Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek stellt eine der eingetragenen Hypothek gleichzustellende unmittelbare dingliche Sicherung einer Forderung oder eines Rechtes im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG dar.

Gewahrsam im Sinne des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG können auch Banken an Bankguthaben des Erblassers haben.

Für die Haftung ist es entscheidend, daß der Gewahrsam im Zeitpunkt der überweisung in das Ausland besteht; deshalb ist es unerheblich, ob das Guthabenkonto bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bei dem Gewahrsamsinhaber bestand oder erst nachträglich bei ihm eröffnet wurde, vorausgesetzt nur, daß es sich auch insoweit um Nachlaßvermögen handelt.

Zur Frage der erbschaftsteuerrechtlichen Zurechnung des in einem sogenannten Anderkonto verkörperten Nachlaßvermögens.

Im Falle des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG genügt für die Möglichkeit der Haftung jede Art von Verschulden, also auch leichte Fahrlässigkeit. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Bank (zumal eine Großbank) wegen Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt als Haftende gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG in Anspruch genommen werden kann.

 

Normenkette

ErbStG § 15 Abs. 6 S. 2; BewG § 77 Abs. 2 Ziff. 6, § 121/2/6

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob eine Forderung, zu deren Sicherung eine Vormerkung auf Eintragung einer Sicherungshypothek an einem inländischen Grundstück eingetragen ist, Inlandsvermögen im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG ist und unter welchen Voraussetzungen eine Bank gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG (1951) als Haftende in Anspruch genommen werden kann.

I. - Im Dezember 1955 verstarb A. R. in X., N. Y., USA; testamentarischer Alleinerbe wurde der Farmer A. in X., N. Y., USA. A. R. hatte eine Forderung gegen K. R. in B. (Inland), mit deren Einzug Rechtsanwalt Z. beauftragt war. Rechtsanwalt Z. erwirkte im Verlaufe eines Rechtsstreits wegen dieser Forderung einen gerichtlichen Beschluß, auf Grund dessen im August 1955 im Grundbuch auf dem inländischen Grundstück des Schuldners K. R. eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek von 50.000 DM zugunsten von A. R. eingetragen wurde. Diese und eine zweite Sicherungshypothek von 25.000 DM (für Zinsen aus Vermächtnisforderung) wurden auf Veranlassung von Rechtsanwalt Z. im Juli 1956 im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück wurde im Jahre 1957 veräußert. Der Erwerber überwies im Juli 1957 als Kaufpreisteilzahlung 70.000 DM auf das Postscheckkonto von Rechtsanwalt Z., der den Betrag nach Abzug seiner Kosten auf ein bei der Bgin., einer Großbank, im April 1956 eröffnetes und im August 1957 geschlossenes liberalisiertes Konto übertragen ließ. Dieses Konto wurde auf Vorschlag der Bgin. unter der Bezeichnung "A. R., G., N. Y., zu Händen von Rechtsanwalt und Notar Z.", später "A. R. verstorben ..." und schließlich "A. R. Nachlaß, zu Händen von Rechtsanwalt Z." geführt. Im Auftrag von Rechtsanwalt Z. überwies die Bgin. im August 1957 66.958,50 DM an den bevollmächtigten Vertreter des Erben in M., N. Y., USA.

Das Finanzamt forderte mit Steuerbescheid im Oktober 1959 von dem Erben eine Erbschaftsteuer von 16.056 DM. Da der Erbe nicht zahlte, erließ es gegen die Bgin. im Oktober 1960 einen Haftungsbescheid. Auf den Einspruch setzte es lediglich den Haftungsbetrag auf 11.900 DM herab, stellte sich aber in der Einspruchsentscheidung auf den Standpunkt, daß die Bgin. den in ihrem Gewahrsam befindlichen Betrag fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Erbschaftsteuer in das Ausland zur Verfügung gestellt habe.

Mit der Berufung bestritt die Bgin. die Steuerpflicht dem Grund nach, da eine bloße Vormerkung, von der sie im übrigen erst durch die Einspruchsentscheidung erfahren habe, nicht als Sicherung im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG gelten könne. Außerdem habe sie nicht Vermögen des Erblassers in Gewahrsam gehabt, da allein verfügungsberechtigter Inhaber des sogenannten Anderkontos Rechtsanwalt Z. gewesen sei. Schließlich habe sie nicht fahrlässig, sondern gutgläubig gehandelt, da der 1958 verstorbene Rechtsanwalt Z. ihr im April 1956 mitgeteilt habe, er müsse die Forderung hypothekarisch absichern; sie habe also davon ausgehen dürfen, daß die Forderung am Todestag nicht dinglich gesichert gewesen sei.

Das Finanzgericht hielt die Steuerpflicht dem Grunde nach und auch die objektiven Voraussetzungen der Haftung für gegeben. Gleichwohl hob es Haftungsbescheid und Einspruchsentscheidung auf, da der Bgin. mangels einer Rechtspflicht, von sich aus nachzuforschen, ob die Forderung durch inländischen Grundbesitz gesichert gewesen sei, Fahrlässigkeit bei der überweisung in das Ausland nicht vorgeworfen werden könne.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts, das Finanzgericht habe die Fahrlässigkeit auf Grund rechtsirriger Auslegung des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG zu Unrecht verneint, da die Bgin. sich beim zuständigen Finanzamt über das Bestehen einer Erbschaftsteuerpflicht habe erkundigen müssen.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 8 Abs. 1 Ziff. II ErbStG tritt nur für den Erbanfall ein, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 77 BewG oder in einem Nutzungsrecht an einem solchen Vermögen besteht. Zum Inlandsvermögen gehören unter anderem nach § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und auch Forderungen oder Rechte, wenn sie durch inländische Grundstücke unmittelbar oder mittelbar gesichert sind. Die Sicherungshypotheken wurden erst mehrere Monate nach dem maßgeblichen Todestag (im Dezember 1955) zu Lasten des inländischen Grundbesitzes des Schuldners K. R. im Grundbuch eingetragen. Das Finanzgericht ist aber unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 505/30 (RStBl 1930 S. 604) zutreffend davon ausgegangen, daß die bereits im August 1955, also mehrere Monate vor dem Stichtag eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Erblassers auf Eintragung einer Sicherungshypothek eine der eingetragenen Hypothek gleichzustellende unmittelbare dingliche Sicherung im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG darstellt. Die Vormerkung (§ 883 BGB) ist ein Sicherungsmittel eigener Art, das dem geschützten Anspruch in gewissem Umfang nicht erst für die Zukunft, sondern schon für die Gegenwart dingliche Wirkungen verleiht (Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB - BGB-RGRK -, 11. Aufl., § 883, Anm. 36, 37; Palandt, Kommentar zum BGB, 23. Aufl., § 883, Anm. 2 a). Dem geschützten Anspruch wird durch die Vormerkung nicht nur ein Veräußerungsverbot besonderer Art beigegeben, sondern auch der Rang des Rechts nach dem Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung gewahrt (§ 883 Abs. 2 und 3 BGB). Im Konkursverfahren ist der Konkursverwalter zur Erfüllung des gesicherten Anspruchs schlechthin verpflichtet (§ 24 der Konkursordnung - KO -). Da der Begriff der unmittelbaren oder mittelbaren Sicherung im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 6 BewG nicht streng bürgerlich-rechtlich, sondern wirtschaftlich zu verstehen ist (vgl. Haider-Engel- Dürschke, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Bodenschätzungsgesetz 3. Aufl., § 77, Anm. 6), ist er jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn der Gläubiger durch irgendwelche Rechtsbeziehungen zu dem Grundstückseigentümer in der Lage ist, sicher erforderlichenfalls Befriedigung aus dem Grundstück zu verschaffen (für den Fall der mittelbaren Sicherung vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 77, Tz. 31). Demgegenüber ist es - entgegen der Auffassung der Bgin. - unerheblich, ob die Vormerkung - wie die später eingetragenen Hypotheken - nur der gesicherten baldigen Einziehung der Forderung, nicht aber einer langfristigen Vermögensanlage im Inland gedient hat.

Die Bgin. bestreitet zu Unrecht, daß sie Gewahrsam am Vermögen des Erblassers gehabt habe. Im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten, auf denen der Begriff des Gewahrsams ausdrücklich mit einem körperlichen Gegenstand (§ 133 StGB) bzw. einer Sache (§ 246 StGB; §§ 808, 809, 886 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) gekoppelt ist, muß der in § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG im Zusammenhang mit dem Begriff "Vermögen" gebrauchte Gewahrsamsbegriff als ein insoweit dem Steuerrecht eigener Begriff auch nach dem besonderen Sinn und Zweck des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG ausgelegt werden. Schon die Wortverbindung "Gewahrsam" am "Vermögen" beweist, daß hierunter nicht etwa "Besitz an Sachen" zu verstehen ist. Die Verweisung in § 8 Abs. 1 Ziff. II ErbStG auf § 77 BewG und der Katalog des § 77 Abs. 2 BewG zeigen, daß Vermögen im Sinne des Erbschaftsteuerrechts Wirtschaftsgüter aller Art sind, also auch Bankguthaben. Bei anderer Auslegung würde auch der Sinn des Gesetzes weitgehend vereitelt, mit Hilfe des § 15 Abs. 6 ErbStG das gesamte steuerpflichtige Vermögen des Erblassers möglichst restlos zu erfassen, bevor seine Besteuerung durch Verbringen ins Ausland unmöglich gemacht oder doch sehr erschwert wird. Außerdem würde praktisch der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch eine unverständlich-unvollständige Lösung, die in den Gewahrsam nicht das ganze Vermögen einbezöge verletzt. Der Senat sieht deshalb keinen Anlaß, von dem Gutachten des Reichsfinanzhofs II D 4/20 vom 25. Juni 1920 (Slg. Bd. 3 S. 246) zu dem insoweit mit § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG 1951 übereinstimmenden § 19 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1919 abzuweichen (vgl. auch Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1927, § 15, Anm. 44 Beta; Model, Handbuch zum Testaments- und Erbschaftsteuerrecht, 2. Aufl., § 15 Ziff. VI Tz. 11, S. 298; Megow, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 15, Anm. II 5, S. 291). Aus dem gegenüber § 59 Abs. 1 ErbStG 1919 durch die Verwendung des Ausdrucks "Vermögensstücke" etwas anders gefaßten § 187 a AO lassen sich für § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG keine neuen Schlüsse ziehen (vgl. auch den auf Grund des Art. II des Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951, BGBl I S. 759, BStBl 1951 I S. 560, ergangenen § 5 Abs. 1 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung - ErbStDV - 1952 mit Muster 1, wo von Verwahrung von "Vermögen" gesprochen wird).

Da Gewahrsam nicht etwa die rechtliche Verwertungsbefugnis voraussetzt, sondern nur den Zustand der unmittelbaren tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit bedeutet (vgl. auch Kipp, a. a. O., § 15, Anm. 44 a; Model, a. a. O.; Megow, a. a. O.), kommt als Gewahrsamsinhaber gerade nicht, wie die Bgin. meint, nur derjenige in Betracht, gegen den sich die Forderung richtet (also im Streitfall Rechtsanwalt Z. als Anderkontoinhaber), sondern auch die Bank, die das Guthaben tatsächlich verwaltet (den Gegenwert des Guthabens verwahrt). Unerheblich ist es auch, ob das Guthabenkonto bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bei dem Gewahrsamsinhaber bestand oder erst nachträglich eröffnet wurde, vorausgesetzt nur, daß es sich auch insoweit um Nachlaßvermögen handelt. Die von der Bgin. behauptete Haftungsbeschränkung im obigen Sinn läßt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten noch wäre sie sinnvoll, da durch eine bloße Verlagerung von Vermögenswerten von einem auf einen anderen Gewahrsamsinhaber nach dem Tode des Erblassers die Sicherungsvorschrift des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG völlig gegenstandslos gemacht werden könnte. Entscheidend kann auch nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur sein, daß die Personen, die im Zeitpunkt der überweisung in das Ausland den Gewahrsam hatten, auch haftbar gemacht werden können ("... soweit sie ...").

Die Bgin. kann auch mit dem Einwand nicht gehört werden, sie habe nicht Vermögen des Erblassers, also Nachlaßvermögen in Gewahrsam gehabt, sondern ihr gegenüber sei allein verfügungsberechtigter Inhaber des Guthabens als eines sogenannten Anderkontos Rechtsanwalt Z. gewesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem von Rechtsanwalt Z. unter den oben angeführten Bezeichnungen eingerichteten Konto um ein Nachlaßkonto besonderer Art handelte, bei dem nach den Vertragsbedingungen sowohl Rechtsanwalt Z. als auch der Erbe unmittelbar Rechte und Pflichten erwarben, oder - wovon die Vorinstanzen ohne nähere Prüfung der entsprechenden Angaben der Bgin. ausgegangen sind - um ein sogenanntes Anderkonto im eigentlichen Sinn, bei dem die Bank die Namen des Auftraggebers des Anderkontoinhabers nicht wissen soll und will (Opitz, Bank- Archiv 1933/1934 S. 81; Schütz-Trost, Bankgeschäftliches Formularbuch, 16. Ausgabe S. 82). Auch wenn man mit den Prozeßbeteiligten davon ausgeht, daß Rechtsanwalt Z. ein Anderkonto eingerichtet hatte, so war zwar der Bank gegenüber allein voll Verfügungsberechtigter Rechtsanwalt Z. als Anderkontoinhaber. Er war Herr der Forderung gegen die Bank, aber auch nur der Forderung, nicht auch Herr des in der Forderung verkörperten Vermögens. Er verwaltete als Mittler in - wirtschaftlich gesehen - treuhänderischer Stellung besonderer Art auch für die Bank erkennbar fremdes Vermögen, das er gerade als Anderkontoinhaber von seinem eigenen Vermögen ausgesondert wissen wollte (Opitz, a. a. O., S. 81 ff., 85 linke Spalte unten, Bankgeschäftliches Formularbuch, a. a. O., S. 83; vgl. auch Entscheidung des Bundesgerichtshofs IV ZR 95/53 vom 5. November 1953, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 11 S. 37, 41, Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 190). Dies zeigt sich z. B. darin, daß die Bank bei einem Anderkonto weder das Recht der Aufrechnung noch ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend macht - außer bei das Anderkonto selbst betreffenden Forderungen - (vgl. Ziff. 8 der Geschäftsbedingungen, Bankgeschäftliches Formularbuch S. 629, 630) oder daß bei Pfändung durch persönliche Gläubiger des Anderkontoinhabers die Widerspruchsklage aus § 771 ZPO gegeben ist (Entscheidung des Kammergerichts 21 U 4074/38 vom 20. Dezember 1938, Bank-Archiv 1940 S. 253; vgl. auch Opitz, a. a. O. S. 82; Entscheidung des Bundesgerichtshofs IV ZR 95/53, a. a. O.; Wieczorek, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 771 B IV a 2 S. 329, 330). Besonderheiten gelten auch bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Anderkontoinhabers, da das Anderkonto nicht zur Konkursmasse im Sinne des § 43 KO (Aussonderungsrecht) des Treuhänders gehört und Konkursverwalter und Anderkontoinhaber nach den Geschäftsbedingungen gemeinsam verfügungsberechtigt sind (vgl. Mentzel-Kuhn, Konkursordnung, 7. Aufl., § 43 Anm. 13; Nr. 14, 15 der Geschäftsbedingungen, Bankgeschäftliches Formularbuch S. 630).

Mag auch die Bank nach der Natur des Anderkontos bankmäßig nur mit der Person des Anderkontoinhabers in Geschäftsbeziehung gestanden haben, so konnten durch solche privatrechtliche Vereinbarungen - insbesondere über ausschließliche Verfügungsberechtigung - gesetzliche Haftungsvorschriften nicht eingeschränkt werden. Außerdem wußte die Bgin., daß es sich in Wahrheit um fremdes, und zwar um Nachlaßvermögen handelte. Als steuerrechtlich wesentlich kommt noch hinzu, daß nach der auch für das Erbschaftsteuerrecht geltenden Zurechnungsvorschrift des § 11 Ziff. 3 StAnpG das Treugut dem Treugeber, also im Streitfall als Vermögen des Erblassers im Sinne des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG dem Nachlaß zuzurechnen war. Demgegenüber kann es - wie bereits in anderem Zusammenhang zu II 2 Abs. 2 dargelegt - für die Anwendung dieser Vorschrift auf die Verfügungsbefugnis über das Guthaben nicht ankommen. Der Umstand, daß auch der inzwischen verstorbene verfügungsberechtigte Rechtsanwalt Z. als Haftender hätte in Anspruch genommen werden können, vermag die Haftung der Bgin. nicht auszuschließen, wie dies auch dann nicht der Fall wäre, wenn die Bgin. das Guthaben auf Anweisung eines Erben selbst ins Ausland überwiesen hätte. Entscheidend kann schließlich nicht sein, ob eine Auslandsüberweisung befugt oder unbefugt vollzogen worden ist; entscheidend kommt es nur darauf an, daß sie tatsächlich vom Gewahrsamsinhaber vorgenommen worden ist.

Der Senat kann der Auffassung des Finanzgerichts nicht folgen, daß die subjektive Voraussetzung des schuldhaften Handelns eine "Rechtspflicht" voraussetze, "auf eigene Faust nachzuforschen", ob beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gegeben sei, und daß Fahrlässigkeit der Bgin. schon deshalb zu verneinen sei, weil Rechtsanwalt Z. die Bgin. nach ihrem unwiderlegbaren Vorbringen über die bereits eingetragene Vormerkung nicht unterrichtet habe.

Der Bgin. war bekannt, daß das Vermögen zum Nachlaß des ihr namentlich bezeichneten Erblassers gehörte. Sie selbst hat die Kontobezeichnung entsprechend durch die oben angeführten Zusätze ergänzt. Der Vergleich der verschiedenen Haftungstatbestände in § 15 Abs. 5 und 6 ErbStG zeigt, daß die Haftung nach § 15 Abs. 5 ErbStG mindestens grobe Fahrlässigkeit voraussetzt, daß die Haftung nach § 15 Abs. 6 Satz 1 ErbStG auch ohne Verschulden besteht und daß im Falle des § 15 Abs. 6 Satz 2 ErbStG jede Art von Verschulden, also auch leichte Fahrlässigkeit, genügt. Mangels besonderer Begriffsbestimmung im Steuerrecht handelt nach dem auch bei gesetzlicher Haftung und auch auf anderen Rechtsgebieten anwendbaren § 276 BGB (BGB-RGRK, § 276 Anm. 5) fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt, das ist die Sorgfalt, die objektiv normalerweise ein gewissenhaft Handelnder in den betreffenden Verhältnissen aufzuwenden pflegt. Dabei brauchte die Bgin., um Fahrlässigkeit und Haftung abzuwenden, nicht so hoch gespannte Maßstäbe zu beachten, daß auch jede nur entfernte Möglichkeit erwogen werden mußte (BGB-RGRK, a. a. O., Anm. 30, 33). Andererseits müssen zumal an eine Großbank mit rechtskundigem Personal, dem Fragen der Erbschaftsteuerpflicht nicht unbekannt waren - sie selbst hat die mögliche Erbschaftsteuerpflicht zur Sprache gebracht -, erhöhte Anforderungen gestellt werden. Immerhin handelte es sich bei der überweisung eines erheblichen Geldbetrages in das Ausland aus Anlaß der Abwicklung eines Erbfalles mit der Möglichkeit der steuerrechtlichen Haftung um einen nicht alltäglichen Geschäftsvorgang, der die Bgin. hätte veranlassen müssen, vor Durchführung des überweisungsauftrags von sich aus nachzuforschen, ob Erbschaftsteuerpflicht gegeben ist. Bei der offenbar recht allgemein gehaltenen Erklärung des Rechtsanwalts Z. als Vertreters des Steuerpflichtigen, Erbschaftsteuerpflicht komme bei einer Geldforderung nicht in Betracht, durfte die Bgin. es nicht bewenden lassen. Die Bgin. hätte vielmehr, wollte sie mit Sicherheit die Haftung vermeiden, eine Erklärung der für die Prüfung der Erbschaftsteuerpflicht zuständigen Finanzverwaltungsbehörden selbst über das Bestehen einer Erbschaftsteuerpflicht bzw. über die Entrichtung oder Sicherstellung der Erbschaftsteuer herbeiführen müssen, z. B. dadurch, daß sie Rechtsanwalt Z. zur Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Erbschaftsteuerfinanzamts veranlaßte oder indem sie sich unmittelbar mit einer kurzen entsprechenden Rückfrage an die Finanzverwaltungsbehörde wandte, die aus der Kenntnis aller Umstände - wie der Streitfall zeigt - eine unbedingt zuverlässige Auskunft hätte erteilen können. (Zu einer solchen Auskunft wäre die Finanzverwaltungsbehörde ohne Verstoß gegen § 22 AO gegenüber dem Haftenden nach der Natur der Sache befugt gewesen.) Insbesondere konnte ebenso nur das Finanzamt wissen, ob außer dem Vermögen im Gewahrsam der Bgin. an anderer Stelle noch anderes Inlandsvermögen des ausländischen Erblassers vorhanden war, das (ebenfalls) beschränkte Erbschaftsteuerpflicht auslöste.

Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, war wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Bei der dem Senat nunmehr zustehenden freien Beurteilung (§ 296 Abs. 3 AO) ist die Sache spruchreif. Da - wie dargelegt - die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Bgin. erfüllt sind, waren die Einspruchsentscheidung und der berichtigte Haftungsbescheid des Finanzamts vom 6. Dezember 1960 wieder herzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411342

BStBl III 1964, 647

BFHE 1965, 481

BFHE 80, 481

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