag für die Wohnung auf den Namen der L abgeschlossen. L ist Hausfrau und hat zwei Kinder von ihrem verstorbenen Ehemann; sie bezieht nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) eine Witwen- und Waisenrente.

Im Januar 1977 meldete der Kläger seinen Wohnsitz in Y an; gleichzeitig war er noch bis August 1984 in D in der Wohnung seiner Eltern gemeldet. Seit Februar 1978 ist der Kläger nicht mehr an wechselnden Einsatzstellen tätig, sondern nur noch in M. Im April 1978 wurde die gemeinsame Tochter des Klägers und der L geboren. Im Dezember 1979 meldete der Kläger seinen Hauptwohnsitz in M an. Nach seinem Vortrag im Klageverfahren handelt es sich bei dieser Wohnung um ein 7 qm großes Zimmer, das ihm lediglich als Schlafstelle dient.

In seinen Steuererklärungen machte der Kläger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Aufforderung zur Vorlage von Belegen über die Bezahlung der Miete für die Wohnung in Y kam der Kläger nicht nach. Er teilte mit, dass die Mietzahlung aus den Einkommensverhältnissen abgeleitet werden könne. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre nicht an.

Die Einsprüche des Klägers hatten nur teilweise Erfolg. Berücksichtigt wurden lediglich die Kosten für die Fahrten zwischen der Wohnung in Y, die auch das FA für den Lebensmittelpunkt des Klägers hielt, und der Arbeitsstätte in M nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine doppelte Haushaltsführung liege jedoch nicht vor, weil der Kläger in Y keinen eigenen Hausstand unterhalte. Denn er habe trotz Nachfrage kein eigenes Recht an der Wohnung dargetan.

Mit der Klage beantragte der Kläger, die für die Streitjahre geltend gemachten Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen. Das FG wies die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der Einspruchsentscheidung ab und führte zusätzlich aus, dass den Kläger gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine gesteigerte Mitwirkungspflicht treffe, weil es sich um einen Auslandssachverhalt handle.

Mit der Revision trägt der Kläger vor, die Wohnung in Y sei als eigener Hausstand anzusehen. Er nutze sie seit dem Einzug im Jahre 1974 zumindest aus abgeleitetem (eigenem) Recht, zumal er die laufenden Kosten der Wohnung überwiegend bestreite. Eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung des Klägers sei aber auch dann anzuerkennen, wenn man im Streitfall eine Nutzung der Wohnung in Y aus eigenem Recht verneine. Denn die gemeinsame Tochter des Klägers und L sei als "abhängige Zurechnungsperson" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (zuletzt Urteil vom 10. Oktober 1991 VI R 44/90, BFHE 166, 68, BStBl II 1992, 237) anzusehen, so dass ein eigener Hausstand des Klägers bereits deshalb zu bejahen sei. Daran habe sich durch das BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) nichts geändert. In diesem Urteil sei lediglich auf das Erfordernis eines hauswirtschaftlichen Lebens in der Wohnung auch während der berufsbedingten Abwesenheit des Steuerpflichtigen verzichtet worden, um die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung Lediger zu erleichtern; dies habe nicht zur Verschärfung der Voraussetzungen in den Fällen führen sollen, in denen bereits eine "abhängige Zurechnungsperson" vorhanden sei.

Der Kläger beantragt, die angefochtenen Bescheide unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz dahin zu ändern, dass Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung für 1986 in Höhe von 6 368 DM, für 1987 in Höhe von 6 520 DM, für 1988 in Höhe von 6 520 DM, für 1989 in Höhe von 6 520 DM und für 1991 in Höhe von 6 328 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es verneint einen eigenen Hausstand des Klägers in Y, weil dieser die Wohnung der L nicht aus eigenem Recht genutzt habe. Ein solches Recht ergebe sich nicht schon aus der tatsächlichen Mitbenutzung unter Duldung der Berechtigten. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er die Haushaltsführung in Y mitbestimmt habe, zumal der Hauptwohnsitz in D bis in das Jahr 1984 beibehalten worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

2. Nach dem Senatsurteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 kann der erforderliche eigene Hausstand auch unabhängig vom Vorhandensein einer "abhängigen Zurechnungsperson" in der bisherigen Wohnung unterhalten werden, wenn der Steuerpflichtige dort seinen Lebensmittelpunkt beibehält und sich dort regelmäßig aufhält, wenn auch jeweils mit Unterbrechungen durch die berufs- bzw. urlaubsbedingte Abwesenheit.

a) Weil die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen ―gerade bei nicht verheirateten Steuerpflichtigen― im Einzelfall schwierig sein kann, fordert der Senat für die Annahme eines eigenen Hausstandes, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird; der Hausstand muss vom Arbeitnehmer "unterhalten" bzw. mitunterhalten werden. So ist eine zusammen mit anderen Personen bewohnte Wohnung kein "eigener" Hausstand, wenn der Arbeitnehmer die Hausstandsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Hausstand (z.B. in den der Eltern oder als Gast) eingegliedert ist. Andererseits wird eine Wohnung auch dann aus abgeleitetem Recht genutzt, wenn diese zwar formal allein vom Lebenspartner des Steuerpflichtigen angemietet wurde, der Steuerpflichtige sich aber mit Duldung seines Partners dauerhaft dort aufhält und sich finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt, dass daraus auf eine gemeinsame Haushaltsführung geschlossen werden kann.

b) Die Feststellung, ob der eigene Hausstand gegenüber der Wohnung am Beschäftigungsort der "Haupthausstand" ist, erfordert eine Gesamtwürdigung anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Gerade hier kann das Vorhandensein von abhängigen Zurechnungspersonen ein wesentliches Indiz für den Lebensmittelpunkt sein. Ebenfalls zu berücksichtigen sind Größe und Ausstattung der Unterkunft am Beschäftigungsort.

3. Im Streitfall reichen die Feststellungen des FG nicht aus, um entscheiden zu können, ob der Kläger in Y einen eigenen Hausstand unterhalten hat.

a) Nicht näher belegt ist der Vortrag des Klägers, bei der Unterkunft am Beschäftigungsort habe es sich um ein 7 qm großes Zimmer gehandelt, das lediglich als Schlafstelle gedient habe. Dennoch sieht das FA die Wohnung in Y als Lebensmittelpunkt des Klägers an, wie sich aus der Anerkennung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ergibt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Der erkennende Senat hält diese Würdigung für möglich, zumal das gemeinsame Kind des Klägers und der L in der Wohnung in Y lebt.

b) Der Kläger hat zwar vorgetragen, die Kosten der Wohnung in Y getragen zu haben, dies ist aber vom FG nicht festgestellt. Für die Richtigkeit dieses Vortrags können zwar die Einkommensverhältnisse des Klägers und der L sprechen, die neben der Witwen- bzw. Waisenrente unstreitig keine weiteren Einkünfte hatte. Da aber tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen, wird das FG solche ―ggf. durch Einvernahme der L als Zeugin― nachzuholen haben.

4. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich bei der Wohnung in Y um einen eigenen Hausstand des Klägers handelt, bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine Zweifel an der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung. Denn die Begründung des Hausstands am Beschäftigungsort in M im Jahre 1979 war durch seine berufliche Tätigkeit bei der Firma in M nach Beendigung seiner Einsatzwechseltätigkeit im Jahre 1978 veranlasst.

5. Schließlich fehlen hinreichende Feststellungen zur Höhe des Verpflegungsmehraufwands ebenso wie zu den geltend gemachten Übernachtungskosten. Auch diese Feststellungen wird das FG nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510283

BFH/NV 2001, 247

BStBl II 2001, 29

BFHE 193, 282

BFHE 2001, 282

BB 2001, 33

BB 2001, 868

DB 2001, 238

DStR 2000, 2182

DStRE 2001, 71

DStZ 2001, 86

HFR 2001, 241

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